Die Sturmböen kommen aus dem Nichts. Noch während der Fahrt nach Marmaris auf unserer Dilly Dally mussten wir die meiste Zeit motoren, jetzt gönnen wir uns einen Ankerstopp in einer kleinen Bucht, ehe wir am frühen Abend die beengte Netsel-Marina anlaufen wollen.
Wir lassen den Anker auf zehn Metern Tiefe fallen, SUP raus, Hund drauf, an Land paddeln und Gassi gehen. Ein eingespieltes Szenario. Das Ganze dauert nur wenige Minuten. Kein Geschrei, kein Gezeter. Es sieht spielerisch einfach aus und doch kann man erstaunlich viel falsch machen.

Als der Wind plötzlich auffrischt und mit knapp 30 Knoten über die Berge pfeift, treibt wie zum Beleg aus der Bucht neben uns eine wunderschöne Yacht in Blau in den Golf von Marmaris – und niemand scheint an Bord zu sein. Ein Felsvorsprung versperrt uns anfangs die Sicht. Aber das aufgeregte Signalhorn eines Ausflugsbootes verheißt nichts Gutes. Erst als sich die Yacht bereits über hundert Meter von ihrem ursprünglichen Platz entfernt hat, der Anker über den Grund zuckt und ruckt und immer noch niemand an Deck erschienen ist, erkennen wir das ganze Dilemma. Denn jetzt treibt auch noch ein SUP aufs Meer – ebenfalls führerlos.
Ehe wir unser Dinghi zu Wasser lassen können, ist bereits Hilfe von einer anderen Yacht da. Erst wird ein Mann aus dem Wasser gefischt, dann das SUP gesichert, ehe es zu der treibenden Yacht vor Anker geht. Was genau passiert ist, können wir nicht sagen. Vielleicht wollte der Segler mit dem SUP eine Landleine ausbringen, wahrscheinlich wähnte er aber seine Yacht sicher, bevor die Sturmböen ihn eines Besseren belehrten, und gab sich ganz den Badefreuden hin, denn das Dinghy brachte kurze Zeit später noch eine zweite Person zur Yacht. Zum Glück ist nichts passiert, aber dieser Vorfall zeigt einmal mehr, wie wichtig das Ankermanöver ist.

Gerade im Mittelmeer beobachte ich immer wieder, wie sorglos Segler ihr Boot vor Anker sichern. Der häufigste Fehler ist, den Anker nicht richtig einzufahren. Meist ist das kein Problem, sofern kein Wind weht. Denn dann reicht meist das Gewicht der Kette, um das Boot zu halten. Zumindest wenn genügend Kette gelegt ist. Aber wehe, Wind kommt auf!
Ein türkischer Stegnachbar, der sein Segelboot eher als Datsche nutzt, war einmal ganz überrascht, als er in einer benachbarten Bucht neben uns ankerte und ich ihn fragte, wie viel Meter Kette er denn gesteckt habe, kaum hatte das Rasseln aufgehört und der Motor war augenblicklich verstummt.
Entweder hatte er einen Turbo in seiner Ankerwinde eingebaut oder aber deutlich zu wenig Kette gelassen. „Keine Ahnung“, sagte er und fragte achselzuckend: „Warum?“ Er schaute sich um, fixierte das Land, begutachtete die Kette, die schlaff ins spiegelglatte Wasser hing, und schien zufrieden. „Hast du den Anker richtig eingefahren?“, fragte ich ihn. Ich blickte in ratlose Augen. „Was meinst du?“, fragte er zurück. „Ich mache das immer so.“

Die schönste Art zu Übernachten
Ankern ist die schönste Art, die Nacht auf einem Segelboot zu verbringen. An Land zirpen die Grillen, sanft plätschert das Wasser am Rumpf, oben funkeln die Sterne und unten schimmert in einer Vollmondnacht der Grund des Meeres. Am Morgen ersetzt ein Sprung ins kristallklare Wasser die Dusche. Auch wenn der Traum von der menschenleeren Bucht in der Hauptsaison oft eine Illusion bleibt, selbst eine volle Bucht ist immer noch besser als jede Marina. Vorausgesetzt, der Anker hält. Aber das bedarf einiger Vorbereitung.
Und die beginnt bei der Wahl des Ankers. Für Chartersegler stellt sich die Frage natürlich nicht, da muss das Eisen herhalten, das an Bord ist. Bei der Art des Ankers und der Dimension der Kette spielen Faktoren wie die Größe des Bootes, das Gewicht und natürlich das Revier (also der Untergrund) eine Rolle.
Die fünf gängigsten Ankertypen sind: der Pflugscharanker, der auch meiner „Dilly-Dally“, einer Moody 425, guten Halt bietet. Der Name verrät es. Der Anker gräbt sich wie ein Pflug in den Grund. In den 30er Jahren entwickelt, ist er immer noch sehr beliebt. Das Original besitzt zwischen Schaft und Kreuz ein Gelenk, die Weiterentwicklung ohne Gelenk nennt sich Delta.
Der Plattenanker wurde in den 1940er-Jahren für die britische Navy entwickelt und ist sehr gut für Schlick geeignet. Auf ihm basiert der Fortress-Anker mit verstellbarem Flunken-Winkel. Seit den 1980er-Jahren erfreut sich der Bügelanker mit dem markanten Überrollbügel großer Beliebtheit. Selbst wenn sich der Anker löst, gräbt er sich im Idealfall immer wieder ein. Zudem bietet er eine gute Haltekraft auf allen Ankergründen.