Vor genau einem Jahr setzte ich meine Unterschrift unter den Vertrag zu einem neuen Leben als Segelaussteiger. Ich stand in einem kleinen Büro unweit des Hafens von Marmaris, nervös, nass die Shorts, den Stift fest umklammert. Nach der Unterschrift würde es kein Zurück mehr geben. Das war mir bewusst. Aber ich hatte mich verliebt. In eine launische Lady aus Plymouth, mit dem eigentümlichen Namen Dilly-Dally. Eine Moody 425, 30 Jahre alt. Es war Liebe auf den ersten Blick.
„Drum prüfe, wer sich ewig bindet.“ Das hatte ich getan. Ein paar Stunden hatte ich mit meiner neuen Gespielin auf dem Wasser verbracht. Und mit jeder Minute waren die Hingabe, das Vertrauen, die Sehnsucht gewachsen, fortan gemeinsam das Leben zu meistern – an einem Ort fern der Heimat, unter blauem Himmel, über azurfarbenem Wasser, das glitzert wie tausend Kristalle.

An diesem 13. September 2018 kaufte ich für 55.000 britische Pfund die Dilly-Dally, die von nun an mein einziges Zuhause, mein Büro und mein Leben sein sollte. Ich hatte Deutschland Lebewohl gesagt, den Job gekündigt, die Wohnung verkauft, alles bis auf den Inhalt zweier Seesäcke verschenkt oder entsorgt. Ich setzte alles auf „Blau“. Blau wie Blaumachen. Blau wie die Farbe des Meeres.
Nach einem Jahr glücklicher denn je
Um die Antwort auf die Frage gleich vorweg zu nehmen: Ja, wir sind noch zusammen. Und glücklicher denn je. Natürlich hatten wir unsere Dispute. Dann, wenn die „Lady“ mal wieder nicht am Yachtausrüster oder Segelmacher vorbei gehen konnte, ohne sich neu einzukleiden. Aber wir hielten immer zusammen – nicht nur in guten, sondern auch in schlechten Zeiten. Dann, wenn es ihr nicht gut ging. Mal zwickte die Welle, mal musste ich in ihre Eingeweide kriechen. Zur Reha musste sie drei Wochen an Land.

Nach einem Jahr Leben an Bord ist es nun an der Zeit, ein kleines Fazit zu ziehen. Ich hatte erwartet, dass der Tag kommen wird, an dem ich vielleicht nicht meinen Schritt in ein neues Leben bereue, aber zumindest hinterfrage. Er kam nicht. Nicht einmal ansatzweise. Der für türkische Verhältnisse ruppige Winter verflog wie im Flug, die erwartete lähmende Hitze im Sommer setzte nicht ein. Zumindest setzte sie mir nicht zu.
Die Krankengeschichte der Dilly-Dally brannte noch einmal ein nicht kalkuliertes Loch in die Bordkasse. Drei Mal musste ich sie ins Hospital liften.
4,7 Jahre! So lange sollten meinen Rücklagen als Segelaussteiger reichen, inklusive privater Altersvorsorge und deutscher Krankenversicherung. Das hatte ich damals errechnet. Gerechnet hatte ich allerdings nicht mit den vielen Reparaturen und Instandsetzungen: Nach dem Kauf gönnte ich der Dilly-Dally stabile Davits am Heck und darauf eine Solaranlage, auf das wir auch autark in Buchten sind (5.000 Euro). An den Davits baumeln sollte ein neues Dinghi samt Außenborder (1.300 Euro). Ich gönnte der Lady wunderschöne neue Segel (6.000 Euro) und ein kleines Facelift.

Ein Loch in die Bordkasse
Ich ließ die ausgewehte Bimini ersetzen und auch die erblindete Sprayhood. Ich verabschiedete mich von dem maritimen Blau und begrüßte ein helles Grau. Das sieht nicht nur fantastisch frisch aus, sondern lässt auch das Cockpit unter der Sonne des Mittelmeers um etwa fünf bis zehn Grad kühler werden. Der Effekt ist ähnlich wie bei einem schwarzen und einem weißen Auto im Sommer. Passend dazu bestellte ich neue Cockpit-Polster und ließ die Liegewiese auf dem Achterdeck neu beziehen (1.800 Euro).

Die Krankengeschichte der Dilly-Dally brannte noch einmal ein nicht kalkuliertes Loch in die Bordkasse. Drei Mal musste ich sie ins Hospital liften (1 x Kranen gleich 600 Euro), dazu kamen die Ausgaben für die Behandlung (1.800 Euro) und natürlich die Kosten für gängige Kosmetika wie Antifouling. Eine neue Gangway schlug die Brücke von Land zu Wasser.
14 Meter frische Eingeweide
14 Meter frische Eingeweide verbinden nun die Badezimmer mit dem Fäkalientank. Neue Seeventile bewachen den Rumpf. Das laufende Gut ersetzte ich teilweise, neue Festmacher und Fender sorgten für sichere Hafentage im Winter und noch mehr Ventilatoren für Abkühlung im Sommer. Und sicherlich habe ich noch einiges Vergessen. Insgesamt kamen zum Kaufpreis der Dilly-Dally etwa 20.000 Euro dazu. Gerne darf es in den nächsten 365 Tagen etwas weniger werden.
4,7 Jahre. Und heute? Nach einem Jahr sind es sogar 5,1 Jahre. Ab heute. Trotz der hohen Ausgaben. Wie kann das sein?