Die Grenzen sind dicht, wir sind gefangen. Gefangen im Paradies. Der Anker liegt sicher auf 11 Meter, tief eingegraben im Grund. Ein Blick vom Bug reicht, um das zu überprüfen. Das kristallklare Mittelmeer glitzert hellgrün an diesem Morgen, sanfte Böen werfen kleine Rauten auf das Wasser, an denen sich die frühen Sonnenstrahlen brechen.
Ein Sprung ins knapp 20 Grad warme Wasser ersetzt die Morgendusche, der Wasserkessel pfeift das Startsignal in den Tag. Eine der seltenen Mittelmeer-Mönchsrobben – nur noch 100 Exemplare soll es in der Türkei geben – planscht am Ufer, jagt Fische und kommt auf uns zugeschwommen. Es sieht aus, als lächelt sie uns an, als wolle sie sagen: „Was ein herrlicher Tag!“

Und natürlich hat die Robbe recht. Es ist ein herrlicher Tag. Unbeschwert und leicht. Bis wir die Nachrichten lesen. Frankreichs Präsident Macron spricht von Krieg, ganze Landstriche sind von der Außenwelt abgeriegelt, Ausgangssperren werden ausgerufen. Zigtausende Menschen sind infiziert von einem Lungenvirus, der sich anhört wie die Bezeichnung eines Kleinkreuzers – „Covid 19“. Schwarzer Humor eines britischen Seglers, Galgenhumor angesichts tausender Toter und einer Wirtschaft mit Schnappatmung.
Die Lage in der Türkei ist unklar
In der Türkei, in der ich seit eineinhalb Jahren auf meinem Boot lebe, setzte Corona erst spät zu ihrem Beutezug an. Zumindest offiziell. Kaum einer der Türken am Mittelmeer schenkte den schmeichelnden Zahlen aus Ankara Glauben.
Und auch jetzt, nachdem sich fast täglich die Zahl der Infizierten – sogar offiziell – verdoppelt und es erste Todesopfer zu beklagen gibt, wissen wir nicht so recht, wie die Lage um uns herum wirklich aussieht. Statistiken, welche Regionen betroffen sind, werden nicht veröffentlicht. Ist das gut oder schlecht? Ich kann es gar nicht mal sagen.

Als wir aus unser selbst erkorenen „Quarantäne-Bucht“ zwischen Kaş und der griechischen Insel Kastellorizo zum Proviantieren in die Marina segeln, bemerken auch wir, dass Corona in der Türkei angekommen ist. Die Marineros, die in ihren Dinghis jede Yacht in Empfang nehmen, tragen Mundschutz, die sanitären Anlagen wurden mit Desinfektionsmitteln für die Hände ausgestattet, Restaurants und Bars mussten schließen.
Der ehemalige Fischerort, der normalerweise zu dieser Zeit des Jahres zum Leben erwacht, dämmert vor sich hin. Ausländische Touristen haben die letzten Flüge in die Heimat genommen, neue dürfen nicht einreisen. Wie in Deutschland stehen viele Existenzen auf dem Spiel. Aber von Panik ist nichts zu bemerken.

In den Supermärkten sind die Regale voll, die Gänge leerer als üblich. Und ja, es gibt überall noch Klopapier. Aber das ist vielleicht auch der Errungenschaft zu verdanken, das türkische Toiletten eine Bidet-Spülung haben, da die dünnen Rohre ohnehin kein Toilettenpapier vertragen. Rückschritt kann in Krisenzeiten auch ein Vorteil sein. Hamsterkäufe sind ebenso unbekannt.
Ein Kommentar
In Griechenland darf man sich inzwischen nicht mehr mit dem Boot bewegen. Es sitzen jetzt inzwischen alle in den Marinas fest. (Nur als Nachtrag ?)