Jean-Jacques Savin tat es wirklich. Am zweiten Weihnachtsfeiertag 2018 war der Abenteurer von El Hierro aus in seinem Holzfass in See gestochen. Oder besser: losgedriftet. Davor lief die Nachricht über die Medienkanäle, dass ein 71-jähriger Franzose in einem marinisierten Weinfass nur mit der Strömung über den Atlantik treiben will. Das hielten manche für eine witzige Medienkampagne der französischen Küferei, die das Fass gebaut hat und das Projekt begleitet.
Andere hielten es schlicht für Altersschwachsinn, gepaart mit einer großen Portion Naivität. Denn auch wenn der Mann ein ehemaliger Fallschirmspringer und Triathlet ist, hat er bisher keine Erfahrung mit Atlantiküberquerungen. Und schon gar nicht in diesem skurrilen Gefährt.

„Das Wetter ist toll. Ich habe einen Seegang von einem Meter und bewege mich mit zwei oder drei Kilometern pro Stunde“, sagte Jean-Jacques Savin telefonisch der Nachrichtenagentur AFP, nachdem er von El Hierro aufgebrochen war. „Meine Kapsel verhält sich bisher sehr, sehr gut.“ Bis Sonntag sind günstige Windverhältnisse vorhergesagt.
Wie wird sich das Fass im Laufe der Reise in der Welle verhalten? Es hat zwar einen Kiel, aber gerät der Fasskapitän in einen Sturm, wird er sich in seiner Tonne wie im Schleudergang fühlen. Wird die Packung mit der Medizin gegen Seekrankheit ausreichen? Kennt er auch alle anderen Tricks gegen Seekrankheit?

Jean-Jacques Savin wird sicher kein Klaustrophobiker sein, denn seine Reise wird etwa drei Monate dauern. Seine Behausung für diese Zeit ist drei Meter lang, 2,10 m breit und wiegt 450 kg. Damit er sieht, wohin er dümpelt, hat er kleine Bullaugen einbauen lassen. Und damit er nicht von Containerschiffen einfach über den Haufen gefahren wird, hat er das dicke runde Ding leuchtfarben angestrichen.

Transat in der kleinsten Tonne
Platz genug ist ja bekanntlich in der kleinsten Hütte. So hat Salvin in seiner Tonne einen Schlafplatz, eine Sitzecke, eine Küchenzeile, einen Kartentisch und etwas Stauraum. In einem letzten Video vor seiner Abfahrt – gedreht in Restinga, dem südlichsten Punkt der Kanaren-Insel El Hierro – zeigt Savin, wie er in den kommenden drei Monaten an Bord leben wird: Seinen Vorrat an Nahrungsmitteln für einen Monat bewahrt er in einem großen Schapp auf, direkt neben der Spüle und dem kardanisch aufgehängten Kocher. Zwei 3-kg-Flaschen Gas, so schätzt der Fass-Pilot, werden für die geplanten drei Monate Drift bis in die Karibik ausreichend sein. Zwiebeln und Knoblauch hängen lose im Netz von der Decke.


Gegenüber der Pantry, an der Steuerbordwand, hat Savin seine Schlafliege platziert. Mit Gurten kann er sich selbst fixieren, damit er bei rollender See nicht aus dem Bett fällt. Direkt daneben ist sein Navigationstisch mit Pad, Satellitentelefon und GPS. Am hinteren Ende des traditionell aus Holz gefertigten und mit Epoxy laminierten Fasses ist die Bordelektrik untergebracht. Direkt davor ist der „Salon“ mit einem bequemen Sitz direkt unter dem Bullauge in der Heckbordwand.
Über zwei parallel stehende Leitern geht es, wie bei einem U-Boot hinaus an die frische Luft. Licht kommt durch komplett verschließbare Bullaugen ins Fass. Für ein Bad war kein Platz, da muss wohl die Pütz reichen. Einen Fernseher hat er auch, nämlich ein Bullauge im Boden – mit Blick ins Meer direkt unter dem Boot. Das Programm: der Atlantische Ozean von null bis 24 Uhr.
Der ehemalige Fallschirmspringer kennt sicher das Gefühl, nicht zu wissen, wo genau man landet. „Wohin es geht, weiß ich nicht genau, Barbados oder Guadeloupe“, sagte der Triathlet der französichen Nachrichtenagenur AFP. Er wolle „das Gefühl von Freiheit“ erleben und „den Reichtum und die Tierwelt des Meeres bewundern“.
Stimmt die Richtung noch?
Zum Jahreswechsel 2018/2019 schickte Jean-Jacques Savin dann eine Botschaft aus der Tonne. Alles erdenklich Gute für das kommende Jahr wünschte er allen. Seit acht Tagen treibt der Franzose zu diesem Zeitpunkt in seiner signalfarbenen Tonne im Atlantik. Auf dem Lifetracker hat sich Jean-Jacques Postion aber schon ungünstig nach Nordwesten verschoben.
Er wird vom Südostwind auf die Südwestseite des Azorenhochs getrieben – und driftet damit nicht in Richtung Karibik. float-Autor Sebastian Wache von der WetterWelt sieht das Projekt damit zum Scheitern verurteilt. Details dazu im float-Update Message from the Barrel. Ein Irrtum, wie sich herausstellen sollte.
Großes Vorbild ist Alain Bombard
Savins großes Vorbild ist Alain Bombard, bekannt durch seine wissenschaftlichen Studien zur Überlebensfähigkeit von Schiffbrüchigen. Er hatte sich im Selbstversuch 1952 mit einem Schlauchboot über den Atlantik gewagt. 65 Tage war er unterwegs, angeblich ohne Trinkwasser und Lebensmittel an Bord seines Gummiboots. Ernährt habe er sich von Fischen, deren ausgepresste Flüssigkeit er als Trinkwasser genutzt habe.

