Noch zehn Tage, dann ist Kap Hoorn erreicht! So konnte Simon Curwen bis zum Abend des 27. Januar rechnen. Aber 1.200 Seemeilen östlich des Kaps zeigte sich die starkwindgewühlte See übermütig destruktiv. Eine der Sechs-Meter-Wellen wedelte ihm den Kopf seiner Windsteueranlage ab. Er twitterte: „Disaster, as concerns the race. Early today Clara was knocked down. Sailing with just tiny headsail. The windvane head sheared off.“

Der Schaden ist ohne Hilfe von außen irreparabel. Simon Curwen bleibt mit angelaschter Pinne und Sturmfock auf Kurs. Aber der führungsverwöhnte Skipper muss die Realität akzeptieren: Abhilash Tomy und Kirsten Neuschäfer werden vorbeiziehen.

Windsteueranlagen scheinen die Hauptproblemverursacher für Blauwassersegler zu sein, kann man an diesem Golden Globe Race ablesen. Wegen defekter Windsteueranlage warfen schon Damien Guillou, Pat Lawless und Tapio Lehtinen hin. Seepocken folgen auf Problemrang zwei.
Tauchen für mehr Speed
Die hinter Abhilash Tomy zurückgefallene Kirsten Neuschäfer will wieder ordentlich auf Touren kommen. Dazu muss sie nicht die Pinne in die Hand nehmen, sondern den Spachtel. Seit mehreren Tagen kratzt sie etappenweise den Unterwasserrumpf ihrer Minnehaha von Seepocken frei. Ein stolzes Etmal von 178 Seemeilen am 27. Januar ist eine deutliche Belohnung für die Tauch-Tortur.

Kirsten Neuschäfer hatte ihre Segelleistungen aus dem indischen Ozean und dem Pazifik verglichen und festgestellt, dass sie bei gleichen Bedingungen 5 bis 10 Prozent langsamer geworden war. Da über der Wasserlinie alles in Ordnung war, musste das Problem unter der Wasserlinie liegen. Ein GoPro-Check bestätigte ihre Vermutung: Die Seepocken bleckten das Kameraauge an.

Der Feind war erkannt, also wurde er von Kirsten gebannt. Sie ging so überlegt, systematisch und konsequent vor, wie man es als Einhand-Segler oder Bush-Crafter notgedrungen lernt. Oder wie Simon Curwen nach dem schicksalsschweren Knock-down seiner Clara trocken vermerkte: „Working on a plan.“
Simon says: Schiet
Alles Planen hat sich für Simon Curwen nicht ausgezahlt. Als Vernunftmensch hat er Wetter und Schiffssituation zusammengerechnet und beschlossen, einen Reparaturhafen in Chile anzusteuern. Damit rutscht er in die Chichester-Klasse des Golden Globe Race für Teilnehmer außerhalb der regulären Wertung.
Von Simon Curwens Rückschlag profitieren die nachfolgenden Segler. Kirsten Neuschäfer rückt auf den ersten Platz, nachdem sie mit ihrer pockenbefreiten Minnehaha an Abhilash Tomy vorbeigezogen ist. Abhilash Tomy sucht zwischen Sicherheit und Siegeswillen den Mittelweg, nachdem er beim Golden Globe Race 2018 in der Nähe seines jetzigen Breitengrades so dramatisch Schiffbruch erlitten hatte. Immerhin trennen ihn auf dem zweiten Platz komfortable 1.200 Seemeilen vom Nächstfolgenden, Michael Guggenberger auf Platz drei.
Der Österreicher hat sich vom Grünschnabel zur soliden Bank des Golden Globe Race gemausert. Je wolliger sein Bart ausfranst, desto geradliniger zieht seine Biscay 36 ihre Spur. Mittlerweile hält er die Geschwindigkeit der Routiniers an der Spitze. Nur beim Trinkwasser muss er sich rationieren. Aber wie sagte schon Marie Antoinette: „Wenn sie kein Wasser zu trinken haben, sollen sie eben Champagner saufen!“