Erwachsene Männchen haben bis zu zwei Meter hohe schwertartige Rückenflossen, Weibchen haben wesentlich kleinere. Form, Größe und Einkerbungen machen diese Flossen so individuell wie einen menschlichen Daumenabdruck.

Warum rammen Orcas Yachten?
Manche Menschen vermuten, dass die Schwertwale mit den Booten nur spielen wollen. Wal-Experten wie die Meeresbiologen wie Ruth Esteban vom Madeira-Walmuseum und der Meereswissenschaftler Alfredo López Fernandez von der University of Santiago, die zur Arbeitsgruppe Iberian Orcas gehören, meinen hingegen, dass die Tiere ganz klar Boote am Weiterfahren hindern wollen.
Dabei begreifen Orcas offenbar sogar die Funktion des Ruders, denn sie setzen gezielt Bisse und Rempler an Rumpf, Kiel und vor allem am Ruder an, um die Yachten zu drehen. Die Wal-Experten von „Iberian Orcas“ und der privaten Stiftung firmm (foundation for information and research on marine mammals), die dort seit über zehn Jahren Whale Watching und Walforschung durchführt, vermuten Konflikte um die Nahrung als Ursache.

Dass Orcas und Fischer in reichen Fischgründen immer mal wieder aneinandergeraten, ist nicht neu. In der Langleinenfischerei im Südpolarmeer oder vor der Küste Alaskas und Britisch-Kolumbiens „pflücken“ die Wale gern große fette Fische wie Antarktischen Seehecht oder Kohlenfisch von den Langleinen. Das Gleiche geschieht auch in der Thunfischerei in der Straße von Gibraltar und nördlich davon.
Fischer vs. Orcas
Whale-Watching-Boote haben dort immer wieder Interaktionen der Orcas und der genervten Fischer beobachtet. Thunfisch ist auch für menschliche Konsumenten wertvoll, nicht zuletzt seit der weltweiten Begeisterung für Sushi und der Überfischung. Durch diese direkte Nahrungskonkurrenz kommt es immer wieder zu Aggressionen der spanischen und marokkanischen Fischer gegenüber den Orcas. Das hat der Biologe Jörn Selling schon häufig beobachtet. Selling arbeitet für firmm, das Team ist mit dem Bestand gut vertraut.

Außerdem verletzen sich immer wieder Wale im Fischereigerät. Beim Verheddern in den Kunststoff-Netzen und Leinen kommt es zu Flossen-Amputationen und durch die stählernen Haken zu tiefen Fleischwunden. Einige Kälber sind in den Netzen gestorben, trotz der verzweifelten Befreiungsversuche der Mütter. Dass die empfindungsfähigen Schwertwale um verlorene Kälber lange trauern, ist bekannt.
Welches Erlebnis mit einem Fischerboot oder einer Yacht konkret das neue Verhalten ausgelöst hat, ist nicht bekannt. Vermutlich, so nehmen die Walexperten an, ist ein Familienmitglied von einem Boot tödlich verletzt worden. Die Wale haben offenbar genug und zeigen jetzt den Booten Grenzen auf, nicht aus Rache, sondern um andere Orcas zu schützen.

Wie können Segler Begegnungen vermeiden?
Der beste Schutz vor den rempelnden Gladis-Orcas ist, die Begegnung mit ihnen zu vermeiden. Da die Schwertwale in einem großen Seegebiet umherziehen, bekommen die meisten Segler sie gar nicht zu sehen, wie sie etwa in der Facebook-Gruppe Orca Attack Reporting berichten. Einige andere Segler erzählen, dass die schwarz-weißen Wale sie genau beobachtet haben, ohne dass es zu einer weiteren Interaktion kam.
Grundsätzlich sind die Orcas dort, wo Thunfische sind. Die Thunfische ziehen im Frühling aus dem Atlantik durch die Meerenge ins Mittelmeer, zu ihren Laichgründen, und schwimmen im Herbst wieder zurück in den Atlantik. So tauchen zu Jahresbeginn, spätestens im Frühling am Eingang der Meerenge auch die Schwertwale auf. Meist folgen die Wale den Thunfischen. Im Hochsommer ziehen die Meeressäuger in kühlere Gewässer nach Norden, teilweise bis in die Biskaya hinein.
Dementsprechend verteilen sich auch die Orca-Segler-Begegnungen. Sie beginnen oft in marokkanischen Gewässern, dann in südspanischen und portugiesischen, als nächstes in nordspanischen und manchmal bis hinein in die französische Biskaya, so die Analyse von Iberian Orca. Da die Gladis-Gruppe aus verschiedenen Familien besteht, können die Interaktionen auch in verschiedenen Gebieten gleichzeitig vorkommen. Das macht Vorhersagen sehr schwierig. Darum geben spanische Behörden auf offiziellen Funk-Kanälen aktuelle Wal-Warnungen durch.
Segelboote bevorzugt
Die Gladis-Orcas werden vor allem von Segelbooten angezogen, sowohl Einrumpfboote (72%) als auch Katamarane (14%). Wesentlich seltener interagierten sie mit Motorbooten (6%), halbstarren Booten (5%) und Fischerbooten (knapp 3%), so die Statistik.
Die durchschnittliche Größe der beteiligten Boote war 12 Meter, obwohl es je nach Bootstyp Unterschiede gibt, die sich mit durchschnittlich 5,7 Knoten unter Segel oder unter Motor bewegten. Die Farbe des Rumpfes ist offenbar egal. Mehr Details zu den von Orcas bevorzugten Booten und zum Ablauf der Interaktionen bietet Iberian Orca.

Ein aktuelles Update zeigt für den Juni 2022 nur fünf Interaktionen. Präsenz und Interaktionen in der Meerenge nehmen ab. Aktuell gab es Sichtungen vor der Küste vor Faro und Tavira. Außerdem werden Orca-Zwischenfälle von der Küste von Peniche gemeldet, mit einem Trend nach Norden. Die Schwertwale bewegen sich jetzt zügig in Richtung Norden und Westen.
Die Facebook-Gruppe Orca Iberica GTOA bietet ständig aktualisierte Meldungen über den Aufenthalt der Wale und andere relevante Informationen. Als sich 2021 und 2022 die Wal-Boot-Interaktionen in einem Areal häuften, hatten die spanischen Behörden das Gebiet für kleine Boote zeitweise geschlossen, 2022 bislang noch nicht.
Was tun, wenn ein Orca das Boot rammt?
Auch wenn die intelligenten Zahnwale bisher „nur“ die Boote gerammt haben und zu keinem Zeitpunkt einen Menschen angriffen, ist so ein Erlebnis für Menschen furchteinflößend. Seit den ersten Zwischenfällen suchen spanische und portugiesische Wal-Experten nach Erklärungen und Lösungen, so haben sie gemeinsam mit der spanischen Gesellschaft für Seerettung und -sicherheit (Salvamento Marítimo) ein Safety Protocol ausgearbeitet, um Menschen und Orcas vor Schaden zu bewahren.

Hängt ein Orca am Ruder, sollten die Segler keinesfalls gegensteuern. Das würde die Meeressäuger nur dazu bringen, stärker zu agieren – ähnlich wie Hunde, die zunächst nur bellen und bei Widerstand zuschnappen, erklärt Ruth Esteban. Wenn ein fünf Meter langer Wal das Ruder festhält oder dreht, können durch die mechanische Kraft die Armknochen eines Menschen im schlimmsten Fall brechen. Einen Hilferuf können die Segler über Funk oder 112 absetzen.