Es ist sonnenklar: Lärm- und Schadstoffemission, CO2-Ausstoß und Ressourcenverbrauch auf dem Wasser müssen weniger werden, um einen Beitrag gegen den Klimawandel zu leisten. Spätestens 2050 will die EU klimaneutral sein, an Land ebenso wie auf dem Wasser. Doch wie denken die Industrie und die Wassersport-Szene darüber?
Und welche Antriebe und Kraftstoffe favorisiert die Branche für die Mobilitätswende? Macht das Elektroboot das Rennen, ist es der Hybridantrieb, oder wartet alles auf die Brennstoffzelle? Hier fehlen bisher aktuelle Daten.
Um sie zu sammeln, mussten nur die Richtigen am richtigen Ort sein: Als im Januar knapp 237.000 Menschen die Wassersportmesse boot Düsseldorf besuchten, startete eine Umfrage in den Messehallen. Parallel zum Blue Innovation Dock, dem Symposium für Nachhaltigkeit im Wassersport, befragten die Initiatoren wichtige Teilnehmer zu ihrer Meinung. Die Ergebnisse fasst jetzt die Studie „Die Zukunft des nachhaltigen Boots-Antriebs“ zusammen.

Unter den anonymen Befragten sind Persönlichkeiten aus der Motorenindustrie, der Werften kleiner und mittlerer Boote (bis 24 Meter), aber ebenso Angehörige von Vereinen und Verbänden. In umfangreichen, halbstündigen Interviews teilten sie ihren Gesprächspartnern von der spanischen Marktforschungs-Agentur Sea Teach SL ihre Ansichten über die Motor-Trends auf dem Wasser mit. Außerdem wurden in Online-Fragebögen, deren Beantwortung etwa zehn Minuten Zeit in Anspruch nahm, über 500 Kunden befragt.
Große Herausforderung für die Branche
Wichtigste Erkenntnis der Umfragen: Szene und Industrie befürworten ausdrücklich die Mobilitätswende auf dem Wasser. Die Nutzung von alternativen Antrieben und Kraftstoffen begeistert eine große Mehrheit der Befragten. Allerdings äußern auch viele Wassersportler die Sorge, dass sie die signifikant höheren Preise für alternative Antriebe nicht bezahlen könnten. Und viele fürchten, den Umstieg auf Elektroboote nur mit Einschränkungen bei Reichweite, Komfort und Sicherheit erreichen zu können.
„Das ist eine erhebliche Herausforderung für die Industrie“, schlussfolgert die Studie, die von boot Düsseldorf, dem europäischen Branchenverband European Boating Industry (EBI) und dem ADAC in Auftrag gegeben wurde. Welche Antriebsart das Rennen schlussendlich machen wird, sei bisher nicht endgültig entschieden. Ebenso seien viele Werften und Hersteller noch damit beschäftigt, ihre Strategie für die Mobilitätswende auf dem Wasser zu entwerfen.

Die Auftraggeber der Studie regen an, dass die Branche sich zusammensetzen möge – um beispielsweise einen koordinierten Ausstieg aus den bisher vorherrschenden Bootsantrieben auf fossiler Basis zu erreichen. Das Bewusstsein und Interesse dafür ist da – sowohl bei Anbietern wie auch bei der Kundschaft, stellt die Studie fest.
Welche Antriebsart soll es bitte sein?

Für größere Boote wird insbesondere von Seiten der Motorenhersteller ein Hybridantrieb aus Diesel- und Elektromotor empfohlen, der in fernerer Zukunft durch Wasserstoffantrieb ersetzt werden könnte. Reiner Elektroantrieb sei für diese Boote keine Option aufgrund zu geringer Reichweite, es wird mehr als Zwischenschritt angesehen. Die betreffenden Werften schielen mit einem Auge auf die Autoindustrie, in der es seit längerer Zeit praktikable Hybridlösungen gibt.

