Von der Oxford University zum Offshore-Segeln. Die deutsche Studentin Annika Möslein hat eine beeindruckend zielstrebige Karriere im Profisegeln hingelegt. Mit 24 Jahren gehört sie zur Crew von The Austrian Ocean Race Project, der österreichischen Kampagne für das Ocean Race. Den entscheidenden Anstoß hat sie als eine der ersten Teilnehmerinnen beim Magenta Project erhalten.
Wieso dieses Mentoring-Programm für Nachwuchs-Profiseglerinnen, das wir vor kurzem vorgestellt haben, so wichtig ist und wie Annika Möslein vom Regattafieber gepackt wurde, erzählt die Nanotechnologie-Doktorandin im Gespräch mit float.
Annika Möslein hat das Offshore-Fieber gepackt

float: Annika, wie kamst du zum Regattasegeln?
Annika Möslein: Ich bin in einem Dorf in den bayerischen Alpen aufgewachsen – weit weg von der Hochsee. Meine Brüder sind beide gesegelt, ich wollte immer nur klettern. Mit 15 habe ich beim Klassenzimmer unter Segeln auf der „Thor Heyerdahl“ mitgemacht und hier fand ich meine Liebe zum Meer und zur Hochsee. Die Meersehnsucht hat danach nicht mehr aufgehört. In den Jahren bis zum Studium in München bin ich auf den bayerischen Seen gesegelt. Erst als ich nach England für ein Auslandssemester wechselte, ging es mit dem Yacht- und Regattasegeln richtig los.
Ich bin ins Unisegelteam eingestiegen und habe es sofort geliebt, auf dem Solent zu segeln. Es war nass, kalt, aufregend – und die beste Abwechslung zum Studium. Ich war jedes Wochenende auf dem Wasser. Und unter der Woche habe ich Ingenieurwissenschaften studiert.

Mir wurde klar: Ich will nicht zurück, ich will hierbleiben. Dann bekam ich das Angebot, meine Promotion hier in England zu machen, und ich habe es sofort angenommen. Unter der Woche promoviere ich jetzt und am Wochenende gehe ich Offshore-Segeln.
Klingt toll, aber geht ins Geld?
Ich habe großes Glück! Ich habe ein Sportstipendium über die Oxford University fürs Segeln bekommen. Als Studentin ist es sonst schwierig, das Segeln zu finanzieren. Das Gute beim professionellen Yachtsegeln ist natürlich, dass man in der Crewposition nicht mehr selber zahlt. Für Ausrüstung und Transport etc. habe ich das Sportstipendium.
Vom Uniteam zum Offshore-Segeln
Als eine von 25 Sportstipendiaten bekomme ich Zugang zu persönlichem Training, Sportpsychologie und Ernährungsberatung. Das ist unglaublich hilfreich, vor allem um in der Lockdown-Zeit weiter Fortschritte zu machen.

Wie soll es nach der Uni weitergehen?
Ich will ganz ins Offshore-Segeln einsteigen. Mein Ziel ist es, die Promotion vor dem Ocean Race im nächsten Jahr abzuschließen und mich dann auf das Segeln zu konzentrieren. Zukünftig kann ich mir aber gut vorstellen Ingenieurwissenschaften und Segeln miteinander zu verbinden. Ich habe schon für das Engineering Team von SailGP gearbeitet. Das hat mir extrem viel Spaß gemacht. Und was beim America’s Cup an technischer Entwicklung dahintersteht, ist ja auch höchst spannend!
Was war dein tollstes Rennen bisher?
Die verrückteste Regatta war wohl im Norden Englands, wo wir in einer Nacht 100 Seemeilen segeln und insgesamt 49 km laufen mussten. Wir sollten zu verschiedenen Inseln segeln, dort ankern, zum Strand paddeln und jedes Mal zwischen 10 und 15 km rennen – und das die ganze Nacht durch. Das war eine ganz schöne Herausforderung, auch weil wir uns nicht auskannten, unser Echolot nicht funktionierte und wir uns dauernd in den Dünen verlaufen haben. Aber am Ende haben wir sogar gewonnen.

Eine andere Regatta, die mir sehr viel Spaß gemacht hat, war das „Round Britain and Irland Race“, 2018, das wir mit unserem Uniteam gemacht haben: mit fünf Studenten 13 Tage lang auf Hochsee. Leider hatten wir richtig Pech mit dem Wetter, entweder Sturm oder zu wenig Wind, und immer Wind direkt von vorne. Danach war das Middle Sea Race auch toll, weil ich zum ersten Mal im Warmen gesegelt bin und nicht im englischen Wetter. Nachts am lavaspuckenden Vulkan Ätna vorbeizusegeln, war wunderschön!
Das Phänomen Lad Culture
Das Beste war aber die Überführung auf der VO65 Scallywag nach dem Volvo Ocean Race zurück nach Cascais mit allen anderen Teams. Wir hatten da unsere eigene kleine Regatta veranstaltet und ich konnte so viel lernen.
Stichwort „Lad Culture“. Beim Profisegeln trifft man als junge Frau auf eine Phalanx robust auftretender Männer. Wie gehst du damit um?
Oft ist man die einzige Frau an Bord, oder auch die Jüngste, und da gibt es schon diese „lad culture“, zu viel Testosteron an Bord. Frauen haben häufig nicht genug Selbstbewusstsein obwohl sie genau so viel Erfahrung mitbringen.