Meine alte Lady, die Moody 425, wiegt fast das Doppelte verglichen mit den schlanken Schönheiten aus moderner Serienproduktion. Entsprechend behäbig reagiert sie auch auf Winddreher. Ist der Schwoikreis zu niedrig angesetzt, kann es schon mal eng werden. Von daher ist für jeden Skipper ein wenig Bootskenntnis ratsam. Im Idealfall ankert man zwischen ähnlichen Bootstypen, deren Verhalten annähernd gleich ist.
Das Manöver
Das Ankermanöver wird immer gegen den Wind gefahren. In dem Moment, in dem das Boot keine Fahrt mehr durchs Wasser macht, gibt der Skipper das Zeichen für „Anker fallen lassen“, nachdem er dem Crewmitglied im Bug die Wassertiefe angegeben hat. Hier gehen die Philosophien auseinander. Manche schwören darauf, den Anker bis zum Grund ausrauschen zu lassen und erst dann die Bremse wieder anzuziehen. Ich favorisiere es, den Anker einfach über die Ankerwinde kontrolliert abzulassen.
Eine Faustregel ist, dass die Winde etwa einen Meter Kette pro Sekunde freigibt. Am besten ist es aber, jeder stoppt vorher einmal die Zeit, um sicherzugehen. Warum ich die Kette ungern ausrauschen lasse, liegt an meiner Vergangenheit als Chartersegler und Protagonist in einigen Hafenkino-Movies. Mal ist es passiert, dass viel zu viel Kette durchgerauscht ist und einen großer Haufen Eisen über dem eigenen Anker gebildet hat, der dann beim Einrucken, einem Judoka gleich, den Anker auf den Rücken gedreht hat. Ein anderes Mal verkanteten sich die Kettenglieder und flutschten aus der Führung, weshalb statt 12 Metern plötzlich 80 Meter in der Tiefe lagen.
Hat der Anker den Grund erreicht, legt der Skipper den Rückwärtsgang ein. Der Ankergänger fiert die Kette so lange, bis die errechnete Länge erreicht ist. Liegt das Boot ausschließlich vor Anker, also ohne Landleinen, besagt die Lehrmeinung, dass mindestens die dreifache Tiefe an Kette gesteckt werden muss. Je mehr Wind, desto mehr Kette. Bei 10 Meter Wassertiefe sollten also mindestens 30 Meter Kette gelegt werden.
Ein befreundeter Skipper auf Weltumsegelung verfolgt eine andere Philosophie: Er steckt immer die Wassertiefe plus zwanzig Meter Kette. Kleinere Boote haben oft nur einen Kettenvorlauf von einigen Metern und dann Seil. Dann ändert sich die Faustregel auf das Verhältnis 1:5 Wassertiefe zu Seillänge.
Ist die gewünschte Kettenlänge gesteckt, kommt der wichtigste Teil des Manövers, den einige Crews vergessen: das Einrucken des Ankers. Zuvor hält das Crewmitglied an der Winde den Skipper via Zeichensprache über die Kettenlänge informiert. Alle zehn Meter gibt er ein Zeichen, farbige Markierungen an der Kette geben die Länge an. 2 Finger für 20 Meter, 3 für 30. Nachdem der Anker zunächst sanft in den Untergrund gezogen wurde, gibt der Rudergänger kräftig Gas im Rückwärtsgang. Einige Segelschulen empfehlen 2.000 Umdrehungen für eine Minute. Ich halte das für etwas übertrieben. Aber sicher ist sicher.