Während bei Motorboot-Werften der Preis und das noch geringe Umweltbewusstsein für Kaufzurückhaltung sorgen, wird bei den Herstellern von Segelbooten bisher noch so gut wie keine Nachfrage registriert. Überdies empfinden diese die Notwendigkeit einer Strategieentwicklung als weit weniger dringend, da die meisten Segelboote einen Motor ohnehin nur als Flautenschieber benötigen.
Unter den befragten Wassersportlern äußerten im Übrigen viele den Wunsch, dass Boote aus umweltfreundlichen Materialien produziert würden. Auch die Nutzung von Recycling-Rohstoffen forderten viele. Allerdings haben es viele nicht als das entscheidende Kaufargument benannt. Oft wird von Verbraucherinnen und Verbrauchern auch mangelnde Kenntnis über neue Technologie und den aktuellen Stand der Entwicklung als Hemmnis für eine Kaufentscheidung angegeben.
Das Henne-Ei-Problem der Elektromobilität
„In dieser Situation ist es daher besonders wichtig, dass Werften und Motorenbauer bei der Entwicklung neuer Boote mit nachhaltiger Technologie eng zusammenarbeiten, um den grünen Wandel zu beschleunigen, dabei indes die Bedürfnisse der Kunden in Bezug auf Preis, Reichweite, Komfort und Sicherheit stets im Blick behalten“, folgert die Studie.

Innerhalb der Branche sind erwartungsgemäß die Hersteller kleinerer Boote, die mit elektrischen Außenbordern ausgerüstet laufen können, am besten auf Elektromobilität eingestellt. Zu beobachten ist auch in der Bootsbranche, was in der Autoindustrie als „Henne-Ei-Prinzip“ beschrieben wird. So lange noch keine Ladeinfrastruktur vorhanden ist, sehen Hersteller sich nicht unter Druck, serienreife Elektroantriebe anzubieten. Umgekehrt lohnt sich der Bau von Ladesäulen erst, wenn nennenswerte Nachfrage durch Elektroboote vorhanden ist.

Einen mutigen dritten Weg geht zum Beispiel die britische Firma Aqua superPower. Die Briten errichten ein Netz von Schnellladesäulen an Wassersport-Schwerpunkten. Darunter sind Venedig und St. Tropez. Es dient auch als Unterstützung für Kunden der Werft Vita Yachts, die demselben Investor gehört. Parallelen sind offensichtlich zum US-Autohersteller Tesla. Elon Musks Firma begann bereits vor mehr als zehn Jahren eine Ladeinfrastruktur für seine Kunden einzurichten.
Wassersportbranche braucht eigene Lösungen
Dennoch warnen die Autoren der Studie: Sowohl Wassersportszene wie auch Politik könnten fälschlicherweise annehmen, die Elektrifizierung der Bootsbranche ließe sich mit der im Automobilsektor vergleichen. Die Branche müsse künftigen Boaties wie auch der Politik klar sagen: Die Bootsindustrie ist mit der Autoindustrie nicht vergleichbar. Es braucht eigenständige Lösungen.

Auch anderweitig wartet einer auf den anderen. So blicken der Studie zufolge Motorenbauer auf die Werften, damit diese effizientere Rümpfe entwerfen, da aufgrund der geringeren Energiedichte von Akkus gegenüber fossilen Energieträgern das Gewicht von Rumpf und Antrieb für die Reichweite eine erhebliche Rolle spielt. Andererseits warten Bootsbauer auf effiziente, leichte (Elektro-)Motoren, die sie in ihre Rümpfe integrieren können. Henne und Ei lassen grüßen.
Insgesamt kamen für die Studie „The future of sustainable on-water propulsion“ 38 Führungskräfte von Werften und Motorenbauern zu Wort. Es handelte sich neben EU-Herstellern auch um Marken aus Großbritannien und USA. Auch deren Produkte sind für den europäischen Markt von Bedeutung.
Der ADAC steuerte Interview-Fragebögen mit 532 Wassersportlerinnen und Wassersportlern bei, die über das Skipperportal des Verbands angeschrieben wurden. Die Beantwortungsquote lag hier mit rund 30 Prozent relativ hoch, auch das spricht für die Attraktivität des Themas.
Dieser Text erschien erstmals am 15. Mai 2023 auf float. Wir bringen ihn noch einmal anlässlich des Electric Summit.