Keine 500 Meter entfernt von Beyhans kleiner Werft irgendwo im Nirgendwo wird hitzig an drei Booten gleichzeitig gearbeitet. Dicht nebeneinander stehen die Gulets aufgebockt an einer Straßenkreuzung. Das jüngste Projekt, begonnen vor zweieinhalb Monaten, sieht noch aus wie ein Skelett. Am mittleren, vor einem knappen halben Jahr begonnen, ist bereits der Rumpf fertig gestellt.
Der Chef zieht das Maßband
Das älteste soll im kommenden Jahr zu Wasser gelassen werden. Es ist eine Luxus-Gulet für einen privaten Eigner. Die Werkzeuge auf dem mit Sägespänen übersäten Platz muten archaisch an. Eine alte Hobelbank, eine Kreissäge und eine Bandsäge aus den 1950er-Jahren reichen den Bootsbauern.
Aus einem Pick-up springt ein dicklicher Mann mit Sonnenmütze und Bleistift hinter dem Ohr, geht schnurstracks mit einem Maßband bewaffnet an das Heck der Luxus-Gulet. Er ist der Chef der Fischer-Kooperative – und natürlich Bootsbauer. Mal hier, mal da hält er das Metermaß an das Heck der fast fertig gestellten Gulet, kritzelt sich Zahlen auf einen kleinen Zettel und treibt seine Männer an, aus einem Stapel Bretter eine verstaubte Mahagoni-Planke zu ziehen. Selbst zufällig herumstehende Urlauber werden aufgefordert, doch mal bitte mit anzupacken, um das schwere Holz zur Säge zu tragen.

Mit dem Bleistift trägt der Chef der Fischer die Maße ab, lässt die Schnittstellen mit einer Kettensäge markieren und legt an der ohrenbetäubenden Stichsäge selbst Hand an. Nach 15 Minuten ist die Rohform eines Ruders fertig, der Mann wieder in seinem Pick-up verschwunden, um wenig später am Stadthafen bereits wieder alte Netze zu flicken.
Eine Kapitänin für Toska
Beyhan ist froh, dass die Chartersaison begonnen hat. Der Bootsbau ist kräftezehrend. Und in der Gluthitze des Sommers wäre er mörderisch. Viel lieber kutschiert er wieder Touristen auf seiner Gulet von Bucht zu Bucht. Und er ist weg von den Olivenbäumen, gegen die er allergisch ist. Wenn er im Herbst wieder in Bozburun einläuft, dann wartet eine Menge Arbeit auf ihn.
Zunächst wird das Kielschwein, das neben dem Spielplatz liegt, mit Schrott und Zement gefüllt, bis es 18 Tonnen wiegt, und dann verschweißt. Dann muss er 90 Spanten in Form bringen. Insgesamt wird er etwa 180 Tonnen Holz verarbeiten. Reines Mahagoni, wie er betont. Und mehrere Tonnen Epoxy. „Toska“ wird sein Meisterwerk heißen. So wie das Boot seines Großvaters. Und es wird sein letztes sein. „Mit 45 Jahren“, sagt Beyhan, „wird der Bootsbau zum Knochenjob.“ Er will dann lieber nur noch Kapitän sein.

Bleibt nur eine Frage: Wie kommt die massige Gulet eigentlich ans Wasser? Beyhans Augen glühen. Das Zuwasserlassen ist immer ein Festtag. Das ganze Dorf, Freunde und Familie helfen. Er rechnet mit 300 Leuten. Auf gefetteten Holzstämmen wird die Gulet dann Meter für Meter zum Wasser geschoben. „Das dauert einen ganzen Tag“, sagt Beyhan. Tradition sei es, an diesem Tag ein Schaf zu schlachten und an die Helfer zu verteilen. „Das bringt Glück!“, sagt Beyhan.
Der Nachwuchs will lieber studieren
Trotz rosiger Zeiten sieht Beyhan allerdings für den Bootsbau in Bozburun schwarz für die Zukunft. „Wir finden keinen Nachwuchs mehr!“, sagt er besorgt. Die jungen Leute wollen lieber in die große Stadt und Informatik studieren, nicht mehr körperlich arbeiten. Zudem würden die Auflagen für den Bootsbau immer strikter – und damit teurer.
Er selbst hat keinen Sohn, an den er seine Fertigkeiten weitergeben könnte. Aber er ist sicher, dass seine kleine Tochter, acht Jahre alt, später mal eine großartige Kapitänin wird. Auf seiner Toska.