Gestern Olympia-Medaillengewinnerin im 49er FX, heute Offshore-Einsteigerin in Sieben-Meilen-Stiefeln, morgen Vendée-Globe-Finalistin. So sieht der Plan von Susann Beucke aus. Nach einem Lehrjahr beim Solitaire du Figaro 2022 und dem Ocean Race 2023 steht jetzt die Meisterprüfung beim Solitaire du Figaro 2023 an.
Susann Beucke überzeugt mit ihrer geradlinigen Selbsteinschätzung. Eine Könnerin, die keine großen Töne spucken muss. Neben Boris Herrmann und Burke/Fink bringt sie das Offshoresegeln in Deutschland nach vorne. Auch, wenn sie dafür ihren Lebensmittelpunkt nach Frankreich verlegen musste …
Das Solitaire du Figaro ist eine international renommierte Regatta mit starker Frankreich-Fixierung. Die 54. Ausgabe wird vom 27. August bis 13. September in drei Wettfahrten zwischen Nordirland und Nordspanien gesegelt, insgesamt circa 1.900 Seemeilen mit den foilenden Einheitsbooten Figaro Beneteau 3. Als deutsche Frau steht Susann Beucke ziemlich solitaire beim Solitaire du Figaro. Unter den 33 Teilnehmern sind 6 Nicht-Franzosen und 5 Frauen. Aber Geschlecht und Nationalität sind dem Ozean egal. Go, Sanni, go!

Sanni, du siehst gut aus und du machst einen entspannten Eindruck.
Ich habe auch zehn Stunden geschlafen, nachdem ich drei Tage das Boot von Lorient nach Caen überführt habe, wo das Rennen startet.
Das zweite Solitaire für dich, fühlt es sich schon normaler an?
Ich würde eher sagen, es ist was ganz anderes als letztes Jahr. Es ist ein Riesenvorteil, das Rennen schon mal gesehen und gemacht zu haben. Letztes Jahr hat es sich angefühlt wie ein Abenteuer. Dieses Jahr ist es ein Rennen für mich.
Es war zu Anfang schon frustrierend für mich. Wenn du aus einem Hochleistungsbereich kommst, sehr erfolgreich warst und dann komplett auf den Boden der Tatsachen geholt wirst und gar nicht an Leistung zu denken ist. Das hat sich jetzt geändert. Das Boot ist sehr zuverlässig. Aber mental bereite ich mich natürlich darauf vor, dass irgendwas passieren kann, dass am Boot irgendwas nicht funktionieren wird, was Zeit zum Reparieren kostet.
Wie kommst du inzwischen mit deinem Boot klar?
Es ist irre, was die Figaros aushalten. Die sind einfach robust, solide. Dem Boot vertraue ich voll. Ich habe letzten November den Vercharterer gewechselt und segle dieses Boot jetzt seit März. Dazwischen lag noch das Ocean Race. Das heißt, ich segle ungefähr seit sechs Monaten auf diesem Boot.
Ich werde mich nicht darauf ausruhen, dass ich alles schon mal gesehen habe und es ist nicht so schlimm wird wie letztes Jahr. Ich muss gewappnet sein. Und deswegen sage ich, egal wie gut das Boot ist, ich muss besser vorbereitet sein.
Kannst du denn alles selber reparieren?
Das, was man auf der Regatta reparieren kann, kann ich. Ich habe eine Flex dabei, Material zum Kleben und Abdichten und das nötigste Werkzeug. Ich habe relativ viele Fehlerquellen schon gehabt und ich bin froh über jeden Fehler, der mir letztes Jahr passiert ist. Ich traue mir inzwischen zu, die Fehler lokalisieren zu können.

Wie bist du bei der Vorbereitung vorgegangen?
Ich habe eine sehr angelsächsische Art des Segelns. Ich schreibe viel auf und arbeite es dann ab. Das macht man hier in Frankreich eher nicht.
Für mich hat deshalb das Rennen eigentlich schon letzte Woche begonnen, weil ich da bereits alles vorbereitet habe. Das Essen ist gepackt, alle Checklisten sind geschrieben, alles ausgedruckt. Ich muss sie einfach nur in dem Moment, wenn es ansteht, abarbeiten.
