Am späten Abend des 19. Juni 2021 rammt ein großes Motorboot im Dunkeln ein kleines Ausflugsbötchen auf dem Gardasee. Die beiden Deutschen an Bord des gut acht Meter langen klassischen Runabouts fahren weiter, die Insassen des gerammten Holzboots sterben noch am Unfallort auf dem nächtlichen See. Jetzt erging das Urteil: Beide Unfallverursacher sollen für Jahre ins Gefängnis.
Es ist nur ein unscharfer Punkt auf einer Überwachungskamera am Seeufer, die den Moment des Todes auffängt. Der Schatten eines Motorboots, einer historischen Riva des Typs Aquarama, läuft schnurgerade im nächtlichen Gardasee durch das Bild. Dann, unmerklich, scheint das Objekt einen winzigen Hüpfer zu machen – und fährt unbeirrt weiter. Es ist kurz vor Mitternacht.

Dieser „Hüpfer“ ist der Moment, in dem zwei Menschen sterben. Die Riva, das haben Sachverständige später rekonstruiert, fährt mit etwa 19,4 Knoten seitlich in das kleine offene Boot von Greta Nedrotti (25) und Umberto Garzarella (38) hinein. Auf dem Gardasee gilt nachts eine Geschwindigkeitsbegrenzung von fünf Knoten. Garzarella, ein Unternehmer aus der Region, wird wahrscheinlich schon durch den Aufprall getötet. Seine Freundin, eine Studentin der Wirtschaftswissenschaften, ertrinkt kurze Zeit später.
Ein Opfer hätte gerettet werden können
Das Gericht nimmt an, dass sie hätte gerettet werden können. Wenn die Crashpiloten am Steuer des schweren Motorboots umgedreht und nach ihren Opfern Ausschau gehalten hätten. Stattdessen behauptetet der IT-Unternehmer Christian T. (52) aus München, Besitzer des mehr als acht Meter langen Holz-Motorboots, man habe den Aufprall nicht wirklich registriert. Auch sein Freund Patrick K., ebenfalls aus München, sagte vor Gericht, sie seien von einem Zusammenstoß mit Treibholz ausgegangen.
Eine zusätzliche Schärfe bekommt die menschengemachte Tragödie durch das Tatwerkzeug: eine Riva Aquarama. Das Boot, von dem nur einige hundert Exemplare entstanden, war in den 1960er-Jahren das Luxusspielzeug schlechthin von Stars und Playboys wie Gunther Sachs, Sean Connery, Richard Burton und vielen anderen.

Die eleganten Holzyachten mit den starken Benzinmotoren, entworfen von Carlo Riva, sind bis heute Sinnbild des „Dolce Vita“ in einer Ära, in der Motorbootfahren eine Domäne der Schönen und Reichen war. Und jetzt brachte eine dieser Ikonen keine Lebensfreude, sondern den Tod.
Zweite Kamera filmte das Anlegemanöver
Die beiden Skipper seien sogar gestoppt, teilten sie bei ihrer Vernehmung im Februar vor Gericht mit. Da ihr Boot aber durch den Aufprall einen Schaden erlitten habe und Wasser einbrach, hätten sie dann beschlossen, weiterzufahren. Das Holzboot des Pärchens, das von einem Außenborder angetrieben wurde, fand man erst am Tag darauf. Die Opfer bargen Taucher vom Seegrund.
Bisher ähnelt der Unfall anderen Kollisionen, die aus überhöhter Geschwindigkeit resultieren, wie etwa das Unglück vor elf Jahren in der Lübecker Bucht, als eine Sunseeker-Yacht vor Pelzerhaken einen Surfer überfuhr, der nur mit knapper Not überlebte. Doch im Falle der rasenden Riva kommt ein weiterer Tatbestand hinzu. Eine weitere Überwachungskamera hat nämlich das Anlegemanöver der beiden Unternehmer nach der Kollision aufgezeichnet.
Die unbestechliche stumme Zeugin filmt den Moment, in dem sich einer der beiden Unfallflüchtigen bemüht, das Boot mit seinen zwei 185 PS starken V8-Motoren ohne Schäden an eine Mole zu manövrieren. Währenddessen verliert sein Co-Skipper das Gleichgewicht und stürzt rücklings über Bord ins Hafenbecken.