Seit zwei Jahren findet in Hamburg mit dem Helga-Cup eine reine Frauenregatta statt. Mit fast 80 Crews und über 300 Seglerinnen ist sie die wohl größte Regatta ihrer Art weltweit. Bei den Teilnehmerinnen, die vorwiegend aus dem Breitensport kommen, löste das neue Format enorme Begeisterung aus – und hat ein neues Bewusstsein für das Frauensegeln geschaffen. Doch wie sind die Bedingungen für Frauen, die Regatten segeln wollen?
float hat fünf Berliner Seglerinnen im Rahmen der Boot & Fun Berlin aufs Podium eingeladen, um über die Verbesserung von Strukturen für aktive Seglerinnen und Fördermöglichkeiten für Frauen, die Regatta segeln wollen, zu diskutieren.
Dabei waren die Offshore-Regattaseglerin und Ärztin Melanie Aalburg, die Helga-Cup-Seglerin und Biologin Anja Kamradt und die Helga-Cup-Seglerin und Journalistin Cornelia Gerlach. Für den Berliner Segler-Verband sprachen Annika Oline Großmann und die stellvertretende Landesjugendobfrau Claudia Schurr. Eingeladen hatte float-Chefredakteurin Kerstin Zillmer.
float: Anja, du organisierst schon seit 2013 Frauentrainings und eine Frauencrew. Welche Erfahrungen hast du gemacht?
Anja Kamradt: Wir wollten auch als erwachsene Frauen gerne sportlich segeln, einfach weil das riesigen Spaß macht – und auch weil man sich im Team weiterentwickelt. Wir können ja alle segeln – aber wir wollten besser segeln, daher habe ich Trainings organisiert. In anderen Sportarten ist es ganz normal, dass man Trainerstunden hat, aber im Segelverein ist es eher unüblicher. Ich finde, da ist ein Bedarf bei Seglerinnen- und Seglern.
Ich habe den Eindruck, es geht in Vereinen vor allem um Jugendarbeit, und die funktioniert ja auch wirklich sehr gut – aber als Mutter von segelnden Kindern war es mir persönlich zu wenig. Ich wollte selbst aufs Wasser. Dabei habe ich festgestellt, dass es anderen Frauen genauso geht.
In Berlin gibt es seit 2018 sieben Crews, die sich auf den Helga-Cup vorbereiten. Ein Teil von uns trainiert vereinsübergreifend wöchentlich vor dem Cup mit einem Bundesliga-Trainer auf dem Wasser. Wir machen Wochenendtrainings und haben inzwischen auch einen Newsletter. Und wir Helga Teams treffen uns in Berlin reihum in den Vereinen zu Team-, Taktik-, Trimm- und Regattaregelthemen.
In deinem bisherigen Verein SV03 ist mit Brigitta Hiemsch eine Frau im Vorstand, das ist schon etwas besonderes. Wie ist es anderswo?
Brigitta ist ein Joker. Ich glaube, dass Frauen in Vorständen aufmerksam für die Dynamik sind, die Seglerinnen entfalten können. Aber auch der Sportwart Thomas Strasser hat uns mit einer privaten Spende unterstützt und stand immer hinter den Teams. Noch viel mehr Frauen würden gerne am Helga-Cup teilnehmen, aber sie haben die Trainingsmöglichkeiten in ihren Vereinen gar nicht. Und die Wettfahrten beim Helga-Cup im Bundesligaformat sind so knackig, dass man einfach vorher trainieren sollte.
Oline, du hast in der Geschäftsstelle des Berliner Segler-Verbands Einsicht in die Statistiken. Wie hoch ist denn eigentlich der Frauenanteil in den Berliner Segelvereinen?
Annika Oline Großmann: Der Frauenanteil in den 111 Vereinen, die im Berliner Segler-Verband organisiert sind, liegt bei etwa 10 bis 15 % was die Arbeit in den Vorständen betrifft. Der Mädchenanteil liegt bis 19 Jahren bei 39%, der Anteil der Frauen bei 30 %. Häufig sind aber nur die Männer ordentliche Mitglieder und die Frauen sind als Familienmitglieder im Verein angemeldet.
Interessant finde ich, dass Frauen größtenteils im Jugendbereich vertreten sind, als Jugendwartinnen zum Beispiel. Das liegt sicher daran, dass sich die Frauen in der Zeit engagieren, in der die Kinder aktiv im Verein segeln. Wenn die dann groß sind, bleiben häufig die Kinder und der Mann Vereinsmitglieder und die Frauen steigen aus.