Ich habe mir sehr oft den Zeitplan angeschaut, um zu sehen, wie ich viel Schlaf bekomme. Auch zwischen den Etappen. Ich gehe dieses Mal sehr gut vorbereitet ins Rennen und habe davor Urlaub gemacht.
Wie gehst du es als Seglerin an? Wo hast du dich verbessert?
Durch die Teilnahme am Ocean Race habe ich mich deutlich verbessert. Besonders mein Selbstverständnis als Offshoreseglerin ist besser. Vorher war ich nicht sicher, wie viel Zeit man mit was genau verbringt. Worauf legen die Offshoresegler im Rennen besonderen Wert? Tom Laperche, der als Navigator mit mir an Bord der Holcim PRB war, ist auch ein hervorragender Figaro-Segler. Er hat mir ein Verständnis dafür gegeben, wie viel er auf die Navigation geschaut hat, wie er getrimmt hat. Er hat auch sehr viel auf die Planung geschaut. Wenn wir an Land waren, hat er sich stundenlang mit dem Zeitplan beschäftigt.
Als ich letztes Jahr gestartet bin, hatte ich kein bisschen Erholung von den Rennen. Das erste Jahr war mit dem Gewinnen meiner Sponsoren, dem Aufbau meiner Kampagne sehr intensiv und auch anstrengend.
Was ist noch besser geworden?
Worin ich mich wirklich seglerisch verbessert habe, ist der Boatspeed. Ich kann auch das Wetter besser lesen. Ich gehe vor allem mit dem richtigen Fokus in die Regatta.
Wie gut bist du beim Trimmen?
Das ist mir super wichtig. Gerade in der Figaro-Klasse, wo es so mega eng ist, kommt es total darauf an, wer die Manöver am besten fährt. Am Anfang segelt man einen kleinen Kurs, bevor es auf den großen geht. Man denkt zuerst, auf so einer langen Strecke wäre der Start nicht so wichtig. Das ist falsch. Meistens ist die Reihenfolge im Ziel sehr ähnlich zu der Reihenfolge, in der man gestartet ist.
Was macht denn am meisten Spaß an der Regatta?
Global finde ich am Offshoresegeln am schönsten, dass Abenteuer und Ungewissheit mit High Performance gepaart sind. Dass du dann aus diesen häufig echt miserablen Bedingungen, die ja für alle gleich sind, den besten Schlaf findest. Dass du es schaffst, fünf Minuten weniger zu schlafen und dadurch das Boot diese fünf Minuten schneller fahren kannst. Ich finde es mega, dass solche Faktoren am Ende auf die Performance-Karte einzahlen.

Was ist mit dem Mindset?
Ich liebe diesen Zustand im Kopf draußen auf dem Meer. Es hat etwas Meditatives. Ich gefalle mir selber, wenn ich draußen auf dem Ozean bin. Das Dasein reduziert sich auf dem Wasser auf das Essenzielle. Der Kopf ist dann so leer. Diese Momente erlaube ich mir ganz bewusst. Während ich auf dem Wasser bin, driften meine Gedanken viel nach Hause ab. Zu den Leuten, die ich liebe. Ich erinnere mich an schöne Situationen, an positive Gefühle.
Was braucht es denn außerdem, damit du eine richtig gute Offshoreseglerin wirst?
Es reicht nicht, nur gut auf dem Wasser zu sein. Du musst dich mit Meteorologie auskennen. Ich liebe es, mich ins Wetterrouting oder in den Segeltrimm reinzudenken. Und du musst eine Unternehmerin sein. Du musst eine Kampagne managen, musst Sponsoren finden, sie bedienen.
Bei dir ist das bisher ja sehr gut gelaufen …
Ja, ich hatte mit allem, was ich angefangen habe, im ersten Anlauf Glück. Wir haben gleich einen Sponsor gefunden und dann den zweiten. Es geht natürlich immer darum, einen Mehrwert für die Sponsoren zu schaffen und an den Segelsport heranzuführen.
