Die europäische Bootsindustrie hat einen Fahrplan für die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft für Altboote vorgestellt. Es geht um die letzte Reise von Booten, nämlich die vom Hafen zur Entsorgung. Bisher gab es für die Boots-Entsorgung keine einheitlichen und verbindlichen Verfahren in Europa. Das soll sich nun ändern.
Der Fahrplan „schafft die Voraussetzungen für eine umfassende Lösung des Problems“, kündigt der Branchenverband European Boating Industry (EBI) optimistisch an. Denn das Problem ist groß, und es wächst.
Jedes Jahr landen in Europa geschätzt rund 30.000 Altboote auf dem Müll. Doch das heißt bisher nicht, dass sie fachgerecht entsorgt werden. Mitunter ist sogar das Gegenteil der Fall, wenn Eigner ihre Schrottboote heimlich versenken oder einfach am Straßenrand verrotten lassen.
Dass sich das schnellstmöglich ändern muss, mahnte auch Karsten Stahlhut vom Bundesverband der Wassersportwirtschaft (BVWW): „Da schwimmt eine Menge Müll auf uns zu“, sagte er vergangenes Jahr im float-Interview.
In 7 Jahren von der Blaupause zur Tat
Die europäische Bootswirtschaft hat sich mit dem Fahrplan nun öffentlich dazu bekannt, Lösungen für die fachgerechte Boots-Entsorgung zu entwickeln. Die sollen so praxistauglich sein, dass sie prompt in die Tat umgesetzt werden können. „Mehrere Länder haben ihr Interesse bekundet, den Fahrplan als Blaupause für die Entwicklung eines umfassenden Konzepts für Altboote zu nutzen“, teilt EBI mit.

Das Vorhaben folgt einem ehrgeizigen Zeitplan: Bis 2030 soll das bisherige Entsorgungs-Verfahren beendet werden. Das heißt, dass bereits in sieben Jahren die sogenannte energetische Verwertung, ein eleganterer Ausdruck für Müllverbrennung, bei Schrottbooten nicht mehr zum Einsatz kommen soll.
Auch die Kompostierung alter Rümpfe, ob im Stück oder geschreddert, soll 2030 nicht mehr stattfinden. Insbesondere die Verbrennung steht in der Kritik, weil hier wertvolle Rohstoffe vergeudet werden. Allerdings ist die fachgerechte Zerlegung von Verbundstoffen wie GFK technisch anspruchsvoll.
In drei Jahren wird ein Plan entwickelt
Im ersten Schritt hat EBI einen dreijährigen Prozess gestartet, in dem zahlreiche Partner aus der Wassersportwirtschaft, von nationalen Behörden, Hochschulen und verwandten Branchen den Prozess für einheitliche Entsorgungsverfahren ausarbeiten wollen. Anschließend geht es dann um die Realisierung.
Als Partner bei der Boots-Entsorgung wird die Windenergiebranche genannt. Mit der Entsorgung alter Rotorblätter von Windkraftanlagen, die zumeist ebenfalls aus GFK sind, hat man ein ähnliches Problem. Auch die Zementindustrie ist bei der Entsorgung von GFK-Rümpfen schon seit längerem im Boot: Beim Verheizen der Rumpfspäne wird Glasfaser zu Quarzsand, das begehrter Zuschlagsstoff für Zement ist.

Schätzungen zufolge gibt es in europäischen Gewässern mehr als 6,5 Millionen Boote, die meisten von ihnen kleiner als 7,5 Meter und überwiegend aus Verbundkunststoffen wie GFK. Sie haben eine Lebensdauer von bis zu 50 Jahren oder mehr.
Entsorgungsplan für 6,5 Millionen GFK-Boote
Treffen die Schätzungen zu, würden im Durchschnitt mehr als 231.000 Tonnen Verbundstoffabfälle pro Jahr anfallen. Zur Einordnung: Auf die Freizeit- und Berufsschifffahrt entfallen etwa 2 bis 3 Prozent des gesamten Verbundstoffverbrauchs in Europa.
Vorbild beim Boots-Recycling ist Frankreich. Hier sind Bootsbesitzer seit 2019 verpflichtet, ihr Altboot vorschriftsmäßig zu entsorgen. Zuständig für die Abwicklung ist APER, die Association pour la Plaisance Eco-Responsable. In zehn Jahren hat sie im Auftrag der französischen Yachtindustrie ein Verfahren entwickelt, um die Entsorgung zu standardisieren.