Claudia, wie erlebst du als Landesjugendobfrau die Situation von jungen Frauen in den Vereinen?
Claudia Schurr: Wir haben durchaus auch Jugendwartinnen in den Vorständen, auch ein paar Trainerinnen, die hauptsächlich Kinder und Jugend trainieren. Die meisten steigen als Mütter ein und machen Trainerlehrgänge. Ab und zu haben wir auch Regattaseglerinnen, die aus der Regattaszene in die Trainerkarriere wechseln und die Lizenz erwerben. Das ist eine Möglichkeit um als Frau bei der Stange zu bleiben. Aber viele junge Frauen hören mit dem Studium auf und kommen erst als Mütter wieder, wenn ihre Kinder trainieren.
Conny, du segelst selber seit du drei Jahre alt bist und hast als Fahrtenseglerin schon den Atlantik überquert. Wie können Frauen deiner Meinung nach stärker gefördert werden?
Cornelia Gerlach: Ich finde, es geht erst einmal darum, eine Segelkultur für Frauen zu schaffen. Dazu gehört, dass Vereinsfrauen mit Vergnügen auf dem Wasser sind, am Ruder ihreres eigenen oder geliehenen Bootes.
Ein Kommentar
Danke für den Bericht, liebe Kerstin Zillmer! Interessant, dass das Podiums-Thema von „Frauen ans Ruder/Segelnde Frauen“ nun modifiziert ist und wir über Frauen reden, die gerne an Regatten teilnehmen möchten. Das sind für mich zwei unterschiedliche Paar Schuhe. Schade, dass es so vermengt wird.
Ich finde dennoch in beiden Fällen, dass eine besondere Förderung weder möglich, noch nötig ist. Wer segeln will, findet Möglichkeiten und muss Eigeninitiative zeigen, wie auch Melanie Aalburg in Eurem Gespräch hervorhebt. Sie hat jede Chance ergriffen hat und auch „ihren Preis“ bezahlt. Und ich befürchte auch fast, dass der Preis, in dem Fall monetär, der spingende Punkt ist, der nicht erwähnt wird:
Segeln ist kein billiges Hobby und wenn man im Verein nicht die Möglichkeit ergreift, zu segeln und sich weiter zu entwickeln, reden wir über „Mitsegeln“, was eine große Range von HgK bis Luxus-Yacht hat.
Ausbildungstörns und Segelscheine kosten definitiv eine Stange Geld. Man muss sie sich auch leisten können. Vin einem eigenen Boot, was für viele Männer eher selbstverständlich ist, gar nicht zu reden.
Leider ist es so, dass Frauen ja immernoch und bekannterweise in Deutschland fast 25% weniger Geld verdienen, als Männer. Das setzt sich im Segelsport weiter so fort, da Frauen sich diesen häufig nur auf „kleiner Flamme“ leisten können. Und während Männer segeln gehen, passen die Frauen auch ggf. noch auf die Kinder auf. So wird das halt nix!
Cornelia Gerlach betont mehrfach, dass es ein strukturelles Problem sei. Schade, dass Du sie nicht gefragt hast, was das heißt? Das verstehe ich nämlich nicht.
Meines Erachtens fehlt es an verschiedenen Dingen:
– zum Einen die Eigenverantwortung, um Dinge einfach einzufordern. Männer machen das ganz selbstverständlich.
– eigenes Engagement: man kann rumjammern, dass es zu wenig Möglichkeiten gibt oder man tut selbst etwas dafür, dass sich das ändert.
– Verantwortung für andere Übernehmen. Solange ich nicht bereit bin, auch für andere Menschen Verantwortung zu übernehmen (jaaaaa, wir Frauen machen das ständig und wollen das nicht noch in unsere Freizeit tun), wird das schwierig, eine Crew zu führen
– Schwerpunkte setzen: wenn mir segeln wichtig ist, setze ich alles daran, zu segeln. Das kann auch heißen, dass der Mann auf die Kinder aufpasst und mein Geld für das Hobby draufgeht. Im besten Fall einen Babysitter engagieren (ja kostet Geld!) und zusammen segen gehen. Viele Double-Handed-Mixed-Regatta zeigen da den Weg auf, der DSV ist auch gerade mit dem Thema unterwegs.
Fazit: Frauen, die wirklich segeln wollen, finden Möglichkeiten. Wer nicht, erfindet Ausreden. Förderung ist da kaum möglich und ich empfinde Förderung als seltsam, den ich fühle mich nicht als Randgruppe, auch wenn es weniger Seglerinnen gibt, als Segler.