Neben schwimmenden Untersätzen wie SUPs, Motor-, Ruder-, Tretbooten, Jollen, Jollenkreuzern, Zwei- oder Dreirümpfern sind nach meiner Ansicht unbedingt zwei wichtige Bootstypen zu unterscheiden: Dick- und Dünnschiffe. Dickschiffe sind bekanntlich eine ringsum kommode Sache und haben unschlagbare Vorteile wie Komfort, Stehhöhe, Toilettenräume und so weiter. Gibt‘s bei jeder Bootsmesse, in jedem Hafen, kennen wir alle. Womit wir bei den Dünnschiffen wären.
Das prototypische Dünnschiff ist der klassische Schärenkreuzer. 1907 erfunden, wurde er seit 1908 etwa 1.200 Mal gebaut. Es gibt ihn vom 15-Quadratmeter-Einsteigermodell aufwärts als 22er, 30er, 40er, 55er und so weiter bis hin zum 22-m-Geschoss mit 150 Quadratmetern Segelfläche.
Zwar hat ein Dünnschiff deutlich weniger Platz, doch wird dabei übersehen, dass wesentliche Dickschiffthemen wie Stehhöhe und Toilettenbesuch seit 115 Jahren überzeugend gelöst sind. Volle Stehhöhe gibt’s bereits beim 15er im Niedergang bei geöffnetem Schiebeluk und in der Plicht. Für dringende Geschäfte bietet das Dünnschiff unter Deck volle Bückhöhe.

Da den meisten Menschen in fensterlos engen Räumen unterwegs eh schlecht wird, kürzt der universell genutzte Eimer die Verweildauer unten derart ab, dass der User bald bester Dinge an die frische Luft zurückkehrt. Ab 17 bis 19 m Rumpflänge gibt es beim 75er unter dem Kajütdach bereits genug umbauten Raum für Stehhöhe und irgendwo zwischen den Schottwänden sogar eine permanent eingebaute Toilette. Das ist schön, muss aber wie beschrieben nicht sein.
Rattenscharfe Dünnschiffe
Dass Dünnschiffe hübsch sind und bereits im Stehen fahren, sieht jeder. Was die Bilder nicht so recht verraten, ist der Segelspaß. Dünnschiffsegeln ist so rattenscharf wie mit einem motorisierten Go-Kart über den Asphalt zu schrubben. Die Nähe zur Piste macht die zuvor nur leicht schöngeredeten Bordlebensqualitäten derart wett, dass für Dünnschiffer nur Dünnschiffe infrage kommen. Das ist, zugegeben, eine Segler-Weltanschauung.

Weltanschauungen kommen durch Prägung zustande. Meine begann Mitte der Siebzigerjahre, als mein Vater mit meinem Bruder und mir mit so einer Feile in der marginal höheren Tourenausführung mit 70 statt 50 cm Bordwand so hurtig von Travemünde via Skagen nach Norwegen segelte, dass da oben in den Fjorden Zeit zum Trollegucken blieb.
Ein anderer Ritt führte über Großenbrode und Klintholm in einem Aufwasch durch den Abenteuerspielplatz Ostsee zu den Ålandsinseln, nach Turku und zurück. Von einer halben bis 3 Windstärken war es das seglerische Nirwana. Ab 3 1/2 von vorne wurde es ernst und nass. Täglich informierte Rügen Radio mit dem besten deutschsprachigen Wetterbericht über das, was auf uns zukommt.
Zweckmäßiges Signalrot statt 1970er-Orange
Anno 1974 holte der Fehmaraner Reetbauer Georg Milz sein erstes Dünnschiff nach Lemkenhafen. Die Siebziger-Trendfarbe Orange wurde durch zweckmäßiges Signalrot ersetzt. Damit wird ein Dünnschiff im üblichen Grau der bewegten Ostsee bei Schietwetter besser gesehen.
Für nasse Fronteinsätze wie Vorsegelwechsel hatte Milz mit seinem jüngeren Bruder Hans einen willigen Vorschoter. Ich fand den Wäschewechsel vorn in der Ostsee interessanter als Latein und Mathe. Hans segelt heute einen glänzend im Lack stehenden 15er. Soviel zum Thema Prägung.
Georg Milz hat seitdem einige Dünnschiffe, 15er, 22er, einen herrlichen 40er und moderne Varianten gesegelt. Beim hundertjährigen Schärenkreuzer-Jubiläum in Schweden schlug Milz vor, sich im nächsten Sommer mal bei Fehmarn zum Segeln und abends auf ein Bier in Lemkenhafen zu treffen. Daraus wurde 2009 die erste Schlank und Rank Regatta.
Bodenständige Segelsause
Es pfiff aus Ostnordost, dass die Schafe sich alle im Lee des Deichs auf die Wiesen hockten und die 30 Teilnehmer was erlebten. Die Segelfreunde – darunter ich mit meiner 55er-Tourenschäre – erschienen mit 16 qm Angstlappen und zweimal gerefftem Groß last minute vor dem Start. Es war eine schöne bodenständige Segelsause. Und so ist es all die Jahre auch geblieben.

Berliner, Bayern, Lübecker, Hamburger, Kieler und Neustädter kommen mit und ohne Boot zum Dünnschiffern, Gucken und Träumen. Sie segeln zwischen Orth, Heiligenhafen und dem „Kleiderbügel“, wie die Fehmarnsundbrücke liebevoll genannt wird. Auch wenn da mancher frech wie Jimmy Spithill startet, geht es auf der Bahn überwiegend zivil zu.
Vielleicht liegt es daran, dass zunehmend Frauen wie die versierte 15er Seglerin Ulla Prötel an der Pinne hocken oder als Vorschoterinnen mit einem Machtwort mäßigend auf ihre kleinen Jungs einwirken. Was da in der Vorstartphase an Bord genau läuft, weiß ich allerdings nicht.