Du bist zur Kieler Woche mit deinem Boot nach Kiel gekommen …
Es war gut, dass ich das gemacht habe. Das Boot musste 1.200 Meilen segeln, mehr als ein halbes Solitaire-Rennen. Meine Kampagne findet ja hauptsächlich in Frankreich statt. Es tut mir als Kielerin manchmal im Herzen weh, so wenig zu Hause zu sein und dass das Projekt für Deutsche so wenig greifbar ist. Deshalb wollte ich mich auch live und in Farbe mit meinem Boot in Deutschland zeigen.
Bei Instagram teile ich ja viel, aber es ist etwas anderes, wenn du die Person live erlebst und das Boot wirklich zum Greifen nahe hast. Es hat mich wirklich gefreut, dass so viele vorbeigekommen sind. Und es gab auch Bootstouren mit einem meiner Sponsoren. Es geht mir auch immer darum, Mehrwert für meine Sponsoren zu schaffen und deren Mission nach außen zu tragen. Das geht ja im Segelsport sehr gut für ein Unternehmen wie DB Schenker, das für Logistik steht, oder für Bay WA r.e., die in der Windenergie arbeiten.

Die Sponsoren finanzieren jetzt dein professionelles Seglerinnenleben?
Ja, sie finanzieren meine Kampagne.
Sie zahlen also die Charter für das Boot, deine Kosten, dein Salär?
Genau. Bei allen Kosten ist mein Salär das, was adaptierbar ist.
Stellen sie dir eine Gesamtsumme zur Verfügung für die Kampagne?
Ich rechne aus, was ich an Geld brauche für eine Saison, rechne meinen Werbewert zusammen und schlage es meinen Sponsoren vor. Sie entscheiden, ob sie bei mir an Bord sein wollen.
Das stelle ich mir nicht einfach vor …
So eine Kostenkalkulation zu erstellen, kostet viel Zeit, damit sie auch zuverlässig ist und alles beinhaltet. Da braucht man auch Erfahrung, die ich letztes Jahr zum Beispiel noch nicht hatte. Ich habe mich viel mit anderen Teams unterhalten, so dass ich mich mittlerweile sicher fühle, dass ich meine Kosten realistisch abbilden kann. Solche Pläne aufzustellen gehört zu den unternehmerischen Aufgaben einer Kampagne. Sie einzuhalten auch.
Du bist auch gerne Unternehmerin, oder ist es das unumgängliche „Muss“?
Nein, es macht mir Spaß, mich mit vielen anderen Themen beschäftigen zu müssen.
Es ist schon cool, die Verantwortung für alle Teilbereiche zu übernehmen.
Du sprichst sicher auch mit Boris und Holly vom Team Malizia, oder?
Ja, die haben mir am Anfang auch geholfen. Aber jede Kampagne ist anders, der Fokus ein anderer. Das macht auch das Budget und die Ausgaben anders. Bei Holcim PRB wurde alles in Performance gesteckt. Beim Team Malicia hast du viel mehr Ausgaben fürs Marketing. Sie haben eine andere Strategie.
Wie weit hilft dir da deine Agentur Krugmedia?
Mega. Für die Gründung des Unternehmens und die Führung bin ich als Chef selber zuständig. Die Agentur macht Marketing, Presse, Darstellung. Meine Agentin hat meinen Terminkalender und plant mit mir die Interviews, macht Pressearbeit. Das Ist logischerweise auch ein Kostenpunkt. Mit Christian Krug, dem Kopf von Krugmedia, plane ich die Richtung, wo die Kampagne hingehen soll.

Würde man das auch ohne Agentur schaffen?
Du brauchst auf jeden Fall eine Person, die dir hilft. Die Summen, über die wir sprechen, sind ja in Höhe von Einfamilienhäusern. Wenn du als Seglerin braungebrannt mit blonden Haare vor den Unternehmenschefs sitzt und sagst, ich brauche Summe X, dann ist das weniger glaubhaft, als wenn jemand, der aus dem Unternehmensumfeld kommt und dort im Anzug sitzt, das sagt. Wir kommen als Segler aus einem zu weit entfernten Umfeld, um glaubhaft rüberbringen zu können, dass das die entsprechende Summe ist, die es kosten muss. Für mich ist es schwerer zu vermitteln, dass ich meine Abende damit verbringe, Excel-Kalkulationen zu machen.