Bombard landete auf Barbados. „Aber ich heiße nicht Alain Bombard“, kontert Savin. „Ich wäre damals nicht mit ihm losgefahren.“ Wie er sich ernähren wird, werden wir sicher noch erfahren. Wenn der Jean-Jacques nach Silvester noch immer in Feierlaune ist, kann er auch seinen 72. Geburtstag an Bord seiner Tonne begehen, heißt es wenige Tage nach dem Start auf float. Am 14. Januar war es soweit: Happy Birthday, Diogenes im Weinfass.
Besuch vom Zackenbarsch
Wir wir aus seinem Logbuch erfahren, geht es Jean-Jacques prächtig in seiner Tonne. Er schreibt: „Ich höre ein mir bekanntes Atmen und sehe etwa 300 Meter entfernt einen riesigen Wal. Dreimal taucht er auf und wiederholt seinen Tanz an meiner Seite, nach meinem Bad im Atlantik am späten Abend.
Eine prächtige Schildkröte in meinem Alter, kommt mich besuchen. Sie bleibt eine Stunde und klopft mit ihrem Panzer immer wieder gegen den Rumpf meiner Tonne. Ich habe auch einen neuen Begleiter unter Wasser, einen Zackenbarsch. Ich nenne ihn Donnerstag.“
Und dies: „Ich spüre ein großes Gefühl von Freiheit in mir und ich schätze diese Chance, frei zu sein und nur den Elementen der Natur ausgeliefert zu sein, die mich wohin auch immer tragen werden. Und nur damit Du es weißt: Nein, ich habe es immer noch nicht eilig, anzukommen.“

Auf Kollisionskurs mit einem Frachter
Die Idylle nimmt ein abruptes Ende, als Jean-Jacques Savin knapp einem Zusammenstoß entgeht. Der 72-jährige Franzose erlebt einen Schreckmoment: „Ich schaue gegen 11 Uhr durchs Kombüsenluk und sehe einen Frachter praktisch direkt vor mir, nur noch etwa 1.500 Meter entfernt. Ich versuche, Funkkontakt aufzunehmen, aber es geht niemand ran.“ Er muss sich selbst helfen – und er greift zur Signalpistole.
4 Kommentare
Nun, ich denke da ebenso etwas kritisch:
Die Tonne hat nur EINE Öffnung, durch die ein Mensch passt; alles andere sind Mini-Bullaugen.
Was passiert, wenn gerade diese Lunke hängt, fest sitzt oder sonst nicht zu öffenen ist?
Im Erfinden von Blödsinn zur Selbstdarstellung sind die 1,5kg menschliche Hirnmasse in der gesamten belebten Schöpfung nicht zu übertreffen -Chapeau!
Und wie kommt er wieder in sein Faß, wenn er es unterwegs – aus welchen Gründen (und deren gibt es mehrere), mal verlassen muß? Muß, meine ich! Das Dingens hat ja nichtmal ’ne „Badeleiter“! Ich habe die Seefahrtsbehörden schon wesentlich besser durchdachte Projekte verhindern sehen! Aber ein Fallschirmspringer ist für den Staat (welchen auch immer) halt eine „Vertrauensperson“ und wird kritiklos „durchgewunken“, selbst wenn er in naivester Weise sein Leben riskiert (und das potentieller Retter gleich mit – Armeeideologie …) Da sollte wenigstens ein Begleitboot mit …
sancta simplicitas
Wenn JJ Savin mal muss? Da gibt es nur die Pütz, wie in unserem ersten Artikel zu lesen: https://bit.ly/2PLD8Ci