Seit 2017 ist der junge englische Bootsbauer Leo Sampson Goolden dabei, die Kutteryacht von Albert Strange wieder aufzubauen. Angefangen hat alles in Sequim nahe Seattle/Washington, wo er auf dem Hinterhof von Freunden eine überdachte Freiluftwerkstatt einrichten durfte. Von Anfang an begleitet float das Projekt.
Mit seinen 14-täglichen Youtube-Videos über die Werftarbeit hat er sich eine weltweite Fan-Gemeinde aufgebaut, die fröhlich spendet. Youtube beschert ihm inzwischen den finanziellen Background, um mehrere fest angestellte Bootsbauer zu beschäftigen und mit bestem Holz und Maschinen zu arbeiten. Das ist wichtig, denn Tally Ho wurde aus dem alten, maroden Rumpf heraus völlig neu erbaut.

Perfekte Schweller by Clifton
Clifton, der mit seinen buschigen Koteletten aussieht wie ein englischer Lord aus dem vorletzten Jahrhundert, zeigt seine ganze Bootsbauerkunst an der Anfertigung der Schweller (sills) für die Decksaufbauten. Kein Stück ist gerade, jedes dieser Teakholz-Langhölzer und viertelrunden Eckstücke (coves) sind in langwieriger Handarbeit angefertigt. Man kann die Berge von Teakholz-Spänen förmlich riechen.

Gesägt, gehobelt und gefräst wird unter Cliftons begabten Händen aus jedem Holzklotz ein kleines Kunstwerk, das jedem Holzbildhauer zur Ehre gereichen würde. Am Ende mit dem scharfen Stecheisen und Sandpapier gefinisht, fügen sich die Schwellen harmonisch in das Deck der Kutteryacht Tally Ho ein. Man kann im Bootsbau auch auf diese Deckshaus-Schweller verzichten, aber sie sind der beste Schutz gegen eindringendes Wasser.
Klar, solche Einzelanfertigungen brauchen viel Zeit, aber die hat das Tally-Ho-Team zum Glück zur Genüge. Jedes Teil wird x-mal trocken angepasst, bevor es am Ende mit Dolfinite-Einbettungsmasse bestrichen und mit langen Bronzeschrauben festgeschraubt wird. Die Gehrungen hingegen werden mit G-Flex Epoxy verklebt.
Es ist ein Vergnügen, diesem erfahrenen Bootsbauer dabei zuzusehen, mit welcher Ruhe er zu Werke geht. Der Arbeitsplatz an Deck ist aber auch der angenehmste (Eigenerfahrung des Autors). Kein normaler Mensch könnte sich diesen aufwendigen Bootsbau leisten, es ist für Leo und sein Team wirklich ein Werk fürs Leben.
Japanische Messer für die Kühlung
Ohne Werbung geht es nicht. Die japanische Manufaktur für edelste Küchenmesser Kamikoto hat Leo einen Deal vorgeschlagen: Wenn er in seinem Video Werbung für die Messer macht, bekommt er dafür das Kühlsystem gesponsort und freie Mahlzeiten für alle in Jen’s Marina Café. Und so machen sich Nick, Patty, Clifton, Tyson, George und Leo einen Riesenspaß mit einigen Werbespots wie „Ich schneide mein Holz am liebsten mit dem Kamikoto-Messer“ oder „Es muss doch einen besseren Weg geben, das Brot zu schneiden, als die Bandsäge! Ja, man nennt es Messer“.
Jedes dieser Messer ist auf traditionelle Weise handgeschmiedet, „von führenden Schiffszimmerern und Spitzenköchen weltweit empfohlen“. Ein kleiner Ausflug in den Kommerz. Ohne Moos nichts los. Das Team hat sichtlich Freude an dem Dreh und am Ende freut sich Leo über den neuen Gefrierschrank.


Wassertanks nicht für Durstige
Patriot Marine Fabricating in New Jersey hat die Trinkwassertanks gebaut, die das Team jetzt mittschiffs mit vereinten Kräften in die Bilge abfiert. 2 Tanks mit je 75 Gallonen (284 Liter) Fassungsvermögen, die durch den Wassermacher (die Seewasser-Entsalzungsanlage) aufgefüllt werden. Das ist nicht viel, aber Tally Ho wird meist in Küstennähe fahren. Für größere Passagen will Leo Extra-Trinkwasser in Containern mitführen.
Hat Leo im letzten Video noch über die Unsicherheit von Edelstahl-Treibstofftanks wegen Spalt-Korrosion sinniert, hat er sich bei den Trinkwassertanks doch für dieses Material entschieden. Die Tanks dürfen nicht lecken, denn er möchte auf keinen Fall Süßwasser in der Bilge haben, weil das dem Holz mehr schadet als Salzwasser.

Die neuen Dieseltanks werden indes aus Aluminium in einem Betrieb nahe Port Townsend gebaut. Erstaunlich, wie genau die Passung ist. Die Tally Ho ist dreidimensonal eingescannt und als CAD-Datei genauestens zu berechnen. So kann der Platz optimal ausgenutzt werden. Eine Technik, von der die Erbauer der Ur-Tally-Ho noch nicht einmal träumen konnten. Aber warum nicht die heute verfügbare Technik auch für den Neu-Aufbau eines traditionellen Schiffes nutzen?

Das Ende der Schanz
Jetzt ist es auch einmal wieder an der Zeit für Leo, seine Bootsbau-Kunst unter Beweis zu stellen. Aus einem dicken Stück Purple-Heart-Holz formt er einen eleganten und robusten Klotz als vorderen Abschluss des Schanz-Kleides (Bullwark). Ein ungewöhnliches Bauteil – aber Original-Tally-Ho. Es sitzt in zehn Zentimeter Abstand vom Vordersteven. In dem Schlitz dreht sich später die Rolle für die Ankerkette, so dass der Anker an Deck gefahren werden kann.

Das Bauteil ist etwa 30 Zentimeter hoch und Leo muss die Löcher zum Verbolzen durch insgesamt 60 Zentimeter Holz bohren, um auf einem 8 Zentimeter breiten Stück genau zwischen Balkweger und Außenhaut zu landen. Auch das gelingt ihm mühelos. Es ist erstaunlich, dass scheinbar immer alles klappt. Wer selbst an Booten baut, weiß, dass auch immer mal etwas schief geht. Vielleicht lässt er die gelegentlichen Misserfolge unter den Tisch fallen? Auf jeden Fall ist er ein akribischer Arbeiter, der sehr bedacht zur Sache geht. Und sich alle Zeit lässt, die ihm die globale Spendergemeinschaft gönnt.