Die Vendee Globe 2020 ist gleichzeitig die erfolgreichste Edition des Rennens in seiner Geschichte. 33 Skipper gingen an den Start, und 25 dieser unerschrockenen Ozeanhelden überquerten die Ziellinie. Es war der engste Schlussspurt in der Geschichte des Offshore-Rennens. Nur sechs Segler und zwei Seglerinnen gaben auf bei diesem Rennen, das dafür bekannt ist, dass sonst mehr als die Hälfte der Teilnehmenden auf der Strecke bleiben. Es gibt noch etwas Wichtigeres: Mehr Seglerinnen als je zuvor waren bei dieser Vendée Globe dabei.
Sechs Frauen gingen an den Start. Das ist zwar noch nicht die Hälfte. Aber bisher hatten an den vorherigen Rennen nur sieben Frauen teilgenommen – insgesamt. Es ist ein Zeichen für die aktuelle Stärke des Frauen-Offshore-Segelns, dass sich die Zahl der Teilnehmerinnen diesmal fast verdoppelt hat.
Ellen MacArthur setzt einen Rekord für 20 Jahre
Als die Vendee Globe 1989 begann, nahmen an den ersten beiden Rennen nur Männer teil. Erst 1996 gingen mit den französischen Seglerinnen Isabelle Autissier und Catherine Chabaud zwei Frauen an den Start. Letztere belegte mit ihrem Boot „Whirlpool Europe 2“ den 6. Platz.
Für Isabelle Autissier am Steuer von „PRB“, einem der Favoritenboote des Rennens, endete die Weltumseglung leider mit einem gebrochenen Ruder. Sie stoppte in Kapstadt, ließ ihr Boot reparieren und setzte ihre Weltumsegelung außerhalb des Rennens fort. Bei Point Nemo machte Isabelle Autissier sich auf die Suche nach ihrem Mitstreiter Gerry Roufs, der auf See verschollen ist. Sam Davies und Isabelle Koschke machten es ihr nach und beeendeten das Rennen außerhalb der Wertung.


2000 ging die britische Seglerin Ellen MacArthur mit ihrem Boot „Kingfisher 2“ an den Start. Sie stellte den Frauenrekord auf, der 20 Jahre Bestand haben sollte, bis Clarisse Cremer den Rekord von 94 Tagen brach. Ellens Boot segelte bei dieser Vendée Globe übrigens Didac Costa, der auf Platz 20 landete. An der Vendée Globe im Jahr 2000 nahm auch Catherine Chabaud teil: Sie musste aber aufgeben, als ihr Boot entmastet wurde.
Zwei Frauen waren immer dabei – außer 2016
Im Jahr 2004 gingen zwei neue Französinnen an die Startlinie. Anne Liardet auf „Roxy“ belegte den 11. Platz und Karen Leibovici mit „Benefic“ Platz 13. Im Jahr 2008 waren es Samantha Davies und ich selbst, die der Vendée Globe teilnahmen. 30 Boote gingen an den Start und nur elf kamen ins Ziel.

Es war ein zermürbendes Rennen, doch die Frauen hatten eine gute Bilanz. Denn wir kamen beide ins Ziel: Sam auf Platz 4 und ich auf Platz 6. Sam Davies nahm 2012 wieder teil, erlitt aber kurz vor den Kapverdischen Inseln Schiffbruch.
2016 war der Tiefpunkt für Frauen bei der Vendee Globe, als in dieser Edition gar keine Frauen teilnahmen. Umso größer war unter uns Seglerinnen die Freude, als wir diesmal, zur wegen Corona wackelnden Vendée Globe 2020, sechs Frauen an der Startlinie sahen.
Das Interesse am Segeln auf die angemessenen 50 % der Bevölkerung steigern
Wir Seglerinnen sagen alle: Wir wollen nicht wegen unseres Geschlechts anders behandelt werden. Wir alle sind Sportler, die den gleichen Job im gleichen Element und auf den gleichen Booten machen. Das ist wahr. Aber wenn wir das Interesse an unserem Sport auf die angemessenen 50% der Bevölkerung steigern wollen, ist es gut, Frauen auf der Regattastrecke zu sehen, damit andere folgen wollen. Um die weibliche Beteiligung am Segelsport zu erhöhen, brauchen wir Vorbilder und inspirierende Persönlichkeiten, denen Mädchen und Frauen folgen oder nacheifern können.


Jetzt kommt das Ocean Race
Die Vendee Globe gilt als der Höhepunkt der Solo-Offshore-Veranstaltungen. Die Regatta genießt auf der ganzen Welt ein hohes Ansehen. Ihr Pendant ist das Ocean Race, die Königsdisziplin der Weltumsegelung mit Crew. Auch dieses Rennen steht wegen seiner weiblichen Beteiligung im Rampenlicht. In der Vergangenheit gab es einige beeindruckende reine Frauenteams. Aber die Bodenhaftung ging verloren, und der Schwung konnte nicht weiter ausgebaut werden. So ging die Chance, Erfahrungen zu sammeln und Fähigkeiten zu entwickeln, verloren.
Im Jahr 2014 versuchte das Team SCA, die Lücke zu schließen, die zwölf Jahre lang bestand, nachdem ein anderes rein weibliches Team am Rennen teilgenommen hatte. Es war eine Lücke, die zu groß war, um sie in nur einem Rennen zu schließen. Wir sahen trotzdem, was möglich sein könnte, als das Team Platz 3 bei der In-Port-Race-Series belegte und die Etappe nach Lorient gewann.

