Ein bisschen erinnert es an eine Hochhausschlucht. 80 Meter ragen die hellen Felsen in die Höhe. Hoch oben über dem Mast verläuft ein schmaler Streifen Blau. Der Himmel. Die Felsen links wie rechts scheinen so nah, dass man sie anfassen will. Nur etwas mehr als 20 Meter trennen die beiden Seiten, sieben Meter Wasser unter dem Rumpf zeigt das Echolot an. Auf den Brücken, die den Kanal überspannen wie ein Hochseil, stehen Menschen und winken. Oder stürzen sich in die Tiefe, gesichert an einem Bungee-Seil.
Es ist der Traum vieler Segler: einmal durch den Korinth-Kanal zu fahren, jener legendären, tief in den Stein geschlagenen Wasserstraße, die das Ionische Meer mit der Ägäis verbindet. Oder genauer gesagt, den Golf von Korinth mit dem Saronischen Golf an den Ufern Athens.
1892 wurde der Kanal fertiggestellt und hat die Halbinsel Peloponnes zur Insel gemacht. Früher musste sie umrundet werden. Ein Umstand, der viele Schiffe auf den Grund des Meeres geschickt hat, denn die Kaps im Süden der Peloponnes sind berüchtigt für ihre Stürme und Untiefen.

Schon vor Fertigstellung des Kanals scheuten viele Reeder die Passage, hievten ihre Schiffe lieber auf Balken an der schmalsten Stelle über die Felsen. Sechs Kilometer lang. Dort, wo heute der Kanal ist. Er verkürzt die Strecke um rund 350 Seemeilen.
Ein Wunschtraum wird wahr
Auch mich hat der Kanal schon immer fasziniert, auch wenn ich ihn nur von Bildern kannte. Und die Peloponnes habe ich in den vergangenen zwölf Monaten auf Überführungstörns bereits zwei Mal umrundet. Von daher steht fest: Wir nehmen den Kanal! Auch wenn er umgerechnet auf die Länge der teuerste Kanal der Welt ist.
Für unsere Moody 425 (12,70 Meter) zahlen wir für die etwa 45-minütige Passage 236 Euro. Ganz schön happig. Im Vorfeld gab es nur ein klitzekleines Fragezeichen. Ist der Kanal überhaupt geöffnet?

Im Januar 2021 blockierten Felsabbrüche die Seestraße. Immer wieder sollte der Kanal geöffnet werden. Immer wieder wurde der Termin verschoben. Doch dann, Anfang Juli, gab es endlich grünes Licht. Zumindest für die Sportschifffahrt. Bis Ende September ist der Kanal nun für kleinere Boote geöffnet. Rund um die Uhr, mit Ausnahme der Dienstage. Da wird der Kanal inspiziert. Im Herbst wird dann wieder für den Winter geschlossen. Die Bauarbeiten sind noch längst nicht abgeschlossen.
Überwachte Einbahnstraße
Aufgrund seiner Enge ist der Kanal eine Einbahnstraße, die wechselweise im Konvoi befahren wird. Am östlichen wie am westlichen Ende befinden sich kleine versenkbare Autobrücken, so dass niemand den Kanal ohne Genehmigung befahren kann. Die Kanal-Behörde wacht am östlichen Eingang in einem Tower (und via Videokameras) über die Einhaltung der Regeln – und natürlich darüber, dass auch brav jeder bezahlt.
Wer sich dem Kanal von Athen kommend nähert, muss sich über Funk bei der Kanal-Behörde anmelden, dann an der kleinen Pier anlegen (hier gibt es auch einen Tankwagen, bei dem man deutlich günstiger tanken kann als beispielsweise bei den Kollegen im Hafen von Piraeus), ins Office gehen, anmelden und bezahlen. Dann wartet man an Bord, bis man über Funk aufgefordert wird, den Kanal zu passieren. Selbst die Reihenfolge der Boote des Konvois, meist sind es fünf bis sieben, wird vorgeschrieben.
Spektakuläre Schluchten
Wer von Osten, also Athen, kommt, der findet direkt am Kanal eine sichere Ankerbucht. Nicht wirklich schön, aber durchaus empfehlenswert.

Wer von Westen kommt, hat es schwerer. Der Golf von Korinth ist oft ruppig, sichere Ankerplätze, zumal für die Nacht, sind wegen des enormen Schwells und der Wellen rar. Auch hier gilt: Kanal-Behörde anfunken und auf Ansage passieren. Bezahlt wird dann ebenfalls auf der Ostseite.
Unter Motor sollten die Boote 5,5 Knoten laufen, was bei dem Strom, der bei Westwinden einsetzt, bereits einige Drehzahlen erfordert. Auch wehen im Kanal fiese Fallböen. Wer sich also ganz auf seinen Autopilot verlässt, der kann schnell Bekanntschaft mit den Felsen machen. Obacht also!
Flamingos voraus
Den Golf von Korinth, der im Ionischen Meer endet, haben wir als mäßig berauschend empfunden. Es gibt einige Ankerbuchten, leider aber auch viele Quallen.

Ein Highlight ist sicherlich die Stadt Nafpaktos mit ihrem alten Stadthafen, den wuchtigen Wehrmauern und der venezianischen Befestigungsanlage. Ein Hauch Bella Italia weht durch den lebhaften Ort mit seinen vielen Restaurants und Cafés. Übernachtet wird vor Anker vor den Mauern der Stadt.
Auf unserem Weg ins Ionische Meer passieren wir die Feta-Stadt Patras mit ihrer gigantischen Brücke, die die Peloponnes mit dem Festland verbindet, ankern in Mesolonghi, einer kleinen Stadt voller Mythos, denn sie war im 19. Jahrhundert der Ausgangspunkt der griechischen Freiheitsbewegung.

Der Ort selbst ist wenig spektakulär, die Anfahrt durch ein schmales Fahrwasser inmitten eines Naturreservats mit Flamingos, Störchen und anderen Tieren ist es umso mehr.
Der Hund hustet
Und dann sind wir schon auf Kefalonia, einer jener Inseln, die bekannt und beliebt sind für ihr kristallklares Wasser. Eigentlich wollten wir nach Korfu, von dort übersetzen nach Italien auf der kürzesten Strecke. Da wir unserem Zeitplan aber etwas hinterherhinken und der Wind von Norden weht, entscheiden wir uns für die Passage von Kefalonia direkt an die Stiefelspitze. Rund 230 Meilen.

Es wird die erste längere Passage und Bewährungsprobe für Hund und Katze. Knapp zwei Tage und Nächte veranschlagen wir dafür. Aber ausgerechnet jetzt hat sich Bordhund Cingene einen kräftigen Husten eingefangen. Den halben Tag und die ganze Nacht röchelt die alte Dame.
Vor einem Jahr hatte sie schon einmal diesen fiesen und hartnäckigen Husten, weshalb wir zum Glück die entsprechenden Medikamente vom Tierarzt in der Türkei mitgenommen haben. Trotzdem brauchte sie damals über zwei Wochen bis zur Genesung. Und für die kommende Passage drohen Gewitter.