Greta Thunberg hat es geschafft. Sie ist emissionsfrei über den Atlantik gekommen. Die 16-jährige schwedische Klimaaktivistin ist nach 3.868 Seemeilen (7.163 km) in New York City angekommen. Der deutsche Profisegler Boris Herrmann und sein monegassischer Co-Skipper Pierre Casiraghi haben Greta, ihren Vater und einen Kameramann auf der Rennyacht Malizia II heile und unversehrt in die USA gebracht. Nur 14 Tage haben die fünf für die Überquerung des Atlantiks gebraucht. Was für eine tolle Leistung
Greta Thunberg kommt auf Einladung von UN-Generalseketär António Guterres, um beim United Nations Climate Action Summit am 23. September 2019 zu sprechen. Zur Begrüßung empfangen deshalb 17 Segelboote der Vereinten Nationen die Rennyacht mit Greta Thunberg an Bord auf dem Weg in den Hafen North Cove in Manhattan.
Jedes der Boote steht für eines der UN-Nachhaltigkeitsziele und ist deshalb mit einem entsprechenden Symbol auf dem Segel versehen. Im Dezember will sie in Santiago de Chile an der alljährlichen Weltklimakonferenz teilnehmen. Für ihre Reise hat sich die Schwedin ein Jahr Auszeit von der Schule genommen.


Um ohne Motor durch die geschäftigen Schifffahrtskanäle des New York Harbours in die North Cove Marina zu gelangen, wird die Malizia II von elektrischen Tenderbooten von Torqeedo geleitet, die das 60-Fuß-Segelboot zu seinem endgültigen Liegeplatz in Manhattan bringen. Diese waren auch schon beim Start in Plymouth im Einsatz.
Viel Lob, kleinliche Kommentare
Die zwei Wochen an Bord werden nicht immer einfach gewesen sein. Es gab Sturm, Flauten und meterhohe Wellen. Skipper Boris Herrmann hatte zuvor im Interview erklärt, was Greta Thunberg auf dem Atlantik erwartet. Mit einer für Segelyachten hohen Geschwindigkeit von bis zu 27 Knoten jagte die Malizia II über den Ozean. Man möchte sich nicht vorstellen, wie es den drei unerfahrenen Mitsegelnden zwischendurch erging. Kaum Platz und kein Komfort für vier Männer und ein Mädchen.
Die Social-Media-Kanäle, über die von Bord berichtet wurde, zeigten Bilder einer frischen, lächelnden Greta Thunberg. Dafür bekam sie unglaublich viele Likes in diesen 14 Tagen auf See. Und es gab auch eine Menge Hasskommentare. Kleinlich wurde an der Carbon-Rennyacht gekrittelt, der Zeitpunkt der Reise zum Start der Sturmsaison bemäkelt, die Rückflüge der Crew kritisiert.

Für Boris Herrmann und Greta Thunberg war bei der Reise eines immer klar: Es sollte eine symbolische Aktion sein. Damit wollten beide zeigen, dass es möglich ist, emissionsfrei den Atlantik zu überqueren. Das ist ihnen heute gelungen. Auch wenn der Motor, der als Backup für Notfälle diente, angesichts des Winds beim Start in Plymouth einmal angeworfen werden musste.

Ein Blick ein Jahr zurück
Letztes Jahr um gleiche Zeit war die heutige Bedeutung von Greta Thunberg noch unvorstellbar – als Katalysator der längst fälligen Diskussion zum Klimawandel. So ziemlich aus dem Nichts war sie plötzlich da: ein Mädchen von gerade 16 Jahren, noch Schülerin, die einfach vor dem Parlament in Stockholm mit ihrem Schild „Schulstreik fürs Klima“ saß und freitags die Schule schwänzte.
Eine zu junge, etwas seltsame Person, die dieses Jahr im Januar in Davos vor den wichtigsten Lenkern der Weltwirtschaft saß. Schlicht, ernst, gewissenhaft und fest sagte sie: „Unser Haus brennt.“

In der griechischen Philosophie gab es ein Wort für diese Haltung: Parrhesie. Der Begriff bezeichnet, so der französische Philosoph Michel Foucault, eine Person, die die Wahrheit spricht, weil sie nicht anders kann und keine andere Möglichkeit hat, als den Mächtigen diese Wahrheit nahezubringen.
Greta Thunberg hat mit ihrer Beharrlichkeit gezeigt, wie sich mit Mut und starkem Willen Wagnisse überstehen lassen. Völlig ungeübt auf dem Wasser nahm sie die Herausforderung an, den Atlantik auf einer Rennyacht unter Segeln zu überqueren. Ein weiteres Mal schaffte sie es so, die Klimakrise zum medialen Thema zu machen. Die Auseinandersetzung mit ihrer Atlantiküberquerung schafft Bewusstsein. Und darauf kommt es an.