Die Western Flyer ist kurz vor ihrer Fertigstellung. Projektleiter Tim Lee gibt uns einen kleinen Überblick, während eine Bootsbauerin Würste rollt – aus Dichtmasse. Die Würste werden mit der Druckluftpistole in die Kalfatnähte gedrückt und verschließen sie. Es sind etwa 1.500 laufende Meter.
Leo ist scharf auf die Pistole des Nachbarprojekts: „Was wäre, wenn jemand nachts in die Werft einstiege und sie sich ausleiht?“ fragt er. „Kein Problem“, kontert Tim, „solange er ein paar Flaschen guten Whisky dalässt.“ Das ist Westküstenhumor.
Die Sache mit dem Güterwaggon
Während Matt 200 weitere Kupfernieten drückt – diesmal sind es etwas längere, um die Planken durch die Spanten und Bodenwrangen hindurch zu vernieten – kommt plötzlich Pete in die Werkstatt gehumpelt. „Matt bitte hilf, ich hab’ mir den Fuß verdreht!“ Völlig ungerührt nimmt Matt den nach hinten stehenden Fuß und dreht ihn um 180 Grad wieder zurück. „Danke, Kumpel“, sagt Pete und geht wieder an die Arbeit.
Was aussieht wie eine Clownsnummer im Zirkus hat einen ernsten Hintergrund. Pete krempelt die Hose hoch und zieht seinen hohen Stiefel aus: Darunter kommt eine moderne Titan-Carbon-Prothese mit Gummifuß zum Vorschein. Ein Andenken an einen Unfall mit einem Güterwaggon, der vor neun Jahren seine Zeit als Hobo jäh beendet und ihn beide Unterschenkel gekostet hat.
„No feet Pete“ ist kein schmeichelhafter Spitzname, aber er nimmt es mit Humor. Auf seine Finger hat er „stumped!“ tätowieren lassen. Das heißt sowohl „perplex“ als auch „mit Stümpfen“. Er kann zwar nicht alles machen, aber wer kann das schon? Und außerdem hat er noch seine Knie – „anyway“, was soll‘s. Es beeindruckt, wie er sein Schicksal annimmt und wie locker und humorvoll er darüber spricht.
Angélique- und Wana-Planken
Pete ist der Meister der „Broads“, der breiten Planken, die vom Kiel aus nach oben wachsen. Sie werden in die Achtersteven- und Vorsteven-Sponung eingepasst. Dazu schnitzt er kleine Musterplättchen, nach deren Vorgabe er genau den Einfallswinkel an der Planke abschneiden kann. Der Vorrat an hartem Angélique-Holz geht zur Neige, das Restholz wird für den Schergang, die oberste Planke gebraucht.

Also wechselt die Refit-Crew jetzt auf das etwas leichtere Wana-Holz. Mit vielen Schraubzwingen werden die Planken angebracht, bevor sie vernietet und verschraubt werden. Manchmal müssen Nieten wieder herausgezogen werden, doch es wäre nicht Leos Refit-Projekt, wenn es nicht auch hierfür ein Spezialwerkzeug gäbe.
Jakes Vermächtnis
Rosie steht noch am Anfang ihrer Karriere. Sie hat eine besondere Verantwortung als Bewahrerin der Werkzeugkiste von Schiffbauer-Ikone Mike „Jake“ Jacobsen. Jake war eine Persönlichkeit in der nordwest-amerikanischen Schiffbauer-Szene. Als guter Teamleiter und Lehrer gab er sein Wissen über den Holzschiffsbau an Generationen junger Bootsbauer weiter.

Als Jacobsen starb, hat Andy Stewart von Emerald Marine gelobt, das Vermächtnis des Meisters zu bewahren. Er gelobte, Jakes Kiste voller Werkzeug-Schätze einer ambitionierten jungen Holzschiffbauerin (oder Bootsbauer) zu übergeben um damit gutes Handwerk und den Respekt vor gepflegtem Werkzeug zu erlernen.
Rosie nimmt das gerne an. Sie gelobt, Hobel, Bohrer und Stecheisen gut geschärft und geölt an den oder die Nächste/n weiter zu geben, wenn sie soweit ist. Welche Ehre! Einige der Wikinger-Gesetze, die auf der Innenseite des Deckels stehen, gefallen ihr gut. Aber sie ist noch keine Wikinger-Kriegerin.
Während Rosie sich über ihr neues Werkzeug freut, bringen die Jungs Planke für Planke an die Tally Ho und Leo verabschiedet sich wie immer mit Dank von seiner weltweiten Fan-Gemeinde.
Hier könnt ihr Leo Sampsons Refit-Projekt Tally Ho unterstützen.