Die nächste Übernahme in der Bootsindustrie ist da. Wenige Wochen nach der Ankündigung des US-Konzerns Brunswick, Electric Boating groß zu machen, übernimmt die weltweite Nummer 1 in der Freizeitschifffahrt den Marineelektronik-Anbieter Navico. Das norwegische Unternehmen bringt mit den Marken Simrad, B&G, Lowrance und C-Map vieles mit, das Brunswick bisher fehlte. Dazu gehören Multifunktionsdisplays, Navigationselektronik und Seekarten.
Der Zukauf ist ein Milliardengeschäft. Für 1,05 Milliarden US-Dollar geht Navico aus dem Besitz von zwei Finanzinvestoren an das US-Unternehmen. Erst 2016 hatten Goldman Sachs und Altor von privat Navico übernommen – und nun Kasse gemacht.
Noch am Donnerstag, am Tag der Bekanntgabe, gab es eine Videokonferenz für die Finanzmedien, am Freitag folgte die Pressekonferenz für die Wassersportmedien. Dabei wurde klarer, was der Weltmarktführer mit seinem Zukauf vorhat.
Simrad schließt Lücke bei Radaren
Die Navico-Marken werden in den Firmenbereich „Advanced Systems Group“ eingegliedert, einer bisher eher unauffälligen Abteilung des Branchenriesen. Hier ist ein Sammelsurium an Marken zusammengefasst, die außerhalb der Kerngeschäfte von Brunswick liegen.
Dazu gehören Technologien und Marken wie Mastervolt, die nichts direkt mit Mercury-Bootsmotoren, dem Freedom Boat Club oder Booten wie Bayliner, Sea Ray und Quicksilver und Services zu tun haben.

Besonders Simrad hat es den Strategen von Brunswick angetan. Bei Radar- und Sonargeräten schließen die Geräte und Technologien von Simrad eine bisher vorhandene Lücke. Auch für den Sportbereich ist der Zukauf Gold wert: Die Navico-Marke B&G ist Technical Supplier für das Ocean Race 2022/23 und an Bord zahlreicher Weltumsegler, darunter Boris Herrmann.
Finanzierung und Erlöse sicher
Mit 470 Millionen US-Dollar Jahresumsatz (bis Ende Mai 2021) ist Navico durchaus ein Gewinnbringer. Wichtig war Brunswick der bei Navico starke und gegen Konjunkturhüpfer eher resistente Aftersales-Markt, wie CEO Dave Foulkes beim Investoren-Call betonte. Sprich, das dauerhafte Nachgeschäft.
Durch den Zukauf erwartet Brunswick eine Umsatzsteigerung von rund 10% gegenüber der bisherigen Planung.
Es sind 6,4 Milliarden US-Dollar im Bestfall gegenüber 5,9 Milliarden, die der Brunswick-Chef beim Investorentag 2021 vor wenigen Wochen nannte. Finanziert werden soll die Kaufsumme durch institutionelle Anleihen mit einer Laufzeit von drei und zehn Jahren.
Davor steht eine Brückenfinanzierung. Die Gewinnerwartung entspricht der augenblicklichen Hochstimmung in der Bootsbranche. Die erwartete Investitionsrendite soll die Kapitalkosten für den teuren Zukauf schon im dritten Jahr übersteigen.
Zu viel Marktmacht?
Mit dem Zukauf von Navico besetzt Brunswick einen neuen bedeutenden Bereich im Bootsbau. Mit den neuen Marken Simrad und B&G bauen die Amerikaner ihre Position als größtes Unternehmen im Freizeitbootssektor aus. Als Anbieter von Bootsmotoren, Ladetechnik – und nun auch von Navigations- und Bordelektronik – ist der Konzern nun häufiger als Komponentenanbieter dabei.
Auch wenn es mit Marktbegleitern wie Raymarine und Garmin genug Auswahl gibt, werden andere Werften bei der Beschaffung nun häufiger mit den Amerikanern zu sprechen haben. Kritisch werden könnte das bei Herstellern, mit denen der Marktführer auch als Hersteller von Booten im Wettbewerb steht.

Und das Spitzenpersonal? Navico-CEO und Ex-Ocean-Race-Segler Knud Frostad soll bleiben, wie es scheint. Im Gespräch mit Journalisten antwortete er auf die Frage, was der Deal bedeute: „Wir hätten auch von einer Bank übernommen werden können. Stattdessen wurden wir von einem Unternehmen gekauft, dem Bootfahren, Angeln und Segeln wirklich am Herzen liegt.“
Sein erstes Statement gegenüber der Presse lässt sich – auch wenn als Nettigkeit formuliert, auch als Kritik am bisherigen Investor verstehen. Noch muss der Kauf von den Aufsichtsbehörden freigegeben werden.