
Der Zöllner ruft seinen Vorgesetzten. Und der wiederum gibt Entwarnung. Er kenne das Problem, sagt er, greift zum Stempel und wir sind drin. Wir haben es geschafft. Wir sind in der EU. Die erste Hürde ist genommen.
Erst kein Stempel, dann viel Schwell
Am Abend feiern wir in einer kleinen Taverne am Hafen. Wir essen Fisch, trinken Wein und die Böen verwuseln unser Haar. Der Wind hat zugelegt. Wie vorhergesagt. Starker Schwell lässt die wenigen Yachten im Hafen tanzen. Am Nachmittag war uns bereits ein Festmacher gerissen. Zur Sicherheit haben wir die dicken Leinen mit den Ruckdämpfern angebracht, dazu zwei Springleinen. Immerhin scheint der Anker gut zu sitzen. Das muss er auch. Unter unserem Ruderblatt haben wir nur 40 Zentimeter Wasser. Kommen wir der Pier noch näher, wird es gefährlich.
Nach einer unruhigen Nacht beschließen wir, vor Kastellorizo zwischen kleinen Inseln zu ankern. Auf 15 Meter gräbt sich das Eisen in den Sand, wir geben 60 Meter Kette. Einige Böen peitschen mit bis zu 28 Knoten auf uns. Zwei Tage und Nächte geht das so. Kas ist immer noch in Sicht, aber wir genießen die neue (Reise-)Freiheit. Bei unserem zweiten Anlauf fühlt sich die Abreise deutlich besser an.
Als am dritten Tag der Wind eine Pause einlegt, holen wir frühmorgens den Anker ein und segeln – oder besser motoren – mit der aufgehenden Sonne Richtung Rhodos. 72 Meilen liegen vor uns. Mit den letzten türkischen Mobilfunksignalen checke ich noch mal das Wetter für die kommenden Tage. Der Wind holt nur einmal Luft, um dann wieder aus vollen Backen zu blasen. Die Ägäis ist tiefrot eingefärbt, an einigen Stellen liegen schwarze Schatten über den Inseln, die Böen von 50 Knoten vorhersagen. Die Meltemi-Saison hat begonnen. Und wir müssen da durch. Irgendwie.
Die Kreuzfahrer sind schon da
Es ist heiß. Unerträglich heiß. Kein Lüftchen rührt sich an Bord der Dilly-Dally, als wir von Kastellorizo nach Rhodos fahren. Stattdessen begleitet uns das Tuckern des Diesels. Zwölf Stunden lang. Über dem Mittelmeer steht eine dicke Dunstglocke, gemischt mit gelblichen Schwaden, die wohl von den Waldbränden bei Datca in der Türkei herüberziehen. Wir haben keine zehn Meilen mehr bis Rhodos, da endlich werden Konturen am Horizont erkennbar. Ein paar Hügel, und ja, Häuser. Hochhäuser in der Altstadt von Rhodos? Nein, wir täuschen uns, denn das, was wir sehen, ist in ein gigantisches Kreuzfahrtschiff, das uns den Blick versperrt. Schade!
Mandraki, der alte Stadthafen von Rhodos, wo einst der Koloss, eines der sieben Weltwunder, gestanden haben soll, ist belegt. Segelboote sind dort nur noch selten zu sehen, Megayachten bringen eben mehr Hafengebühren ein. Wir weichen in die Marina aus und machen längsseits an der Pier fest. Zu unserer Überraschung steht dort bereits unser Stegnachbar aus Kas. Er hatte uns bereits auf dem AIS entdeckt und wollte Hallo sagen. Die Marina von Rhodos ist okay. Aber das war es auch schon. Sie liegt etwas abseits der Stadt in einer tristen Umgebung. Zum Glück aber haben wir unsere Bordfahrräder, mit denen wir in die Altstadt hinter die dicken Stadtmauern strampeln. Vorbei an dem kolossalen Kreuzfahrtschiff, das wohl eben seine tausendfache Fracht an Land gespuckt hat.
Die Altstadt ist nicht nur schön. Sondern auch ganz schön voll. Sie gleicht einem Wimmelbild mit sonnenverbrannten Menschen, die ihre Smartphones vor sich hertragen. Kaum ein Durchkommen. Da wir beide Rhodos schon kennen, schwingen wir uns wieder in den Sattel und radeln zurück. Am nächsten Morgen soll es früh weitergehen. Nach Symi. Eines jener Eilande, die Seglerherzen höher schlagen lassen sollen. Und in der Tat, beim Anlegen im Stadthafen habe ich Puls. Der Hafenmeister in einem kleinen Kahn treibt mich in den Wahnsinn.
Rückwärts zwischen Megayachten
Wohl wegen des ständigen Ankersalats liegen im pittoresken Stadthafen mittlerweile knallrote Bojen, die ein wenig an eine Landebahn auf einem Flughafen erinnern. Dazu gibt es Mooringleinen. An sich eine gute Idee, nur verengen die Bojen noch einmal den ohnehin schmalen Hafen, zumal wenn überdimensionierte Motoryachten die Pier belagern.

Unsere Moody ist eine etwas eigenwillige alte Lady. Besonders bei Hafenmanövern. Ohne Bugstrahlruder, dafür mit einer Art Langkiel und enormem Radeffekt ist jedes Manöver im Rückwärtsgang, zumal bei Seitenwind, eine Herausforderung. Und natürlich bläst es kräftig, als wir ankommen. Den Platz, den uns der ruppige Mann im Boot anweist, ist suboptimal. Der Wind verstärkt noch einmal den Radeffekt. Und in dem schmalen Hafenbecken ist es schwer rückwärts so viel Fahrt aufzunehmen, dass das Steuer greift. Das versuche ich dem Hafenmeister zu erklären. Scheitere aber.