Als Başak Mireli nach 24 Tagen und 2.384 Seemeilen allein auf dem Atlantik in der Karibik den Anker fallen lässt, ist sie unglaublich erschöpft, aber auch unendlich glücklich. Sie hat nicht nur den Ozean bezwungen, die 43-Jährige hat auch einen Rekord aufgestellt.
Sie ist die erste Türkin, die einhand über den Atlantik gesegelt ist – von den Kapverden bis nach Martinique. Es gibt kaum ein türkisches Medium, das nicht über Başaks Törn berichtet.

Ihre Prominenz nutzt Başak für eine Botschaft, die weit über das Segeln hinausgeht: „Halte durch, sei stark!“ Gerichtet ist die Botschaft an die türkische Gesellschaft. „Ich möchte türkischen Mädchen und jungen Frauen zeigen, dass es möglich ist, Träume zu verwirklichen“, sagt Başak im Interview mit float. Die Welt stehe nicht nur Männern offen, auch Frauen können sie erobern. Selbst mit einem Segelboot.
Ihre Atlantikpassage sieht sie daher als einen Beitrag zur Emanzipation türkischer Frauen. Die Reaktionen in den sozialen Medien geben Başak recht. Viele tausend junge Türkinnen folgen ihr und feiern sie.
Verglichen mit anderen Mittelmeer-Anrainern steckt die Türkei seglerisch noch in den Kinderschuhen. „Wir haben knapp 8.000 Kilometer Küste, aber der Segelsport ist kaum verbreitet“, bedauert Başak. Zwar haben sich seit Corona immer mehr Türken ein Boot gekauft, aber ein großer Teil setzt nur selten die Segel. Die meisten Boote dienen eher als Wochenendhaus. Noch seltener sieht man Frauen am Ruder oder bei der Decksarbeit. Die traditionelle Rollenverteilung ist auf See noch stark verbreitet. „Segeln“, sagt Başak, „ist immer noch eine von Männern dominierte Sportart.“ Das will sie ändern.
Das Meer liebt sie
Başaks Vita passt so gar nicht in das klischeehafte Bild türkischer Frauen. Geboren und aufgewachsen in Istanbul, beginnt sie schon mit 13 Jahren zu segeln und zu surfen und an ersten Regatten teilzunehmen. Schon damals, sagt sie, habe sie immer davon geträumt, eines Tages den Atlantik zu überqueren. Sie liebt das Meer und das Meer liebt sie. Je weiter draußen sie ist, das Land immer kleiner wird, umso glücklicher und zufriedener fühlt sie sich.

Später, nach dem Studium in Ankara, kauft sie mit zwei Freundinnen eine Rennyacht und gründet das erste Frauen-Segel-Team der Türkei. Sie startet für den Istanbul Sailing Club, der die ehrgeizige Frau bestens unterstützt. Die Männer sehen bei Regatten meist nur ihr Kielwasser.
Başak entdeckt das Einhandsegeln für sich. Sie fühlt sich wohl allein an Bord, liebt die Herausforderung. Unterstützt vom türkischen Seglerverband will sie einen neuen Rekord aufstellen. Die Strecke führt entlang der kompletten türkischen Küste. Von Hopa am Schwarzen Meer, ganz im Osten kurz vor der georgischen Grenze, bis nach Iskenderun am Mittelmeer, nahe der syrischen Grenze. 1.500 Seemeilen. Doch ein technischer Defekt an Bord zwingt Başak in der Mitte des Rennens zur Aufgabe. Das nagt an ihr. Sie werde den Versuch aber wiederholen, sagt Başak. Aufgeben kommt für sie nicht in Frage. Da ist es wieder: „Halte durch, sei stark!“
Der Boss an Bord
Aber zunächst wartet eine ganz andere Herausforderung auf sie. Zusammen mit ihrem Mann will Başak die Welt umrunden – natürlich mit einem Segelboot. Und die Atlantikpassage will sie einhand bestreiten. Für ihren Mann ist das okay, er unterstützt sie bei ihren Plänen, wo er nur kann. Trotz einiger typischer Reaktionen aus der Heimat. Wie kannst du nur deine Frau alleine auf dem Atlantik lassen? Sie lacht darüber. Es ist genau das Vorurteil, auf das sie aufmerksam machen will. An Bord ist Başak ohnehin der Boss.
Als Başak ihren Mann Omer vor elf Jahren kennenlernte, lieh sie sich von Freunden zu seinem Geburtstag ein Segelboot und segelte mit ihm zu den Prinzeninseln vor den Toren der Stadt. Es war das erste Mal, dass Omer auf einem Segelboot war. Er konnte nachempfinden, warum Başak die See so liebt.
Seitdem haben sie eine Dreiecksbeziehung mit dem Meer.
Die Suche nach dem passenden Boot dauerte lang, das Refit noch einmal länger. Başak suchte eine solide Stahlyacht. Die sind aber schwer zu finden in der Türkei, wo Boote meist nur zum Buchtenhopping verwendet werden. Oder eben zum Hafenliegen. In Marmaris wurde Başak schließlich fündig.
Istanbul kennt jeder
Eine Van De Stadt 40 Norman, gebaut in Australien, würde fortan ihr Zuhause auf den Weltmeeren sein – die „Istanbul“. Den einprägsamen Namen für ein türkisches Boot haben Başak und ihr Mann vom Voreigner übernommen. Da in der Türkei der Bootsname nur einmal pro Registrierungsort vergeben werden darf, ist die „Istanbul“ das einzige Schiff mit diesem Namen aus Istanbul. Außerdem, sagt Başak, sei er optimal für den Funkverkehr. „Istanbul kennt jeder auf der Welt.“


Am 9. Juli 2022 segeln die beiden in der Türkei los. Einmal quer durch das Mittelmeer. Von Gibraltar geht es zu den Kanarischen Inseln, dann auf die Kapverden. Dort setzt sich Omer in einen Flieger nach Martinique. Başak ist allein an Bord. „Für ihn war das schwerer als für mich“, sagt Başak. „Ich bin es gewohnt, alleine zu segeln, suchte die Herausforderung, freute mich auf das Abenteuer. Er musste warten.“