Schwimmwesten sind ein Muss
Und der Papa gibt zu dem Thema folgende allgemeingültige Anweisung: Ab Niedergang tragen alle Kinder Schwimm- oder Rettungswesten. Auch bei wenig Wind und praller Sonne, sehr zum Verdruss unserer älteren Kinder Justus, Leonard (9) und Juno (7), die allesamt mit ihrem Totenkopf-Schwimmabzeichen argumentieren. Bei einer Menge von sechs Kindern verlieren wir manchmal den Überblick, wer gerade wo ist.
Würde einer der größeren Bagaluten vom Vordeck aus ins Wasser fallen, während ich unten die Windel wechsele und Jan am Steuerstand dem heulenden Gregor erklärt, wieso er jetzt nicht Trecker fahren kann – wir würden es womöglich erst einige hundert Meter später bemerken. Tragen sie ihre Schwimmwesten, ist es lediglich ein unbeabsichtigtes Bad in der kalten Ostsee. Ohne Schwimmweste jedoch bleiben uns höchstens drei Minuten, bevor die Kälte siegt und das Kind ertrinkt.


Dieses Argument macht alle „aber ich kann doch im Freibad eine Stunde schwimmen“-Einwände zunichte. Julius’ Aufenthaltsort hingegen wird alle zehn Minuten geprüft. Als Schlusspunkt der Gerlachschen Familienplanung ist er mit Abstand der Schlimmste von allen. Ist die Badeplattform unten, marschiert Julius „Brackelmann“ Gerlach stumpf vom Cockpit durch ins Wasser. Seitdem darf er nie, Schwimmweste hin oder her, allein oben sein. Nicht mal kurz oder aus Versehen. Denn für die nächste Sicherheitsvorkehrung, den Lifebelt, ist er noch zu klein.
Ein Jägerzaun stört das Karma
Bei uns verläuft das Strecktau vom Heck des Schiffes auf beiden Seiten bis zum Bugkorb durch. Bevor die Kinder nach vorne gehen, müssen sie ihre Sorgleinen in das Strecktau einhaken. Geht eines unserer Kinder so von Bord, bleibt es am Rumpf hängen und kann von uns hochgezogen werden. Wir haben uns bewusst gegen eine Relingsverkleidung oder Seezaun mit Netz entschieden. Der Grund liegt auf der Hand: Es sieht furchtbar aus. Auch wir sind mit an Bord. Mit einem Jägerzaun auf dem Wasser können wir uns nicht anfreunden, das stört unser Karma. Lieber brüllen wir zehnmal mehr unsere Kinder an, dass sie gefälligst Westen tragen und auf die anderen achten sollen.

Denn ein nicht zu unterschätzender Faktor ist das Mitmachen. Wir haben Früh- und Spätdienste, Koch- und Putzschichten. Die Kinder wechseln sich ab, auch die Jüngsten werden mit eingebunden, wenn auch nur der Fairness halber. Wir wollen unseren Nachwuchs nicht als schwimmendes Taxi über die Ostsee fahren. Sie sollen Segeln lernen, und dazu gehört auch, die eigene Sicherheit und die der anderen Crewmitglieder zu gewährleisten. Das fängt mit dem Schließen der Luken durch Greta und Gregor an und endet damit, dass Justus und Leo gemeinsam das Groß anschlagen. Immer zu zweit, immer im Wechsel: einer führt aus, der andere kontrolliert.

Küche klar vor dem Ablegen
Wie gefährlich es werden kann, Aufgaben auf die leichte Schulter zu nehmen, haben wir bei einem kurzen Schlag von Heiligenhafen nach Orth bemerkt. Am Abend zuvor hatten wir gegrillt. Weil der Törn nach Fehmarn sehr kurz sein würde und wir endlich loswollten, ließ ich das benutzte Besteck dreckig in der Spülmaschine. Als wenige Minuten später draußen auf See die Schräglage beim Segeln schräger als gedacht einsetzte, flogen scharfe Messer, Gabeln und Gläser quer durch das Schiff. Glücklicherweise wurde niemand verletzt. Seitdem achte ich penibel darauf, vor jedem Ablegen die Küche aufgeräumt zu haben. Erst wenn von unten „Unter Deck ist alles klar zum Ablegen“ gerufen wird, wird der Motor angeworfen.
Die Kinder wissen, wo sich Feuerlöscher und Rettungsinsel befinden. Wir weisen sie immer wieder in die Sicherheitsvorkehrungen ein und machen bei Flaute Mann-über-Bord-Manöver mit zwei Kugelfendern oder – erschwerte Bedingungen – mit einer Nuckelflasche. Und wir sagen ihnen immer wieder, dass auf See das Leben eines jeden von der Arbeit und der Gewissenhaftigkeit des anderen abhängt. Dass es bei Starkwind und hohen Wellentälern keine Chance gibt, jemanden so schnell aus dem Wasser zu ziehen wie die Fender bei Flaute. Anders verhält es sich leider mit dem Aufräumen der Kabinen, aber das ist eine andere Geschichte – und wird im nächsten Artikel erzählt, wenn es darum geht, wie man sechs Kinder auf hoher See unterhält.


