Alltag eben, nicht Urlaub. Und auch möchte ich nicht eingeladen werden. Wer glaubt, das Leben besteht aus ständigem Konsum, der hat das Prinzip des Aussteigens nicht verstanden: Die Entschleunigung, das Runterkommen, das Erfreuen an den einfachen Dingen des Lebens. Das ist der Reiz. Ansonsten hätte ich auch in meinem gut bezahlten Job und meiner Altbauwohnung in Berlin bleiben können.
Andere Ansprüche an das Dasein
Manche Freunde bringen die Hektik, vor der ich geflohen bin, mit an Bord. Anstatt sich auf das entschleunigte Bordleben einzulassen, bei dem man heute nicht weiß, wo man morgen ist, weil man nicht weiß, ob man am Abend versackt oder der Wind am Morgen versagt, werden bereits von Deutschland aus Tische in Restaurants reserviert. Sie meinen es sicherlich gut, haben aber nichts verstanden.

Das Klischee vom Bordleben entspricht einer hochglänzenden Werbebroschüre und beginnt mit dem Wort „Yacht“ statt „Boot“. Das klingt mondäner und luxuriöser, nach knappem Bikini auf brauner Haut.
Dazu kristallklares Wasser, stolz geschwelte Segel und blauer Himmel. Und immer drei Windstärken.
Verglichen mit dem Leben einiger Freunde ist mein Leben wie ein „Clash of Cultures“. All-Inclusive-Mentalität trifft auf Aussteigerleben
Natürlich ist es manchmal genau so, aber längst nicht immer. Manche verbinden daher mit Segeln, faul an Deck zu liegen. Sie nennen das Relaxen. Oder Chillen. Klingt einfach besser. Es ist ja auch für alles gesorgt. Nichts leckt, nichts tropft und das laufende Gut läuft gut. Natürlich sind die Behördengänge (Crewlist für Transitlog) längst erledigt. Diesel- und Wassertanks sind gefüllt, die Gasflaschen ausgetauscht, die Maschine gewartet, die Bettwäsche duftet frisch und das Guthaben auf dem Wlan-Router ist aufgeladen. Denn wehe, wenn es in der Ankerbucht keinen Empfang gibt oder das Datenvolumen sich bereits in Bildern und Filmchen aufgelöst hat. Dann ist Drama. Volle fünf Akte.

Nicht fragen, einfach machen!
Ankommen, ablegen, ablegen. Erst mit dem Boot, dann sich selbst. Und weil der Skipper ja ständig in Bewegung ist, die Segel setzt und stellt, den Kurs berechnet, das Meer inspiziert, den Wind checkt, liegt es ja nur allzu nahe: „Kannst Du mir mal…“. Es war ein langer Lernprozess, aber mittlerweile lautet die Antwort: Nein!
Ich versuche, ein einfaches Prinzip an Bord durchzusetzen: Nicht fragen, machen. Und dabei die anderen fragen, ob man etwas mitbringen kann. Aus dem Kühlschrank, aus der Pantry, der Kabine. Wer Hunger hat, bereitet etwas zu. Für alle. Wer das letzte Glas oder den letzten Teller in die Spüle presst, wäscht ab. Wer das Boot verlässt, nimmt den Müll mit. Kein Gang, keine Handlung ohne etwas zu erledigen. Wenn sich jeder an diese einfache Regel hält, herrscht das harmonischste Bordleben, was man sich vorstellen kann. Hat es jemals geklappt? Hm…nein!
Damit das Bordleben klappt, brauchen sich die Gäste nicht unterzuordnen. Sie müssen nur bereit sein, sich einzuordnen
Es ist erstaunlich, wie schwer sich manche Menschen damit tun, sich in einer noch so kleinen Gesellschaft von Freunden einzubringen. Sie brauchen sich an Bord nicht unterzuordnen, sie müssen sich nur einordnen. Teil eines Ganzen sein. Die Akzeptanz von Vakanz fehlt teilweise komplett. Dafür wird eine unglaubliche Verschwendungssucht und Sorglosigkeit gepflegt.

Immer ein neues Getränk, auch wenn das alte noch halbvoll herumsteht. Eine fast ausgetrunkene Flasche Cola mit Kaugummi-Kügelchen steht plötzlich im Kühlschrank. Das Kochbesteck mit den Rührei-Resten, das hinter den Herd gefallen ist, wird dort einfach liegen gelassen. Es gibt ja noch sauberes im Schrank.
Falsches Prinzip: Der Skipper buckelt, die anderen machen Urlaub
Der Skipper steckt in einem Dauerdilemma. Gerade bei Freunden an Bord. Entweder verteilt er Aufgaben diktatorengleich, was meist zu einem Murren der Crew führt, oder der Skipper buckelt die ganze Zeit allein vor sich. Er ist der erste, der am Morgen aufsteht, den Wetterbericht checkt, das Beiboot samt Außenborder einholt und das Auslaufen vorbereitet.
Ein Kommentar
Sehr wahr. Wir sehen es jedoch im Nachklapp nicht so einlenkend wie der Autor. Die schönste Zeit haben wir, wenn wir zwei allein an Bord sind.
Man muss nicht ständig aufs Neue
– Gastgeber und Entertainer spielen,
– um das Anlegen der Rettungsweste betteln,
– uns morgens leise bewegen, damit die Peristaltik des Gastes nicht aus dem Takt kommt,
– aus Höflichkeit uns den gastlichen Wünschen unterordnen,
– aus Großzügigkeit über die verstopfte Toilette hinwegsehen,
– das abgebrochene Scharnier uva.
Ohne Gäste sind wir frei. Frei in der Gestaltung des Tagesablaufs, der Atmosphäre.
Und vielleicht haben wir dann keine Freunde?
Hätte der Autor ebenso viel und lange Besuch, wohnte er in Altenessen-Nord? Bei gleicher Zeit, aber deutlich weniger Sonnenstunden?