Las Gallettas auf Teneriffa, das Schaltjahr schaltet auf den 29. Februar: Die Crew für unsere 50-Fuß-Yacht trifft aus verschiedenen Richtungen ein. Am nächsten Tag soll es losgehen: Richtung La Palma und dann weiter nach Madeira. Eine „ganz normale“ Überführung steht auf dem Törnplan. Doch dann kommt alles anders.
Neben dem Skipper und mir als Co-Skipper und Dokumentarist sind vier Gäste an Bord. Veranschlagt sind fünf bis sechs Tage, mit Wind fast genau von vorne (Nord) und Aussicht auf leichte Drehung nach Osten. Das Corona-Virus hat uns bislang nicht direkt betroffen. Außer, das vier Tage zuvor ein Hotel im Süden unser Startinsel Teneriffa geschlossen worden war.

Mit Speed von Teneriffa nach Madeira
Nach einer ruhigen Nacht vor Anker in der Bucht von Playa San Juan geht es los. Kaum aus dem Schutz des Vulkans Teide heraus, erwarten uns 4 bis 5 Beaufort quasi direkt aus Richtung Madeira, auffrischend auf 6 Beaufort. Trotz stark gereffter Segel läuft das Boot schnittig und schnell am Wind. Nach einem langen Schlag Richtung La Palma wenden wir auf den Steuerbordbug, Kurs Ost-Nord-Ost.
Schneller als erwartet erreichen wir das Madeira-Archipel bereits nach drei Tagen. Der Wind hatte, wie von den Meteorologen prognostiziert, nach Osten gedreht. So erreichen wir in nahezu vier langen Schlägen unser Ziel Madeira.


Erster Hafen ist Machico östlich von Funchal. Zu klein für eine 50-Fuß-Yacht. Also entweder Ankern oder weiter gen Osten. Letztlich legen wir in der Marina Quinta do Lorde an, einem 4-Sterne-Resort mit Hotel, Apartments und Häusern – und eben auch einer modernen, recht großen Marina. Schön sieht es dort aus. Hübsch, fast kitschig. Allerdings… „Wo sind die Menschen?“ fragen wir uns schon beim Einlaufen.
Die Anlage wirkt wie ausgestorben, als wir am frühen Abend am Schwimmsteg festmachen. Nun ja, es ist nicht gerade Hochsaison – die ist auf Madeira von April bis November. Anders als in der Karibik, wo in wenigen Wochen die Hurrikan-Saison beginnt. Immerhin, im Restaurant der Marina werden wir fündig: Dort sitzen einige vereinzelte Gestalten.

Die Keule am Freitag, den Dreizehnten
Dann kommt Freitag, der 13. März. Wir stechen wieder in See, wollen das Revier kennenlernen und erkunden. Immer noch ist alles ruhig in Sachen Covid-19. Wir verfolgen die Weltlage interessiert, aber nur am Rande. Unser Ziel heute ist Porto Santo – wind- und wettertechnisch nicht die leichteste Destination beim vorherrschenden Nordostwind. Doch wir schaffen es und machen nach acht Stunden in der einzigen richtigen Marina der kleinen Insel fest.
Obwohl wir nicht abergläubisch sind, beschleicht uns ein ungutes Gefühl, als wir die neuesten Nachrichten hören. Die Keule trifft uns kurz danach. Wir dürfen nicht, wie für den nächsten Tag geplant, zurück nach Quinta do Lorde. Corona-Alarm nun auch auf Madeira! Alle Häfen sind ab sofort geschlossen! Wir dürfen zwar auslaufen, aber nirgendwo wieder rein. Alle, wirklich alle Häfen des Archipels verbieten das Einlaufen neuer Schiffe und Fahrtenyachten.
Kreuzfahrtschiff-Gäste überrennen Funchal vorm Lockdown
Wir ahnen, dass die Adhoc-Entscheidung der Regierung wohl vor allem auf Kreuzfahrtschiffe gemünzt ist. Die Kreuzfahrer hatten kurz zuvor noch den Hafen und die Hauptstadt Funchal mit Tausenden von Gästen geflutet. Denn nachdem die Kanarischen Inseln wegen der Corona-Gefahr bereits seit Tagen tabu waren, wurden sie alle nach Funchal umgeleitet. Zwei, teilweise drei große Cruiser lagen jetzt jeden Tag im Hafen.

Doch irgendwie scheint man in der Eile eine sinnvolle Regelung für Yachten und Marinas auf Madeira vergessen zu haben. Wir sind hier mitten im Atlantik, im Umkreis von 500 Seemeilen gibt es keine Möglichkeit, einen anderen Hafen anzulaufen. Die rund 250 Seemeilen entfernten Kanaren sind komplett gesperrt, und die gesamte europäische Atlantikküste offenbar ebenfalls.
Kein sicherer Hafen auf Madeira?
Dass es zumindest einen sicheren Hafen für Fahrtensegler auf dem Archipel gibt, der offen bleibt für ankommende Yachten – zum Anlegen, Proviantieren, Bunkern und für medizinische Hilfe – diese Hoffnung bestätigt sich nicht. Nicht einmal unter Quarantäne.
Das große Problem: Außer drei, vier für private Yachten geeigneten Häfen und Marinas auf der Südseite der Insel und dem Hafen auf Porto Santo gibt es nur wenige Ankerbuchten auf dem Archipel. Und sie scheinen, nach unseren ersten Erkundungstouren, fast alle relativ unsicher, wenn nicht sogar gefährlich zu sein. Auch die im späten Winter häufig auftretenden extremen Windstärke- und Windrichtungswechsel – bis 180 Grad, teilweise innerhalb von Minuten – haben es in sich.

Nach einigen Telefonaten zwischen den beiden Marinas und mit der für die Grenzsicherung zuständigen Nationalpolizei GNR (Guardia Nacional Republicana) bekommen wir eine Erlaubnis zum Einlaufen für Quinta do Lorde – ausnahmsweise, für den Folgetag. Aber leider nur telefonisch.
Die Corona-Keule
„STOP! NO ENTRY! MARINA IS CLOSED!“ schallt es uns aus einem Dinghi entgegen, als wir – wie tags zuvor genehmigt – in den Hafen von Quinta do Lorde einlaufen wollen. Alle Leinen und Fender sind klar zum Anlegen, doch ein engagierter Marinheiro versucht, mit seinem Schlauchboot die Hafeneinfahrt zu blockieren und uns vom Einlaufen abzuhalten. Er ruft, wild gestikulierend mit wedelnden Armen, und bedeutet uns zu aufzustoppen oder umzudrehen.
Wir hatten das schon befürchtet und sind vorbereitet. Das Dinghi hat keine Chance gegen unsere 50 Fuß. Wir lassen das Boot steuerbords liegen, legen blitzschnell am ersten erreichbaren Schwimmsteg an und machen fest. Der Marinheiro, der uns vom Vortag kennt, ist außer sich. Er habe seine Anweisungen – die Polizei, seine Chefs – und überhaupt. Was soll er denn nun machen? Wir bitten um Klärung durch die Staatsgewalt.

Zwei Beamte kommen mit Mundschutz und Schutzhandschuhen auf den Steg. Es ist das erste Mal, dass wir so etwas auf Madeira erleben. Aus drei Metern Entfernung werden wir befragt.