Entschlossen, diesen Schwung nicht zu verlieren, gründeten die Seglerinnen des Teams SCA das Magenta Project, Dieses Projekt soll helfen, weibliche Talente zu fördern, Frauen zu unterstützen und Wege zu bieten, um jungen Seglerinnen zu helfen, ihre Karrieren zu entwickeln.
Die Regeln wurden 2017 für die Seglerinnen verändert
Um zu verhindern, dass das Ocean Race wieder zu einem reinen Männerverein wird, wurden beim Rennen 2017 die Regeln geändert, um Anreize für gemischte Teams zu schaffen. Das ist ein großartiger Ansatz, um die Kultur des Rennens zu verändern.
Es war den Teams freigestellt, wie sie ihre Crew zusammenstellen. Ein reines Männerteam konnte maximal sieben Segler haben. Ein gemischtes Team konnte eine oder zwei Frauen dazunehmen. Ein komplett gemischtes Team bestand aus insgesamt zehn Seglern, während ein reines Frauenteam aus zwölf Seglerinnen bestand.

Plötzlich hatte jedes Boot der Regatta auch Frauen in der Crew. Das war großartig und eine riesige Chance, die Zahl der weiblichen Seglerinnen zu erhöhen und um wichtige Erfahrungen zu sammeln. Wenn man mit erfahreneren Leuten segelt, kann man immer viel lernen, und das hat viele Seglerinnen schnell weitergebracht.
Die andere Auswirkung war, Männern das Segeln in einer geschlechtergemischten Umgebung zu vermitteln. Viele machte es nervös, denn sie hatten es bis dahin noch erlebt. Als sie es einmal ausprobiert hatten, stellten sie fest, dass es nicht viel anders war als bei jeder anderen Crew, mit der sie bisher gesegelt waren.
Eine Mixed Crew ergibt sich nicht von selbst
Das bleibende Vermächtnis dieser Regatta ist nun die Vorschrift, dass bei der nächsten Auflage des Ocean Race weibliche Seglerinnen in ein Team aufgenommen werden müssen. Zwar würden wir alle gerne allein aufgrund von Leistung und Fähigkeiten ausgewählt werden. Aber eine gemischte Crew ergibt sich nicht von selbst. Es muss immer noch erzwungen werden. Der Wandel findet statt, aber er braucht Zeit – und das Vertrauen wächst.

Wir segeln alle gerne mit denen, die wir kennen und denen wir vertrauen. Und viele würden natürlich einen 100-Kilo-Mann einer 70-Kilo-Frau vorziehen. Also müssen wir über die Rollen an Bord nachdenken und unsere Stärken ausspielen. Das wird umso schwieriger, je kleiner die Crew wird. Da wir in der Lage sein müssen, ein Tausendsassa zu sein und nicht nur Spezialistin in einem Job.
Das Thema Frauen im Segelsport war lange ein sehr emotionales Thema, und es gab keine Fakten zur Untermauerung der Argumente. Um dieses Problem anzugehen in der Hoffnung, Lösungen zu finden, die unseren Sport voranbringen können, hat der World Sailing Trust eine Studie durchgeführt.

Der Weltsegelverband schaltet sich ein
Der „Women in Sailing Strategic Review“ (hier das Originaldokument) war eine bahnbrechende Arbeit um festzustellen, wo unser Sport in Sachen Geschlechtervielfalt steht. Das gilt für alle Ebenen von Seglern bis hin zu Trainern und Offiziellen. float hat ausführlich berichtet über die 2019 mit Andrew Pindar und SAP Qualtrix entstandene Studie.
Neun Empfehlungen wurden dabei ausgesprochen, doch zwei Jahre später hat sich noch nicht viel geändert. Die Fortschritte werden langsamer gemacht, als wir alle gehofft haben. Aber zumindest gibt es jetzt einen Rahmen, auf dem wir aufbauen können. Wir vom World Sailing Trust – ich selbst als Vorsitzende – können unseren Sport in die Verantwortung nehmen.
Der erste Erfolg, der im letzten Jahr erzielt wurde, war eine Gender-Charta. World Sailing, der Weltverband des Segelsports, unterzeichnete am 8. März 2020 die UN-Charta zur Gleichstellung der Frauen. Am selben Tag wurde auch ein eigenes Regelwerk zur Gleichstellung in Kraft gesetzt.
Für dieses Jahr gibt es Ambitionen, die Themen Diversität und Inklusion anzugehen. Um den Raum zu schaffen, damit mehr weibliche Segler an Wettkämpfen teilnehmen können. Dabei wird World Sailing auf Mentoring-Programmen aufbauen, die zum Beispiel von The Magenta Project bereits angeboten werden.

„Sail GP Inspire“ als Vorbild
Der World Sailing Trust arbeitet mit dem Sail GP Inspire Programm zusammen, das von Anfang an geschlechter-ausgeglichen war. Es zielt darauf ab, junge Segler beim Training, Coaching und Rennen in WASZP-Foiling-Booten zu unterstützen.
Ein in diesem Winter gestartetes Pilotprojekt zielt darauf ab, weibliche Top-Seglerinnen auszubilden. Dabei geht es auch darum, um auf den Positionen des Steuermanns, des Flight Controllers oder des Wing Trimmers an Bord der F50-Rennboote konkurrenzfähig zu sein.
Jedes Team von Sail GP hat inzwischen ein Einladungscamp für Top-Seglerinnen durchgeführt. Das Ziel ist zunächst, mindestens eine weibliche Athletin für jedes Team auszuwählen, die ab Start der Saison 2, die im April 2021 in Bermuda beginnt, als Teil der Crew trainiert. Das wird neue Rollenvorbilder hervorbringen – und inspirierende Seglerinnen und Segler, an denen Jüngere sich orientieren können.
Mutter Natur interessiert es nicht, welches Geschlecht wir auf dem Ozean haben. Wir segeln – und wir machen unseren Job nach bestem Wissen und Gewissen. Das ist wohl auch der Grund, warum wir Segeln so lieben.