Tapio Lehtinen alias Captain Barnicle will es allen beweisen, nachdem er beim letzten Golden Globe Race im Jahr 2018 als Letzter ins Ziel kam. Jetzt jagt er den führenden Simon Curwen. Beide liegen zeitweilig nur zwei Meilen auseinander, und sie kämpfen hart um die Führung. Wer wird heute Abend zuerst das erste von vier „Medientoren“ bei Lanzarote passieren? Die Ersten werden am Freitagabend gegen 20 Uhr in der Rubicon Marina erwartet.
Gleich nach dem Start in Les Sables d’Olonne wurde es hart. Es gab bereits jede Menge Dramen, als die Boote und ihre Segler in der Biskaya ihren ersten Stresstest erlebten. Ertan Beskardes hatte einen Kurzschluss an Bord und stürzte später ins Cockpit. Guy DeBoer wurde zum ersten Mal seekrank und verlor jeglichen Funkkontakt.
Der Favorit Damien Guillou segelte mit einer gebrochenen Windfahne den Weg zurück nach Les Sables d’Olonne. Und Edward Walentynowicz schließlich beschloss, das Rennen komplett aufzugeben. Alle Boote sind jetzt aus der Biskaya heraus und niemand hatte nennenswerte Begegnungen mit Orcas. Nur Elliott Smith (USA) bekam Besuch von zwei großen Meeressäugern, die aber ruhig blieben.

Schon seit einigen Tagen führen Simon Curwen und Tapio Lehtinen die Flotte an. Dicht an dicht segeln sie in ruhigerem Wasser und weniger Wind auf Lanzarote zu. Der Ire Pat Lawless, der einen fantastischen Start hingelegt hatte, verirrte sich bei seiner Ost-Option und ließ die Führenden entkommen. So konnte die westliche Gruppe mit Abhilash Tomy, Guy deBoer und der Südafrikanerin Kirsten Neuschäfer aufschließen.
Guy deBoer ist der Pechvogel
Guy deBoer ist dabei nur knapp an einer Kollision mit einem Fischerboot vorbeigeschrammt, wie er in einem dramatischen Satellitentelefonat vom vergangenen Mittwoch erzählt. Er kam aus dem Niedergang und sah sich plötzlich einem großen grünen Fischerboot gegenüber. Er stürzte ans Ruder und schnitt sich am Bein, konnte aber eine Kollision um wenige Fuß vermeiden.
Aus irgendeinem Grund hatte das Fischerboot seinen AIS-Transponder nicht gesehen und ihn auch nicht über UKW gerufen. Der Kapitän schrie von der Brücke aus und war nicht in der Lage, den Kurs zu ändern. Guy segelte geradewegs über das geschleppte Fischernetz, das sich glücklicherweise nicht verhedderte. Sein Bein ist inzwischen gut verheilt.
Elliott Smith (USA) berichtet von einem Problem mit seinem Mastfuß. Der wurde in der ersten Woche beschädigt und hat jetzt etwas Spiel. Er weiß, dass er das irgendwie reparieren muss, bevor er in südlichere Gefilde kommt. Zudem hat er ein ständiges Leck an der Scheuerleiste des Rumpfdecks. Auch dieses Problem versucht er zu lösen.

Kirsten Neuschäfer legt, seit sie aus der Biskaya heraus ist, beeindruckend hohe Durchschnittsgeschwindigkeiten vor. „Minnehaha“, so der Name ihrer Cape George 36, ist schnell. Und Kirsten weiß, wie sie das Boot noch schneller macht: Gennaker hoch und so viel wie möglich selbst steuern, um verlorenen Boden gutzumachen.
Sie legt ein spektakuläres Comeback hin, ebenso wie Guy DeBoer, der unter einem asymmetrischen Spinnaker segelt und sich über das Geschwindigkeitspotenzial freut.
Welches sind die schnellsten Boote?
Kirstens Cape George 36 und Guy DeBoers Tashiba 36 ähneln sich in Sachen Rumpflänge, langer Wasserlinie und hoher Verdrängung. Der großzügige Segelplan mit Kuttertakelung sorgt für etwas höhere Geschwindigkeiten als bei den Rustlers. Die sind nicht die schnellsten Boot der Flotte, auch wenn manche das seit dem Sieg von Jean-Luc Van Den Heede beim Golden Globe Race 2018 glauben.

Damien Guillou, der ebenfalls eine Rustler 36 segelt, arbeitet weiter hart an seinem Comeback. Als er in Les Sables d’Olonne mit einer gebrochenen Achse der Windfahnenhalterung ankam, ließ er die Halterung verstärken, bevor er sechs Tage nach dem Race-Beginn erneut startete.

Seitdem segelt er durch die unbeständigen Winde vor der Biskaya und erzielt konstant Tagesdurchschnittswerte in der Spitzengruppe der Flotte. Seine sieben Teilnahmen am Solitaire du Figaro kommen ihm da sehr gelegen.
Auf dem Weg zur Film-Drop-Boje
Bei dieser Ausgabe des Golden Globe Race gibt es vier Stationen, an denen die Segler ihr Filmmaterial übergeben können: die sogenannten Medientore. Dafür muss sich jeder Segler mit gerefftem Großsegel südlich der Film-Drop-Boje vor der Rubicon Marina nähern. Auf Höhe der Boje lassen sie alle Vorsegel fallen und segeln 20 Minuten lang langsam vorbei.
Das für Live-Videos zuständige GGR-Team überträgt dann Interviews auf Facebook. Die Videos, die die Segler von ihren ersten zwei Wochen auf See abliefern, geben dieses Mal intensivere Eindrücke des Abenteuers. Für viele Teilnehmer wird es die erste Gelegenheit sein, ihre eigene Position in der Flotte zu erfahren.
Nächste Marke: Insel Trindade in Brasilien
Dann hissen sie wieder die Segel und weiter geht’s. In den kommenden Tagen werden die Segler mit einem Windloch konfrontiert, das sich am Samstag zwischen den Azoren und Lissabon bildet. Es soll am Sonntag allmählich über den Kanaren abflauen und bis zum späten Montag dort bleiben. Das könnte zu einer ersten Wetterscheide zwischen den Führenden und den Verfolgern führen – eine Flaute auf dem Weg zur nächsten Marke: die Insel Trindade in Brasilien.
Zusätzlich zu den täglichen Tweets und den wöchentlich aufgezeichneten Anrufen der Rennleitung können die Skipper ab der vierten Woche des Rennens ihre Geschichten in Echtzeit in wöchentlichen 20-minütigen Telefoninterviews teilen – mit akkreditierten Medien. float wird dann mit Captain Gugg sprechen.