Es hat ordentlich geblasen am sechsten Regattatag der Feva-Weltmeisterschaft vor Travemünde. Bei Böen bis zu 30 Knoten trug die Goldflotte bei sechs bis sieben Beaufort mit zwei Läufen ihr Finale aus. Mittendrin waren Mats Krüss und Vivien Joost – als einzige Deutsche. Wir sprachen die beiden nach ihrer Rückkehr mit den anderen Crews des SRSV nach Plön.
Die beiden erlebten die bisher härtesten Rennen ihrer noch jungen gemeinsamen Feva-Auftritte. Nach einer Kenterung im ersten Lauf und dem gelegentlichen Verzicht auf den Gennaker-Einsatz freuten sich Mats und Vivien über Platz 19 im Endergebnis – bei insgesamt 49 internationalen Startern in der Goldflotte.

Im letzten Lauf hatten sich die beiden noch einmal richtig nach vorne geschoben. Hauke Krüss, Mats Vater und selbst einer der Trainer der mit insgesamt sieben Crews angetretenen SRSV-Truppe, fand es sehr bedauerlich, dass die beiden gleich am ersten Tag im Gold-Race das Pech hatten, dass der Gennakerbaum nicht rausging.
Es waren drei Rennen, wo sie gehandicapt segeln mussten. „Das kostete jedes Mal drei bis vier Plätze – bei jedem der vier Manöver“, so Hauke Krüss. „Sie hatten gute Chancen, in die Top 10 zu segeln.“ Bei der Meisterschaft der Meister auf der Alster hatte Mats Krüss seinen ersten großen Auftritt unter Segeln – mit 13 Jahren.
Automatismen funktionieren noch nicht
Vorschoterin Vivien Joost erlebte die Situation so: „Zuerst habe ich den Gennaker gesetzt, der Baum war noch drinnen. Mats hat dann die Schot gezogen.“ Beendet hat sie das Manöver souverän: „Ich musste vorne aufs Vordeck und mit den Händen den Baum rausziehen und später beim Gennakerbergen wieder zurückdrücken. Dabei habe ich immer schön die Wellen abbekommen und Salzwasser geschmeckt.“ Sagt’s und lacht dabei.

Absolut neu für alle Crews des SRSV waren die Wellen, die es auf dem heimischen Revier, dem Plöner See, so nicht gibt. „So viel Wind hatten wir auch noch nicht so oft“, sagt Mats. Einmal sind sie kurz vor dem Leegate gekentert, haben den Gennaker weggenommen, sind durchs Gate getrieben und dann wieder hoch. Die Crew wusste sich zu helfen.
Ehrlich schätzen sie die Schwächen ein, die verhinderten, noch weiter vorne mitzufahren. „Unser Hauptproblem war, dass wir uns sehr konzentrieren mussten, unseren Bootsspeed zu halten und die Höhe mitzufahren. Das funktioniert bei anderen, die das schon länger fahren, halt besser.“
Mats: „Die Automatismen funktionieren bei uns eben noch nicht so. Da bräuchte man auch im Training mehr Gegner, die wir auch in Travemünde hatten. Aber letztendlich klappte das mit Vivien super. Angst hatten wir auch keine. Von meiner Seite aus nicht.“

Ein weiterer Faktor kommt dazu: „Irgendwann gibt das Material halt nach. Das ist echt Gold wert, so eingespielt zu sein und sich gegenseitig aufeinander verlassen zu können.“ Hier wirkt Mats schon ziemlich ausgebufft.
Favoriten sind Seesegeln gewohnt
Auch Hauke Krüss kommentiert ganz nüchtern den entscheidenden Unterschied zwischen Mats und Vivien und den beim Feva-WM-Finale ganz vorn Platzierten: „Der Weltmeister war vor drei Jahren der französische Meister und vor zwei Jahren Europameister. Nun ist er Weltmeister.“ Und, wohl wesentlich: „Er ist vorher schon viel auf einem Seerevier gesegelt. Die sind einfach Welle gewohnt.“
Hier können die Plöner noch einiges lernen. Hauke Krüss formuliert die Aufgaben: „Wie müssen wir mit dem Gewichtstrimm ran, wie fährt man mit der Welle mit diesem Boot? Wir kannten das nicht, und in Deutschland konnte uns das auch keiner sagen.“

