Ganz hinten auf dem Betriebsgelände bei Hannover steht eine plastikbespannte Zelthalle, gut 20 Meter lang. Dahinter erstreckt sich der Mittellandkanal. Nieselregen fällt aus grauem Winterhimmel, als Tobias Lütke den Kopf durch die Kunststofftür steckt und mich in sein Reich hineinbittet. Im Inneren öffnet sich eine Bootshalle mit einem gigantischen Rumpf, der fast das gesamte Innere ausfüllt.

Tobias Lütke, ein drahtiger Mann Mitte fünfzig, hat sich etwas Besonderes vorgenommen. Er baut ein Boot. Nicht irgendeines, sondern einen Katamaran von 14 Metern Länge. Gelernt hat er das nicht.
Die Pläne dafür hat er vom australischen Konstrukteur Schionning Designs gekauft. Das gesamte Material dafür liefert ihm die Firma „Von der Linden“: Sandwichplatten aus DuraKore und DuFlex, die Glasfaser- und Kohlefasergelege, die Epoxidharze von West-System und Pro-Set, sowie die Füllmaterialien. Ein Boot aus dem Baukasten.

Fünf Jahre und 8.000 Stunden
Wie man das macht, hat der 56-Jährige schon früh erlebt. In Durban, Südafrika, wo Lütke geboren ist, hat sein Vater Ende der 1960er-Jahre im Garten einen Trimaran aus Sperrholz gebaut. Als das Boot fertig war, verkaufte der selbstständige Fotograf sein Studio und ging 1971 mit der Familie auf Langfahrt. Da war Tobias, der Älteste von drei Geschwistern, neun Jahre alt. Über drei Jahre segelte die Familie um die Welt.
Ebenso lange, umgerechnet 3.500 Stunden, arbeitet Tobias Lütke bereits an seinem Kat – am Tag acht Stunden, manchmal auch samstags. Nur sonntags nimmt er sich frei. Manchmal hilft ihm sein Sohn, aber der Hobby-Bootsbauer mag das Alleinsein.

„Wichtig ist die gute Vorbereitung. Ich habe viele Arbeitstische, an denen ich Schritt für Schritt alles vorbereite. Man muss nur gut planen.“ Mehr als die Hälfte der 6.500 Stunden, die Schionning für das Boot veranschlagt, hat er schon geschafft. „Es werden wohl fünf Jahre und rund 8.000 Stunden werden, bis das Schiff fertig ist“, vermutet Lütke.
Ein Leben später
Deutlich länger dauerte es, bis Tobias Lütke sich dazu entschied, ein Boot zu bauen. Vierzig Jahre lang lebte er ein anderes Leben. Nach der Weltumsegelung ließ sich die Familie in Hannover nieder. Als Jugendlicher segelte er Regatten auf dem Steinhuder Meer und ein bisschen in England. Mit 17 begann er das Windsurfen. Er baute sich seine Boards selbst und machte dabei erste Erfahrung mit Epoxidharzen und Glasfaser.
Nach dem Abitur studierte er Biologie in Bremen, und weil er nicht in die Forschung gehen wollte, wurde er Lehrer an einer Waldorfschule – erst in der Schweiz, dann mit seiner Frau und den vier gemeinsamen Kindern auf der Schwäbischen Alb. 20 Jahre arbeitete er als Lehrer, dann war Schluss.

Die tiefe Sehnsucht nach dem Meer
Schon seit Jahren war die Sehnsucht nach dem Meer immer wieder in ihm hochgekrochen. Es zog ihn in die Weite seiner Kindheit zurück.
Ich hatte ein abenteuerliches Leben als Kind, das sitzt drin.
Er geht allein mit seinen Kindern zurück nach Hannover, trifft nach 25 Jahren seine Jugendliebe wieder und sie beginnen gemeinsam ein neues Leben. Er gestattet sich eine Auszeit, liest Fachliteratur und lernt viel über Bootsbau.


„Ein Boot fertig zu kaufen kam für mich nie in Frage, ich wollte den ganzen Prozess durchmachen.“ Tobias Lütke kennt sich mit den Materialien aus und erklärt jeden einzelnen Arbeitsschritt. „Ich habe den Rumpf ganz klassisch auf Mallspanten aufgebaut, die wie ein Skelett das Grundgerüst bilden“, sagt er. Eine Leiste nach der anderen hat er geschnitten und aufgelegt. Knapp vier Wochen hat er gebraucht, dann war der Rumpf fertig verleimt.
7 Kommentare
Hallo Tobias! „Man muß nicht unbedingt verrückt sein für so ein Projekt, aber es hilft!“ sagt einer, der es wissen muß. Warum?
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Wir wünschen Dir alle Unterstützung, die Du brauchst! Fair winds! Liebe Grüße von Kirsten & Sigi
Hey Tobias, echt schön, dass du deinen Traum lebst! Alles Gute und liebe Grüße aus Freiburg, Franziska
Danke Franziska
Wow! Cool zu lesen, Onkel Tobi ?? Toll, dass Du die Möglichkeit hast, Deinen Traum umzusetzen.
Ich wünsche Dir gutes Gelingen!!
Danke Evelyn
Ahoi Tobias
Sehr schöner Bericht über deinen Bau. Werden dich gespannt weiter verfolgen und freuen uns immer wieder über ein update. Liebe Grüsse von der ganzen Familie
Super cool. Ich habe für mein Motorboot jetzt 7 Jahre gebraucht. Schön so etwas auch von anderen zu lesen