Nachdem Leo im September mit einem großen Team die Spanten fertig aufgestellt hatte, ist er froh wieder alleine zu arbeiten. Irgendwann im Oktober kommt auch seine Freundin Cecca wieder nach Sequim, und die beiden genießen die Ruhe. Zunächst muss aber noch der Vorsteven, englisch Cutwater genannt, schön geformt werden.

Leo hatte in der letzten Folge Der Kettensägenkünstler die Form grob mit der Kettensäge vorgeschnitten. Jetzt arbeitet er die konkave Innenrundung am Topp und die Keilform aus, mit der der Steven in die Wellen schneidet. Zum Einsatz kommt eine kleine Makita Flex mit Spezialscheibe. Die Idee mit den Flex-Scheiben kommt von den Kollegen der Restaurierungprojekte From Acorn to Arabella und Restoring Rosalind.
Als Nächstes schneidet er die Sponungsnut, wo die Planken in den Kiel laufen, mit der Kreissäge vor. Dann haut er das Holz grob mit dem großen Stemmeisen und dem Klopfholz weg. Er hat soviel Werkzeug, warum nur verwendet er dafür keinen Dechsel?
Besuch des restaurierten Schoners Zodiak von 1927

Zur Abwechslung, Inspiration und um zu sehen, wie sich „grün“ verbaute Eiche verhält, stattet er dem Schoner „Zodiak“ in Bellingham einen Besuch ab. Das über 40 Meter lange Schiff lief 1927 vom Stapel und wurde 1984 generalüberholt. Vor nicht allzu langer Zeit wurden neue Decksbalken aus „grüner“, also wenig abgelagerter Oregon-Eiche eingebaut.

Wie zu erwarten, hat das Holz ordentlich gearbeitet. Dabei gingen einige Verbindungen auf, und es entstanden tiefe Windrisse. Kein großes Problem für die Festigkeit, solange kein Wasser eindringt, aber Leo möchte das möglichst vermeiden.

Zurück in Sequim probiert er seine Schweißerfähigkeiten aus und baut aus einem altem Stahlrahmen einen Transportwagen für die erste Holzlieferung aus dem Darre-Container bei Eden Saw. Mit den Nachbarn Pete und Cody, seinem Gabelstapler und dem Transportwagen sind die langen Holzbohlen für die Stringer und Leisten schnell ausgeladen, die schmale Auffahrt hochgezogen und sauber aufgestapelt.
Ist neu noch original?
Das aktuelle Video ist Leos persönlicher Philosophie und seiner Einstellung zum Projekt Tally Ho gewidmet. Wohl wissend, dass es einen Haufen Experten in Sachen Restauration gibt, die seine Arbeit kritisch betrachten, stellt er die Frage nach der Originalität und Authentizität eines wiederaufgebauten Klassikers.
Leo ist nicht wichtig, was andere von seinem Projekt halten, er will seinen eigenen Weg gehen. Statt einfach eine Replik zu bauen, will er ein gutes Schiff so originalgetreu und seetüchtig wie möglich rekonstruieren. Von den originalen Teilen bleiben nur der Stahlballast und die Ankerwinde erhalten, die allerdings auch einer ordentlichen Restaurierung bedarf. Viele der Teakplanken sind gesund. Sie haben allerdings so viele Nagellöcher, dass sie nur noch für den Innenausbau taugen. Aber das alte Holz bleibt Teil des Schiffes.
Das Schiff des Theseus
Leo bedient sich bei seiner Argumentation einer Legende aus der griechischen Mythologie – dem Beispiel des Schiffs von König Theseus, das erfolgreich über viele Jahrzehnte im Stadthafen aus Athenaufbewahrt wurde. Von Zeit zu Zeit wurden immer wieder alte Planken entfernt und durch neue ersetzt. Die Streitfrage der Philosophen, die sich über die Weiterentwicklung ergab: Wann kann ein Objekt als ein und dasselbe gelten?
Boote, speziell Holzboote, durchlaufen in ihrem Leben oft mehrere Restaurierungen, bei denen strukturelle Bauteile erneuert werden. Sie bleiben dennoch die gleichen Boote. Wenn sie lange nicht gepflegt werden, verfallen sie schnell und müssen deshalb ständig restauriert werden.
Der Grund, warum ich beschlossen habe, Tally Ho Stück für Stück neu aufzubauen, statt sie von Grund auf neu zu bauen, ist die Tatsache, dass das Schiff dabei als solches bestehen bleibt und damit weiterhin existent ist. Am selben Ort.

Während er weitere Argumente dafür ausbreitet, um zu erklären, dass alles permanent in Veränderung oder, wie man sagt, im Fluss ist, sehen wir den Verlauf des Projekts in einer Rückschau – vom ersten Kennenlernen über das Auseinanderreißen des Decks und der alten Planken bis hin zum Wiederaufbau im jetzigen Stadium.
Am Ende gesteht uns Leo dann noch, dass er das Projekt nicht angefasst hätte, wenn ihm klar gewesen wäre, wie umfangreich es werden würde. Die Erfahrung machen doch alle, die ein Boot restaurieren. Nur tun sie das die meisten nicht so erfolgreich und professionell wie Leo.
Das Boot soll stark sein, denn er will es hart segeln, bis in die entferntesten Ecken der Welt. „Tally Ho“ sollte nie ein Museumstück werden. Die Siegerin des Fastnets 1927 hat für Leo eine große Geschichte. Diese möchte er fortsetzen und weitere Kapitel hinzuschreiben.
Von Anfang an begleiten wir Leo auf float. Begonnen haben wir mit unserer Serie fast auf denselben Tag vor zwei Jahren. Wer Leo unterstützen will, ist willkommen.