Alles war perfekt. Die Teams wieder komplett, Guyot bereit für das letzte Leg, 11th Hour mit einem Hattrick auf Platz 1. Jetzt konnten sich alle auf das große Finale in Genua konzentrieren. Auf den letzten Wettkampf, die große Spannung, die Freude der Teams nach den strapaziösen Monaten, die Begeisterung der Fans im Zielhafen.
Doch faktisch scheint das Ocean Race nach dem Startdrama von Den Haag schon beendet. Mit einem Wimpernschlag crashte der Traum. Die schwere Kollision, die das Guyot Environnement – Team Europe 17 Minuten nach dem Etappenstart mit dem 11th Hour Racing Team verursachte, nahm beide Yachten aus dem Rennen.

Das 11th Hour Racing Team hat zunächst mitgeteilt, die Yacht reparieren und ins Rennen zurückkehren zu wollen. Die Arbeiten an der Yacht begannen sofort. Doch jetzt hat sich auch das US-Team von der Etappe zurückgezogen und beschreitet den Weg über die Jury. Doch welche Entscheidungen sind möglich und welche Konsequenzen lassen sich aus dem ersten Einsatz der Imocas bei The Ocean Race ziehen? Eine erste Analyse.
Das Rennen ist bereits jetzt entschieden
Nach der Rückkehr in den Hafen hat das Guyot Environnement – Team Europe sofort die volle Schuld auf sich genommen und die Aufgabe der Etappe verkündet. Auch wenn der Schaden sicher reparabel wäre, wird die Yacht nicht mehr nach Genua segeln. Schon die letzte Reparatur war nur mit großen Herausforderungen zu leisten. Nun kommt noch die moralische Last hinzu, die für das Team nicht tragbar ist. Die Aufgabe ist unabwendbar.
Das 11th Hour Racing Team, dass auf Platz eins der Gesamtwertung liegt, arbeitet trotz Aufgabe der Etappe intensiv am Boot. Es will dem Imoca-Feld so bald wie möglich hinterhersegeln, um in Genua in den Zielhafen einzulaufen. Doch über den Sieg muss nun die Jury entscheiden.

Auch auf die Platzierung des Teams Malizia hat es Auswirkungen, wenn nur drei oder vier Schiffe im Rennen sind. Auch fünf Punkte für einen eventuellen Etappensieg würden das Team nicht auf Platz zwei der Gesamtwertung bringen. Die vier Punkte Abstand zum Team Holcim sind nicht mehr aufzuholen, da das Schweizer Team bei Ankunft in Genua durch den Ausfall von 11th Hour und Guyot schon drei Punkte sicher hat. Und der vierte Platz von Team Biotherm stand ohnehin schon fest.
Die mögliche Jury-Entscheidung
Die Wegerechtssituation war bei dem Crash eindeutig. 11th Hour Racing hatte auf der Lay Line zur vierten Bahnmarke gewendet und segelte bereits rund eine halbe Minute auf Kurs mit Wind von Steuerbord. Wie das US-amerikanische Team berichtete, hatte es das Guyot Environnement – Team Europe, das mit Wind von Backbord segelte, lautstark auf das Vorfahrtsrecht aufmerksam gemacht. Als es keine Reaktion gab, versuchte Charlie Enright noch ein Ausweichmanöver.
Benjamin Dutreux sah die Konkurrenten zu spät, sein Abfallen verhinderte den Crash nicht mehr. Diskussionen über die Schuldfrage gab es nicht. Mit der Aufgabe der Etappe ist eine Bestrafung für Guyot Environnement – Team Europe hinfällig.

11th Hour Racing hat nun einen Antrag auf Wiedergutmachung gestellt. Sollte die Jury dem stattgeben und eine Punktgutschrift aussprechen, würde 11th Hour Racing das Ocean Race gewinnen. Im Maximalfall würde die Durchschnittspunktzahl aus den bisherigen acht Wertungen anerkannt. Das US-Team bekäme damit 4,125 Punkte auf das Konto und wäre uneinholbar.
Sind die Imocas die richtigen Boote für das Ocean Race?
Nicht nur nach dem Crash stellt sich die Frage, ob The Ocean Race mit der Wahl der Imocas als Klasse für das Weltrennen die richtige Entscheidung getroffen hat. Die Imoca-Premiere zu The Ocean Race brachte nur fünf Teams an den Start des Weltrennens und ist damit die kleinste Flotte jemals bei einem Ocean Race seit der ersten Auflage vor 50 Jahren. Die Hoffnungen, die in die Einführung der Klasse gesetzt wurden, haben sich damit zunächst nicht erfüllt.