Es war zwei Tage vor Heiligabend, als mir klar wurde, dass es so nicht mehr geht. Ich hatte geahnt, dass dieser Tag an Bord kommen wird. Auch hier an der türkischen Südküste, in Kaş, einem beschaulichen Ort im früheren Lykien, wo das Wasser so klar ist wie sonst nirgends in der Türkei und die Orangen am Wegesrand wachsen. Sie hatten mich gewarnt. Die Mitarbeiter der Marina, die Bootsnachbarn aus Südafrika und Istanbul, der Brite und ein Schotte. Sogar der Norweger.
Und dann, an diesem Abend, die Sonne war vor zwei Stunden hinter der griechischen Insel Kastellorizo (auch Megisti genannt) untergegangen und der Wind zerrte mit heftigen Böen an den Festmachern, auf dass sie stöhnten und ächzten, da verkroch ich mich in meiner Achterkabine, kramte ganz tief im Schrank. Erst Steuerbord, dann Backbord. Und dann fand ich sie: meine lange Hose. Nach einem Vierteljahr auf dem Schiff musste ich mir zum ersten Mal wieder eine lange Hose anziehen. Bislang hatte der blaue Rolli zu kurzer Hose ausgereicht. Aber jetzt war er da – der Winter.
Die Vorstellung, heizen zu müssen, erschien absurd
Seit Anfang Oktober lebe ich auf der Dilly-Dally, eine Moody 425. Eine alte Lady im besten Alter. Vor 30 Jahren wurde sie im britischen Plymouth zu Wasser gelassen. Einer meiner drei Voreigner segelte mit ihr über den Atlantik. Aber die meiste Zeit lag sie im Mittelmeer, verbrachte die Winter an Land. Als ich im September das Schiff kaufte, war ich begeistert davon, wie angenehm kühl es unter Deck verglichen mit der Hitze draußen war. Nur beiläufig fragte ich nach einer Heizung. Heizen an Bord? Die Vorstellung, heizen zu müssen, erschien absurd.
Hugh, der südafrikanische Vorbesitzer, der den vergangenen Winter auf der Dilly-Dally ebenfalls in der Türkei verbracht hatte, beruhigte: Er habe ein elektrisches Heizgebläse, das aber habe er nur drei Mal benutzen müssen. Nun ist die Dilly-Dally mein Zuhause. Nicht einen Tag habe ich meinen Entschluss, auf ein Boot zu ziehen, bereut. Aber manchmal ertappe ich mich dabei, wie ich an meinen gusseisernen Kamin in Berlin denke.
Im Winter ist das Mittelmeer ein unberechenbares Biest
Überwintern an Bord ist der Traum vieler Segler. Morgens schimmert die Sonne durch die Luken. Strahlend blauer Himmel vor massiven Bergen über weitem Meer. Kann es etwas Schöneres geben? Schwimmen an Heiligabend, Segeln in den Sonnenuntergang. Kein Klischee, aber auch nicht Alltag. Leider!
Das Leben an Bord im Winter ist wider alle romantische Verklärung manchmal nervig bis aufreibend. Selbst im Mittelmeer. Abends zieht die Feuchtigkeit durch die Ritzen, die Polster sind klamm, ich sitze mit Jacke und Mütze im Salon – tippe mich durchs Internet oder lese. Längst hat heißer Tee das kühle Bier abgelöst.