Ich habe natürlich in meiner Präsentation schwarz auf weiß aufgeschlüsselt, was der Werbewert ist. Da geht es nicht darum, dass Susann Beucke Spaß auf dem Boot hat, sondern dass es für das Unternehmen einen Werbewert hat. Was ich den Sponsoren liefere, ist ja eine Dienstleistung. Allein dafür brauchst du eine Agentur. Es gibt nicht viele in Deutschland, die sich in diesem Umfeld auskennen.
Was sind das für Aufgaben, die du hast? Es sind ja nicht nur Werbefotos.
Du kannst ja mit Segeln sehr viel vermitteln: Kraft, Resilienz oder Teamwork.
Nimmst du auch Sponsoren mit aufs Boot?
Ja, in Lorient war ich Mitte Juli zusammen mit dem Geschäftsführer von Bay Wa r.e. segeln. Das war klasse. Du merkst bei jeder Person diesen Zustand, den ich vorher schon beschrieben hatte. Dass sich auf dem Wasser die Gedanken auf das Essentielle reduzieren. Und wenn ich es geschafft habe, einem CEO drei schöne Stunden auf dem Wasser zu bescheren, in denen er mal ganz kurz mit den Gedanken nicht beim Geschäft war, ist das genau richtig.
Das vermitteln wir auch in meinen Keynotes. Der Segelsport eignet sich sehr gut, um in einer schönen und interessanten Art und Weise Lerneinheiten und Themen anschaulich zu beschreiben. Und das mache ich halt mit dem Footage, was ich von Bord mache. Das kommt immer sehr gut an. Es ist großartig, was ich da für ein Feedback bekomme. Das habe ich selber nicht erwartet.
Wenn lange im Unternehmen tätige Männer auf mich zukommen und sagen: Ich habe richtig viel mitgenommen aus deinem Vortrag, finde ich es schön, diesen Mehrwert zu erzeugen. Und das Offshore-Footage hat immer eine starke Wirkung. Wenn man meine Erschöpfung spürt und sieht, dass ich trotzdem weitermache, dann ist das eine große Motivation für andere. Oder wenn ich bei den Keynote über meine Ängste spreche, die ich da draußen habe und haben werde …

Zurück zum Solitaire du Figaro. Denkst du schon in Plätzen?
In Platzierung denke ich auf gar keinen Fall. Aber es gibt Ziele, die ich mir gesteckt habe: Ich will immer an den Boatspeed denken und mich nicht von der Müdigkeit beherrschen lassen.
Ich möchte soweit an der Positionierung arbeiten, dass ich immer beim Feld dabei bleibe. Und ich will immer auf die nächste Etappe vorbereitet sein. Man kann viel verlieren, wenn man das nicht ist.
„Letztes Jahr war es ein Abenteuer, dieses Jahr ist es ein Rennen.“
Und was kommt danach?
Urlaub und Medienblöcke.
Was machst du im Urlaub?
Surfen in Frankreich.
Und wann ist das nächste Rennen?
Ich habe bewusst ein paar große Offshore-Segelrennen in diesem Jahr abgesagt, weil ich gemerkt habe, dass ich Zeit brauche, um das Geschehene zu betrachten.
Du willst ja 2028 an der Vendée Globe teilnehmen. Macht es da jetzt schon Sinn nach einer Rennyacht, einer Imoca Ausschau zu halten?
Ja, das macht es. Man muss jetzt schon die Finanzierung aufstellen und den Partnern vorschlagen. Und da es Sinn macht, mache ich das natürlich auch (lacht).
Wenn du dir ein Boot wünschen dürftest, was wäre das? Eine Malizia?
Die gefällt mir schon sehr gut. Das Konzept gefällt mir, die Zuverlässigkeit. Um Rennen gewinnen zu können, muss man ja erst mal ankommen. Das schuldet man allen anderen. Und danach kann man Rekorde brechen.
Sanni, das ist doch ein schönes Schlusswort. Wir wünschen dir für das Soiltaire, dass du gut ankommst und deinen eigenen Rekord aufstellst.