Am Silverrudder Race 2021 nahm eine Rekordzahl von 437 Seglern teil, es war das größte Rennen seit Beginn. Doch nur sechs Frauen hatten insgesamt gemeldet. Eine davon war Susann Beucke, die mit dem Silverrudder ihre erste Einhand-Regatta segelte. Eine weitere Teilnehmerin war die Dänin Gry Thomson, die ebenso wie Susann über eine Wildcard ins Rennen kam.
Gry Thomson besaß eine Schwimmweste, eine gute Portion Mut und den großen Wunsch, am Silverrudder Race teilzunehmen. Was sie nicht besaß, war ein eigenes Boot. Und sie war bis dato auch noch nie alleine gesegelt. float erklärt sie, wie sie es geschafft hat, sich in nur 88 Tagen für das Silverrudder fit zu machen.


Ein Boot finden und es mit wenig Aufwand segelfertig machen
Gry berichtet: „Als mir die Wildcard angeboten wurde, besaß ich noch kein Boot, das musste ich also erst mal finden. Ich durchsuchte mit der Unterstützung befreundeter Bootsbauer Boots-Portale und fand schließlich ein Boot, das ich mir leisten konnte und dessen Segeleigenschaften mich überzeugten: eine Farr 727 mit 7,26 m Länge aus dem Jahr 1977.
Das Boot lag an Land, hatte keine Navigationslichter, keinen Kartenplotter, keinen Kompass und keine Stromversorgung. Ich musste alles nachrüsten. Ich überholte das Rigg, installierte eine neue Elektrik und polierte mein neues Boot. Nach vier Wochen war ich bereit für den nächsten Schritt.
Einhändig segeln – ausprobieren, bis es klappt
Ich fuhr mit Freunden und meiner neuen Farr für 14 Tage in den Urlaub. Auf dem Wasser waren wir immer zu zweit oder zu dritt an Bord. Auf diese Weise konnte ich so viel wie möglich lernen und habe aufgeschrieben, was noch fehlte oder noch zu tun war, damit ich das Boot alleine segeln konnte. Ich habe in diesen zwei Wochen sehr viel über mein Boot und seine Handhabung gelernt.
Nach dem Urlaub probierte ich, allein zu segeln. Die ersten paar Male wurde ich von einem Segelfreund, meinem „Segelgeist“, begleitet. Er griff nur ein, wenn etwas passierte, das ich noch nicht allein bewältigen konnte. Als ich mich im Einhandsegeln sicherer fühlte, traute ich mich zum ersten Mal alleine zu segeln. Es war Ende August und es waren nur noch vier Wochen bis zur Silverrudder.

Mentale Vorbereitung und praktische Übungen
Bei den letzten Vorbereitungen ging es darum, alle möglichen Szenarien durchzuspielen, die einem auf der Ostsee zustoßen könnten. Es waren nur noch etwa 25 Tage bis zum Silverrudder, und neben meinem Vollzeitjob hatte ich nicht viel Zeit zum Trainieren. Ich musste also bei meinem Training mehr auf Qualität als auf Quantität setzen. Ich nutzte die Zeit, um alle Szenarien durchzuspielen, von denen mir andere Alleinsegler gesagt hatten, dass man sie unbedingt kennen müsse.
Natürlich hätte ich gerne noch viel mehr trainiert, aber die Zeit war zu knapp. Ich empfehle daher allen, viel früher mit den Vorbereitungen zu beginnen. Aber ich habe es trotzdem geschafft, weil ich ehrgeizig und ausdauernd bin und weitergemacht habe. Natürlich hat mich auch ein gutes Team, meine Familie, Freunde und andere Solosegler auf dieser Reise unterstützt, und das war ausschlaggebend für meinen Erfolg.