Auch das Alter spielt eine Rolle: Die Gegner waren älter. Gerade bei viel Wind waren mehr Kraft, mehr Gewicht und mehr Erfahrung da, im richtigen Augenblick auch die richtigen Handgriffe zu machen. Die Gegner „waren taktisch extrem gut und hatten auch die Erfahrung, sich beim Start zu behaupten“, so Hauke Krüss.
„Meine erste Regatta, und dann schon eine WM“
Mats hat seine Stärken hauptsächlich bei Downwind zeigen können. Bei Gennakergängen waren sie sehr schnell, selbst bei der technischen Panne, wo sie verlorene Plätze fast wieder gutmachen konnten. Aber eben nur fast. Hauke Krüss freut sich, dass die beiden auch weiter zusammen segeln werden. Doch auch bei den anderen SRSV-Crews zeigte sich Potenzial.
Nach den Beobachtungen des Trainers waren Sander Lange und Leon Böge die Überraschungscrew – eine Entdeckung. Beide sind eigentlich Steuerleute. Da auch Leon gern selbst steuern möchte, werden die beiden sich trennen. Sander wird sich mit Meena Bromisch zusammentun, eine der besten Vorschoterinnnen im Verein. Hier entsteht vielleicht ein zweites starkes Team.
Und wie schätzte es Sander selbst ein? Auf alle Fälle sehr selbstkritisch, wie letztendlich alle, die wir bei der Rückkehr von der WM nach Plön sprechen: „Eigentlich bin ich ja nicht mit sehr großen Erwartungen hingefahren. Das Qualifying war auch zunächst echt schwach. Da habe ich mich auch richtig geärgert.“
Er spricht es gelassen aus: „Das war ja meine erste Regatta, und dann schon eine WM. Mit unseren kleinen Trainingsstarts hier ist das ja nicht zu vergleichen. Als ich das Prozedere raushatte, sind wir auch gleich Dritte geworden.“ Nach einem perfekten Start auf der bevorteilten Seite.
„Und vorne hast Du immer freien Wind und konntest den anderen davonsegeln. Ich hatte auch das Gefühl, dass die vorne viel sauberer segeln. Ein tolles Gefühl, mal da vorne zu sein.“ Ansonsten hielt er seine Crew aus jeder brenzligen Situation raus: „Wir hatten keine Lust auf einen Protest.“
Plöner traten mit sieben Crews an
Auch Nike Maternowski und Emma Lindenau zeigten ihr Potential in Travemünde. Mit ein bisschen weniger Pech und mehr Erfahrung hätten sie es durchaus in die Gold-Fleet schaffen können.
Selbst die beiden Letztplatzierten, Felix Moll und Vorschoterin Leonie Strehlke, hatten ihren Spaß beim Segeln. Sie waren zwar mit dem Ergebnis nicht zufrieden, haben aber alle Rennen durchgehalten – trotz des starken Winds. „Wir waren auch mal vorne mit dabei, haben dann aber immer wieder taktische Fehler gemacht, die uns nach hinten brachten.“
Geschlafen wurde, wie traditionell beim SRSV, im Zelt. Die Stimmung war – trotz einer Regennacht, als das Wasser mehr als knöchelhoch stand – immer gut, so Klaus-Dieter Seelig, der für die Organisation verantwortlich zeichnete. Auch der internationale Kontakt war erfreulich: „Die anderen haben uns ganz verdutzt angeguckt, als wir erzählt haben, dass es unsere erste Feva-Regatta ist“, lacht Vivien.
Auch deshalb, weil es dieses Jahr in Deutschland keine Feva-Regatten gab. Eine Großveranstaltung soll kommendes Jahr vielleicht in England stattfinden. Und eventuell in zwei Jahren wieder etwas in Travemünde. Der SRSV wäre dann sicher wieder mit ganz großem Aufgebot dabei.