Man sieht sich am 6. August in Gijón. Das ist leichter gesagt, als für einige der Teilnehmer am Golden Globe Race getan. 16 Segler haben sich angemeldet, aber für einige von ihnen wird die Zeit sehr knapp.
So beginnt das erste Rennen schon vor dem eigentlichen Start zum Golden Globe Race 2022. Beim Prologue im spanischen Gijón sollen die Segler (und die eine Seglerin Kirsten Neuschäfer) und ihre Teams aus allen Himmelsrichtungen erstmals zusammenkommen, um sich zu beschnuppern und den verpflichtenden, achttägigen Survival- und Medizin-Kurs zu belegen. Danach geht es gemeinsam die 280 Seemeilen über die Biskaya nach Les Sables d’Olonne. Aber werden alle rechtzeitig zum Prologue in Gijón eintreffen?
Der Posterboy dieses Golden Globe Race, der 27-jährige Blondschopf Elliott Smith, bräuchte überirdischen Beistand, um es rechtzeitig zu schaffen. Mit mehr als einem Monat Verspätung ist er gerade erst auf dem Sprung von den USA nach Frankreich. Den Prologue wird er knicken und gleich den Hauptaustragungsort Les Sables d’Olonne ansteuern, wo am 4. September der Startschuss fällt. Er muss aber auch noch die Pflichtkurse absolvieren. Wie sagt Veranstalter Don McIntyre? „This looks unlikely.“
Zitterpartien
Endgültig die Zeit davongerannt ist dem Kanadier Gaurav Shinde. Er hatte seine Baba 35 glücklich von Toronto nach New York motort. Aber beim Setzen des Mastes kugelte er sich die Schulter aus. Die zweiwöchige Rekonvaleszenz nutzte er für die Pflichtkurse. Trotzdem stand permanent in den Sternen, ob er seine Yacht, die er nach dem Refit noch nicht eingesegelt hat, termingerecht an den Start bringen wird. Anfang August entschied er: 2022 wird nichts. Es lebe 2026.
Ein Garant für spannende Zitterpartien scheint auch der Neuseeländer Graham Dalton zu sein. Auf vorherigen Soloregatten haben seine Rustler 36 und er Ruder- und Rippenbrüche erlitten – unter anderem. Der 66-Jährige hatte seine Anmeldung zum Golden Globe Race 2022 schon zurückgezogen. Aber sein Kindheitstraum sitzt ihm zu sehr im Nacken: einmal eine Soloregatta um die Welt zu gewinnen! Allerdings liegen noch 2.000 Qualifizierungs-Seemeilen und die Sicherheits-Kurse vor ihm.
Alles nach Plan
Die anderen Teilnehmer haben ihr Zeitmanagement besser im Griff. Tapio Lehtinen ist auf Nummer sicher gegangen und hat seine Gaia 36 nach Bilbao transportieren lassen. So spart er sich die zeitraubende Segelei durch Ostsee, Kanal und Nordsee. Mit optimiertem Antifouling will er sich das Feld diesmal von der anderen Seite angucken als beim Golden Globe Race 2018: vom ersten statt vom letzten Platz aus.

Auch die anderen Kontinent-Überquerer Guy deBoer, Edward Walentynowicz und Jeremy Bagshaw liegen gut in der Zeit. Abhilash Tomy muss seine Yacht nur aus den Niederlanden nach Spanien segeln und der Österreicher Michael „Captain Gugg“ Guggenberger hatte seine Biscay 36 längst in Les Sables d’Olonne installiert, um von dort zum Prologue nach Gijón zu springen. In Gijón bildet er mit Kirsten Neuschäfer, Tapio Lehtinen und Ertan Beskardes das Early-Bird-Quartett, das bereits in der Woche vor dem vereinbarten Termin im Hafen festgemacht hat.
Beim Golden Globe Race 2018 waren 18 Yachten angetreten. Ins Ziel gingen fünf. Zwischen der Regatta und ihrer Vorgängerin, dem Ur-Golden-Globe-Race von 1968, lagen aber auch 50 Jahre. Ein halbes Jahrhundert, in dem sich die Situation auf den Meeren stark gewandelt hat.
Jetzt können die Segler auf Erfahrungen zurückgreifen, die erst vier Jahre alt sind. Als Zuschauer können wir uns also darauf einstellen, diesmal weitaus mehr Schiffe über die gesamte Strecke im Blick behalten zu müssen. Aber erst mal heißt es Daumen drücken, dass keinem Teilnehmer das Zeitfenster vor der Nase zugeschlagen wird.