Letzte Vorbereitungen vor der Regatta
Es war das Wochenende vor dem Silverrudder und das Schiff musste von Fredericia nach Svendborg überführt werden. Wegen des Wetters konnte ich nur am Samstag segeln. Die Überfahrt dauerte 12 Stunden und war meine vierte und längste Solofahrt vor dem Silverrudder selbst.
Den vorletzten Tag vor der Regatta hatte ich mir für die letzten wichtigen Vorbereitungen reserviert. Einchecken, das Boot nummerieren und den Tracker anbringen, auftanken, die Segel einpacken, die Batterie aufladen, die Wettervorhersage prüfen und alles an Bord an den richtigen Stellen verstauen: Proviant usw.
Am letzten Tag vor dem Regattastart hatte ich außer dem Briefing zum Rennen nichts geplant. Doch die Dinge entwickeln sich oft anders als geplant. Ich musste viele Dinge, die ich für den Tag geplant hatte, wegen des Regens auf den kommenden verschieben. Es ist sicher eine gute Idee, vor dem Rennen einen Tag Puffer einzuplanen, da man nie weiß, ob der Plan aufgehen wird.
Los geht’s!
Endlich kam der Starttag des Silverrudder, der Tag, auf den ich mich in den letzten 88 Tagen vorbereitet hatte … Ich kaufte Brötchen beim Bäcker und machte mit meinem Bruder einen letzten Bootscheck. Mein Plan war es, gegen neun Uhr aus dem Hafen zur Startlinie zu fahren, aber es wurde ein bisschen später – zu spät, wie ich dann fand. Ich würde empfehlen, so früh wie möglich loszufahren, um genug Zeit zu haben, sich zu sammeln.
Dann ertönte der Startschuss. Ab jetzt hieß es nur noch, mich an den Plan zu halten, einen kühlen Kopf zu bewahren und das zu tun, was ich geübt hatte. Jetzt geht es nur noch um das Können, die eigene Kompetenz und um eine positive Einstellung.

Ich hatte die Navigation schon in meinen Kartenplotter eingegeben. Außerdem hatte ich ein iPad mit der Route und eine allgemeine Seekarte als Backup dabei, auf der die Strecke auch mit Kompasskursen eingezeichnet war. Sollte es so weit kommen, dass der Strom ausfällt, hätte ich immer noch ein Backup. Wenn man sich gut in die Route einarbeitet und sich an seinen Plan hält, ist die Navigation einfach.
Für mich war es kein Problem, lange wach zu bleiben. Mit 350 anderen Booten auf dem Wasser kann es leicht zu Kollisionen kommen und das wollte ich vermeiden. Ich habe insgesamt nur etwa 10 Minuten geschlafen und war ansonsten die ganze Zeit wach.

Toilettenbesuche sind während einer solch langen Regatta für Frauen natürlich ein kleines Problem — sie sind nicht unmöglich, aber wegen des Ölzeugs sehr umständlich. Denn es hängt auch vom Bootstyp ab, ob und welche Art von Toilette überhaupt vorhanden ist, so wie bei meinem Boot: Es gehört zur Miniklasse und hat deshalb keine eingebaute Toilette an Bord. Ich musste mir mit einer Pütz im Cockpit behelfen. Das funktioniert auch gut.
Höhen und Tiefen
Was ich am meisten fürchtete und am schwierigsten fand, war, unter den vier Brücken auf der Regattaroute hindurchzusegeln. Unter der Brücke über den Großen Belt verlor ich den Wind zwischen den Brückenpfeilern. Mein Boot driftete ab und mir blieb nichts weiter übrig, als zurückzusegeln und es erneut zu versuchen.
Insgesamt hat sich aber alles für mich gut eingespielt. Das wechselnde Wetter, die Fahrt über die Spitze Fünens mit 20 Knoten Wind und das anspruchsvolle Segeln bei Nacht den ganzen Weg den Lillebælt hinunter mit 400 anderen Seglern: Absolut fantastisch!
Der Weg nach Lyo Krog war entspannt, danach ging es weiter Richtung Svendborg und durch die südfünischen Schären. Es war eine sehr lehrreiche Strecke und hat Spaß gemacht, vor allem die letzte Stunde im Svendborgsund, wo es ziemlich eng ist.
Geschafft!


Ich bin mein erstes Silverrudder mit knapp 30 Stunden gesegelt und habe mein Finisher-T-Shirt für meinem ersten Solo-Trip überhaupt bekommen. Ja, es ist möglich, das Rennen mit nur 88 Tagen Vorbereitung zu segeln, und ich bin total stolz!“
Es gibt jetzt eine Gruppe für Frauen, die das Silverrudder segeln wollen, die float unterstützt: Silverruder Race – For Women. Schau doch mal rein!