Im Osten geht die Sonne auf – und lacht als Erstes dem führenden Schiff bei The Ocean Race 2023 entgegen. Die Flotte der fünf Imocas hat sich über die letzten Tage von Ost nach West aufgefächert. Im Osten hält Guyot Environnement unter Skipper Robert Stanjek den ersten Platz. Im Westen hofft das Team Malizia als Schlusslicht darauf, dass seine Strategie sich noch auszahlen möge.
Das Team Guyot Environnement blickt auf eine Berg-und-Tal-Fahrt beim bisherigen Verlauf des Ocean Race zurück. Das erste Leg von Alicante zu den Kapverden warf es auf den letzten Platz. Aber schon beim Start zu Leg zwei schoss es vorbildlich voraus und hielt über den Zickzack-Kurs vor Mindelo seinen Vorsprung.

Dann verpatzte es einen Vorsegelwechsel und wurde von Holcim – PRB und 11th Hour Racing Team abgehängt. Erst im Laufe des 30. Januar arbeitete es sich in vollstem Vertrauen auf Navigator Sebastien Simons Ostkurs von Platz vier auf Platz eins vor. Für einen optimalen Trimm drängt sich die Crew hitzegeplagt im Bugbereich. Und das Schiff hebt den Bürzel aus dem Wasser und fliegt los.
Risiko-Strategie
Alle Imocas des Ocean Race haben am 31. Januar den Äquator überquert. Die Guyot Environnement hat auf ihrem Ostkurs dafür 230 Seemeilen weniger zurücklegen müssen als die Malizia – Seaexplorer. Biotherm, Holcim – PRB und 11th Hour Racing Team gruppieren sich dazwischen. Je östlicher der Kurs, desto besser ist ihre Platzierung.
Die Rechnung scheint einfach – wenn man davon ausgeht, dass sich die verflixten Doldrums mit ihren Schwachwindlaunen über den gesamten Atlantik in gleicher Breite erstrecken. Tun sie aber nicht. Im Westen wird der Doldrum-Gürtel schmaler, die Aussicht auf schärfere Winde wahrscheinlicher.

Darauf setzt das Team Malizia. Die weitere Strecke soll durch die flottere Fahrt mehr als ausgeglichen werden. Das scheint in der aktuellen Lage aber nicht aufzugehen. Team Guyot Environnement macht in den letzten 24 Stunden um den Januarausklang durchschnittlich nicht weniger Fahrt als Team Malizia. Zwischen 3 und 13 Knoten variiert bei beiden Imocas die Geschwindigkeit. 115 Seemeilen Vorsprung hält das Team Guyot Environnement.
In Bausch und Bogen
In Ost-Süd-Ost- bis Südwinde wird die Flotte in den kommenden Tagen geschlossen kommen, egal wie sich die einzelnen Schiffe auf der Ost-West-Achse postiert haben. Dann werden ganz neue Strategien für die verbleibenden 3.500 Seemeilen fällig. Circa 135 Grad müssten für den geraden Kurs auf Kapstadt anliegen, frontal gegen den Wind.

Stattdessen wird es moderat am Wind die Südamerikaflanke hinuntergehen, bis ab Höhe Namibia der Wind nach Ost-Nord-Ost, Nord und schließlich West dreht. Sebastian Wache von der WetterWelt sieht voraus: „Zwei Szenarien sind in den kommenden Tagen zwischen dem Äquator und dem St-Helena-Hoch möglich. Zum einen kann das Hoch sich in seiner Längsachse diagonal über den Südatlantik legen. Somit kommen die Crews noch mal in den Genuss von sehr schwachen Winden.
Das kann aber auch ein Vorteil sein. Sollten sie diese sich bildende Schwachwindzone schon hinter sich gelassen haben, dann ist das Tor offen für eine Abkürzung. Es kann von circa 25°S 25°W auf einen sehr flachen Bogenkurs auf Kapstadt zugehen, ohne bis unter 35°S tauchen zu müssen.
Danach sieht es in den Wettermodellen derzeit auch aus.“ Bingo, Rauschefahrt gen Tafelberg! Damit es spannend bleibt, hängt Sebastian Wache noch an: „Allerdings unterliegt das Hoch, ähnlich wie die bei uns auch, starken Veränderungen.“