Wenn die Ferienzeit kommt, sieht man sie wieder in den Häfen: Familien mit Kindern in jedem Alter. Die Kleinen liegen auf dem Steg, den Kescher in der Hand, und fangen Krebse. Die Großen düsen mit dem Schlauchboot durch den Hafen. Wichtig ist, dass beim gemeinsamen Segeln oder Motorbootfahren jeder auf seine Kosten kommt – die Eltern genauso wie die Kinder. Drei Familien erzählen von ihren ganz persönlichen Strategien.

Mehr Kinder an Bord
Sophie fand das Boot-Fahren blöd. Ziemlich blöd sogar. Bis Alma ins Spiel kam. Alma ist Sophies beste Freundin, die beiden sind sieben Jahre alt und können stundenlang spielen, ohne dass ihnen jemals langweilig wird. Es war eher Zufall, dass Alma das erste Mal mit an Bord kam. Ihre Eltern mussten am Wochenende arbeiten und hatten gefragt, ob ihr Kind vielleicht bei der Freundin übernachten könnte. Das konnte es, nur eben mit an Bord. Alma war sofort Feuer und Flamme, und während die Erwachsenen noch Sicherheitsfragen diskutierten, hatte das Mädchen schon ihren Seesack gepackt. Für Alma war Bootfahren Abenteuer – und nicht lästige Familienangelegenheit wie für Sophie. Damit begann ein neues Kapitel an Bord der „Calypso“.
Für Matthias und Melanie, die Eltern von Sophie, kam diese Wendung total überraschend. Sie hatten schon so viele Wochenenden mit nölender Tochter erlebt, dass sie fast die Freude am Wassersport verloren hatten. Es fielen schon Sätze wie „Das ist einfach nichts für unsere Kleine“. Seit Alma mit an Bord kommt, hat sich viel geändert. Die „Calypso“ ist nicht mehr nur ein Fahrzeug, dass die Familie von A nach B bringt. Für die Mädchen ist die „Calypso“ ein großes Spielzimmer geworden, ihnen fällt immer wieder etwas neues ein, was sie tun können. Einmal haben sie das Vorschiff in eine Puppenstube verwandelt. Ein anderes Mal malten sie sich tiefe Wunden ins Gesicht und überfielen als Piraten die Erwachsenen. Manchmal sitzen sie auch stillvergnügt auf dem Boden und malen und basteln Tiere aus Knete.

„Wir haben einfach nicht genau genug hingesehen“, sagt Melanie heute. „Wir dachten, das Boot sei das Problem. Aber in Wahrheit war es für Sophie einfach blöd, ohne Spielkameraden zu sein. Sie hat sich mit uns Erwachsenen schlicht gelangweilt.“ Jedes Kind ist anders, manche können sicher auch gut viel mit sich anfangen. Sophie ist eher der gesellige Typ. Fragt man Melanie und Matthias, ob das mit zwei Kindern nicht doppelte Arbeit ist, schütteln sie den Kopf. Zwar ist Trubel an Bord. Aber kein Gejammer mehr. Sondern fast immer Spaß und gute Laune. Die „Calypso“ wird also vorerst nicht verkauft. Sie haben sogar schon angefragt, ob Alma mit ihnen in Urlaub fahren darf. Die Mädchen träumen vom Ankern vor einer einsamen Insel.
Zeit sich neu zu erleben
„Die ersten Tage sind immer schrecklich“, erzählt Angelika. Ihre Söhne Finn und Ole sind schon von klein auf immer mit an Bord. Und eigentlich lieben sie diese Sommer, wenn sie als Familie von Hafen zu Hafen ziehen und große und kleine Abenteuer erleben. Aber jetzt ist Finn 14 und Ole 12, und auf der einen Seite wollen sie groß sein und alles können, und auf der anderen Seite können sie vor allem eins zunehmend weniger: Nämlich tun, was man ihnen sagt. Sie rebellieren. Vor allem gegen den Vater. Der steckt als Skipper in einer Doppelrolle: Zum einen möchte er Schiff und Familie heile und unversehrt über das Meer und an den Steg steuern. Zum anderen muss er seiner Aufgabe als Pubertanten-Begleiter gerecht werden und weiß, dass Motzen und Sich-Verweigern in diesem Alter dazugehört.

Angelika steht als Mutter dazwischen. „Für mich ist an Bord wenig zu tun“, sagt sie. Früher war das anders. Da hatte sie die Doppelaufgabe von Kleinkind-Betreuung und Zweiter Offizier, war sowohl für die Kinder da als auch die zweite Hand an Deck. Ihre Jungs hat sie schon früh an Bord mit einbezogen. Mit fünf haben sie gelernt, die Fender anzuknoten. Mit sechs konnten sie den Palstek. Mit sieben es war ihre größte Wonne, irgendwelche Aufträge im Schlauchboot auszuführen. Mit zehn hat Finn zum ersten Mal einen Strich in die Seekarte gezogen und am Kursdreieck eine Gradzahl abgelesen. „Jetzt sind sie vollwertige Matrosen“, sagt Angelika stolz. „Wenn sie nur tun würden, was man ihnen sagt.“
Ihr Mann Torsten hat seine eigene Auffassung zu diesem Thema. „Jungen brauchen Führung“, sagt er. Im Alltag hat er wenig Zeit, diese Position durchzusetzen. Wenn er nach langen Tagen müde nach Hause kommt, will er vor allem seinen Frieden und nicht Konfrontation. Da lässt er viel durchgehen. Aber an Bord ist das anders. Da ist er der Kapitän und erwartet, dass ausgeführt wird, was er sagt. „Ich muss mich auf meine Mannschaft verlassen können“, sagt er. Aber seine Mannschaft pubertiert. Deshalb knallt es.
Angelika zieht dann den Kopf ein und versucht, nicht zwischen die Fronten zu geraten. Sie weiß: Nach ein paar Tagen an Bord entspannt sich die Lage. Dann werden ganz andere Dinge wichtig. Schöne Dinge. Finn liebt es, stundenlang am Ruder zu stehen und über das Meer zu steuern. Ole hat sein Stand-Up-Paddelbrett mit und ist, kaum dass sie im Hafen sind, auf den Beinen. Und Sie und ihr Mann haben Zeit, auszuspannen. In jedem der Konflikte, die die Söhne mit dem Vater austragen, können sie wieder ein Stück wachsen. Hier, an Bord, ist Raum dafür.

