Kai war bodenlos erschöpft, konnte aber unter den Schlechtwetterbedingungen keinen Schlaf finden. Das Boot knirschte und knackte und rollte in alle Richtungen. Kai kamen Zweifel: Wenn das so die nächsten 30 Tage weitergeht, könnte ihm das glatt die Regattalaune vermiesen.
Aber schnell pendelten sie sich auf einen Zwei-Stunden-Rhythmus ein. Zwei Stunden Vollgas-Rudern, eine halbe Stunde essen, eineinhalb Stunden schlafen. Je weniger Schlaf Kai Wiedmer bekam, desto mehr wuchs seine Selbsterkenntnis. Der aufs Grundlegenste reduzierte Alltag weckte den Philosophen im Athleten.
Rudern im Schlaf
Rudern mag monoton sein, langweilig wird es nie. Ständig ändern sich die Wetterbedingungen. Am ärgerlichsten waren zwei ganze Wochen ohne Wind. Der Wind gibt dem Boot so viel Vortrieb, dass es ruhig durchs Wasser zieht. Alle zwei Tage, für die nächsten zwölf Ruderphasen, bekamen sie die ernüchternde Wettervorhersage – und mussten akzeptieren: Es bleibt windstill und damit kabbelig.
Das zermürbte. Die Schulen an Thunfischen, die sie in der Windstille begleiteten, boten nur magereren Trost. Egal wie ausgelaugt der Einzelne war, als Team blieben sie stark. Vor lauter Verantwortungsgefühl dem anderen gegenüber sind Kai und Mark manchmal eine Stunde vor ihrem Rudereinsatz aufgewacht. Andererseits ist Kai während des Ruderns eingeschlafen. Als er aufwachte, ruderte er immer noch.
Die letzten vier Tage vor Antigua kamen die Schlafphasen einem Knock-out gleich. Der Schweiß lief ihnen unter der Sonne der Karibik in die Augen. Und der Mix aus „hard times and fun“ war nicht mehr so selbstverständlich das Gleiche wie zum Anfang der Regatta. Aber Kai würde jederzeit wieder mit Mark ein Wettbewerbs-Team bilden.
Als nächstes großes Ziel verfolgt Mark Slats allerdings einen Solo-Törn. Er hat sich fest die Teilnahme an der Vendée Globe vorgenommen, seine Kampagne steht kurz vor dem Start. Er würde alleine segeln und dabei Tausende inspirieren. Schon nach seiner Golden-Globe-Teilnahme schrieb ihm ein schwerkranker Mann: „Ihr Beispiel hat mir die Energie gegeben, meine harte Zeit zu überstehen.“ Das sind die Momente, in denen der Vorzeige-Abenteurer sich auf dem richtigen Weg weiß.