Der Bretone Guirec Soudée machte uns die letzten zweieinhalb Monate mit seiner Atlantik-Überquerung im Ruderboot beste Laune. Jetzt können wir ihm zum Happy End gratulieren.


Für die letzte Etappe ließ sich Guirec von Wind und Strömung treiben, und er träumte von einer heißen Dusche und einem trockenen Bett. Und Wein, Weib und Gesang? Rudern macht bescheiden. Das scheint besonders für die Erben der bretonischen Fischer mit ihren nüchternen Eisenschädeln zu gelten.

76 Tage auf hoher See
Die Elemente meinten es in der Karibik gut mit Guirec. So musste er sogar eine Bremsleine auswerfen, um nicht vor der geplanten Zeit in St. Barth anzulanden. Nach 76 Tagen auf See ist er letzten Freitag, am 26. Februar 2021, in der Hafenstadt Gustavia eingelaufen. Die Hälfte der 2.600 Einwohner hat ihn auf dem Wasser begrüßt, flankiert von einer Abordnung des Militärs.
Mit weniger als 80 Tagen auf See liegt Guirec Soudée gut zwischen den Atlantikruderern Alexander Doba mit 98 Tagen und Frank Rothwell mit 56 Tagen. Wie Mark Slats dieselbe Strecke in 30 Tagen bewältigen konnte, bleibt sein ewiges Geheimnis. Vielleicht hatte er sein Unterwasserschiff mit Coppercoat statt herkömmlichem Antifouling präpariert.
Intensive Zwiegespräche mit Meeresvögeln wird der Holländer sich sicher nicht gegönnt haben. Mark hat mehr für seine Muskeln getan, Guirec mehr fürs Gemüt. Dass Guirec es mit Tieren hat, zeigte sich schon bei seinem ersten Abenteuer, der sogar verfilmten Weltumseglung mit Huhn Monique.

Segeln mit Huhn
Mit 24 Jahren passiert es schon mal, dass man nicht aus dem Technoclub herausfindet. Aber dass man nicht aus dem Packeis herausfindet? Guirec Soudée hat es genau darauf ankommen lassen. 2016 lag der Einhandsegler für 166 Tage mit seiner Stahlyacht „Yvinec“ vor Grönland fest.
So ein Abenteuer steckt in der Abstammungslinie von Guirec. Schon seine Vorfahren, die bretonischen Fischer, waren in die unwirtlichen Gewässer um Island aufgebrochen. Guirec stammt von der Insel Yvinec, nur eine Landzunge von Paimpol entfernt. Das ist das Hafen aus Pierre Lotis mythisch-karger Seefahrersaga „Islandfischer“. Man muss beim Lesen nur die Passagen an Land mit ihrer Blümchenromantik überblättern.
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Monique und Quirec bei der Nord-West-Passage 2016 © Guirec Soudee
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Abendsonne im Grönland-Eis © Guirec Soudee
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Sie sind die Einsamkeit zu zweit gewöhnt © Guirec Soudee
Welche Begleiterin könnte ausgefallener sein als ein Huhn?
Tristan Jones, der größte Charmebolzen der Einhand-Abenteurer, überstand 1960/61 mit seinem Hund Nelson allerdings ein ganzes Jahr im Grönlandeis. Die Zeitspanne war für Guirec nicht zu übertrumpfen. Aber bei der Wahl des Begleittiers konnte er eins draufsetzen. Ein Hund? Ein Huhn!
Die originellste Crew der Segelgeschichte unterhält sich und die Welt – via Social Media. Das Huhn legt ein Ei, der Gletscher kalbt. Das Buch zu Guirec und Monique, „Seefahrt mit Huhn“, wurde 2020 auf Deutsch veröffentlicht. Es macht Mordsspaß, es in der Badewanne mit Tristan Jones „Gefangen im Eis“ von 1978 über Kreuz zu lesen.
Rudern ohne Huhn
Wer sich mit den Elementen messen will, der wird beim Segeln immer die letzte Konsequenz vermissen. Auf einem Segelboot liefert man sich dem Wind zwar aus, aber hauptsächlich nutzt man ihn. Der Wind ist Verbündeter. Aber man will keine Verbündeten, so wie beim Race to Alaska. Man will es aus eigener Kraft, ohne Hilfe (außer mit Gottes) schaffen! Also bleibt als letzte Konsequenz nur eines: das Rudern.
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Gueric auf seinem Ruderboot © Guirec Soudee
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An der langen Leine geht er mit Schildkröten schwimmen © Guirec Soudee
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Lecker: gefriergetrocknete Energieschocker © Guirec Soudee
Diese Steigerungslogik scheint sich immer mehr durchzusetzen. Sowohl der Sieger der diesjährigen Ruderregatta Talisker Whisky Atlantic Challenge, Mark Slats, als auch der älteste Teilnehmer Frank Rothwell waren früher als Einhandsegler unterwegs. Mark übrigens mit seinem Hund Sam. Guirec Soudée folgt ihnen auf den Fersen.
Drei Tage nach dem Start der Talisker-Regatta machte Guirec Soudée sich auf – in seiner unsinkbaren Ruderzigarre – über die 5.000-Kilometer-Strecke über den Atlantik von den Kanaren in die Karibik. Zehn Stunden täglich drückte er die Bank. Dann ging er, nach Genuss seines gefriergetrockneten Energieschockers an der langen Leine mit Schildkröten schwimmen.
Mehr Zeit, mehr Spaß
Bei seinem Weltrekord als Soloruderer von 2017 brauchte Mark Slats 30 Tage für die Überquerung. Als Guirec bereits doppelt so lange unterwegs war, hatte er erst zwei Drittel der Strecke im Kielwasser. Sehr sympathisch. Die letzte Etappe wurde besonders spannend, weil Guirec nur für 60 Tage Verpflegung an Bord seines Acht-Meter-Bootes genommen hatte. Wie passend zu Beginn der Fastenzeit.
Im letzten Jahr hatte das erste deutsche Ruderteam RowHHome, vier Frauen aus Hamburg, bei der Talisker Atlantik Challange Furore gemacht. Sie brauchten 42 Tage, um über den großen Teich zu pullen. Den Vogel schoss allerdings der Pole Aleksander Doba ab. Er paddelte im Kajak dreimal über den Atlantik, zuletzt mit 70 Jahren.
Die letzte Zitrone und der letzte Schokoriegel
Auf seiner Facebook-Seite amüsierte sich Soudée über die letzte Zitrone und den letzten Schokoriegel seines Proviants. Er hatte wohl schon einen Plan für die letzten drei Wochen: Er schnappt sich statt seiner Monique eine der Schildkröten auf seinem Kurs und lässt sich von ihr Eier legen. Wer sich mit einem Opinel-Messer einen Irokesenhaarschnitt verpassen kann, dem gelingt auch das.
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Guirec verpasst sich einen Irokesenhaarschnitt auf hoher See © Guirec Soudee
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Da geht’s lang © Guirec Soudee
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Die letzte Zitrone seine Proviants © Guirec Soudee
Jetzt ist Guirec in St. Barth angelandet. Als Zuschauer müssen wir aber nicht ins Action-Loch fallen. Wir können nahtlos zu Victoria Evans überblenden, die per Ruderboot über den Atlantik spurten will. Allerdings verschiebt sich wegen Corona gerade ihr Starttermin. Wir drücken ihr die Daumen, dass sie bald zu ihrem Guinness-Rekordversuch aufbrechen kann.