Gemeinsam einen Plan machen
Steffen hat das Boot von seinem Vater geerbt. Er war schon als Kind damit unterwegs, erinnert die langen Sommertage auf Anholt und die erste Nachtfahrt unter vollen Segeln. Für ihn war immer klar, dass er mit Kindern segeln wollen würde. Er brauchte nur die passende Frau. Dann kam Babette.
Im Bücherregal seiner Mutter stand (und steht vermutlich noch immer) ein Buch mit dem Titel „Die perfekte Bordfrau“, aus dem Englischen übersetzt und in Deutschland 1972 erschienen. Darin stehen Sätze wie „Eine erfahrene Bordfrau ist zur Sicherheit eines unterbemannten Schiffs ebenso wichtig wie die Schwimmwesten.“ und „Fast jeder Mann, sobald er eine Pinne in die Hand bekommt, enthüllt plötzlich seine zweite Natur. Einer, der an Land vor Schüchternheit nie den Mund auftut, brüllt an Bord plötzlich Befehle wie ein Windjammerkapitän. Nur wir, die Olschen, wissen, wie wenig oft dahintersteckt.“ Oder: „Die Bordfrau darf auf keinen Fall die Autorität und das Selbstvertrauen ihres Skippers untergraben.“
Steffen ist Vater, seine Töchter sind fünf und drei. Steffen und seine Schwester waren im gleichen Alter fast jedes Wochenende mit ihren Eltern auf dem Wasser. Das soziale Leben drehte sich ums Segeln: Die Erwachsenen gingen samstags früh an Bord, segelten in irgendeinen Hafen, wo sie die Kinder toben ließen. Steffen liebte diese Sommer. Wenn es nach ihm ginge, würde er es ähnlich handhaben.

Aber Babette sieht das ein bisschen anders. Ihre Leidenschaft ist die Musik, die Kultur. Sie segelt zwar mit. Aber eher Steffen zuliebe. Und weil das Schiff ja nun mal da ist und bewegt werden muss. Steffen und Babette haben lange gegrübelt, wie sie aus dieser Situation das Beste machen könnten. Gemeinsam haben sie dann einen Plan gemacht.
Obwohl aus Babette nie eine Vollblut-Seglerin werden würde, war wichtig, dass sie das Boot beherrschen und sicher agieren kann. Babette meldete sich zu einem Segelkurs für Frauen an. Steffen mietete ein Ferienhaus in der Nähe und hütete die Kinder. Eine Woche war Babette jeden Tag auf dem Wasser und Steffen mit den Kleinen am Strand. Das eigene Schiff lag derweil im Hafen. Die Großmutter war entsetzt. „Was für eine Schnapsidee“, schimpfte sie. „Hättest Du ihr das Segeln nicht beibringen können?“ „Nein“, sagte Steffen.
Ihm war klar, dass es für eine selbstbewusste Frau schwer zu ertragen ist, wenn der Partner sie ständig korrigiert. Und wer ist schon so souverän und kann unterscheiden, wo der Segelunterricht aufhört und das normale Miteinander wieder beginnt? Vom Segellehrer lässt man sich eher etwas beibringen, da sind die Rollen klar. Babette war überrascht, dass im Kurs viele Frauen in ähnlicher Situation waren. Die Woche war gut investiert: Jetzt kann sie Luv und Lee unterscheiden, steuert souverän, kann Anleger und Mann-über-Bord-Manöver fahren und hatte nebenbei so richtig viel Spaß. Am Segeln. Ein guter Start für die gemeinsamen Törns.

„Bloß weil das Boot am Steg liegt, muss man nicht jedes Wochenende hin“, verabredeten die beiden. Sie würden sich immer wieder mal hinsetzen und gemeinsam die Freizeit planen – und dabei mal seine, mal ihre Interessen ins Zentrum rücken, so dass jeder zu seinem Spaß kommt, und sie beide zusammen auch. Das hat die Lage deutlich entspannt. Neulich traute Steffen seinen Ohren nicht, als Babette an einem Sonntag am Frühstückstisch sagte: „Es ist so schöner Wind heute, wollen wir nicht aufs Wasser?“ Spontan haben sie ein Päckchen Kuchen und das Badezeug eingepackt. „Der Druck ist weg“, sagt Steffen, „es ist eine gewisse Leichtigkeit eingezogen.“ Und für Musik und Museen gibt es ja die Schietwetter und lange Winter.
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