Der Tag der Seenotretter steht – anders als Nikolaus- oder Frauentag – nicht im Kalender. Doch ganz offensichtlich haben ihn viele auf der Uhr. Wenn sich Ende Juli die Stationen der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) dem Publikum öffnen, sind für gewöhnlich Tausende zu Gast. Feriengäste und Küstenbewohner erleben dann Technik und Seenotretter zum Anfassen. So auch in Zingst am vergangenen Wochenende.
Auf der Vorpommerschen Bodden-Halbinsel, wo als PR-Gag noch einmal ein angeblicher Pottwal angeschwemmt worden sein soll, leisten zwölf freiwillige Seenotretter Dienst. Am 28. Juli rücken sie ganz ohne Seenot aus. Ihre Rettungseinheit liegt nicht im Hafen, sondern in einem Schuppen auf dem platten Land. Das Seenotrettungsboot „Zander“ wird per Trailer und Unimog im Falle eines Einsatzes zu Wasser gebracht – ganz so, wie es in den Anfängen des Seenotrettungsdiensts, der 1865 als einer der ersten gegründet wurde, überwiegend üblich war.

Maximals Flexibilität dank Trailer
Heute wie damals ist das kein Ausdruck von Mittellosigkeit, sondern es garantiert maximale Flexibilität: Das sogenannte Boddenboot der Zingster, seit 1993 in Betrieb, ist eine Spezialanfertigung für die besonderen Anforderungen dieses Reviers. Andere Boote werden für andere Reviere von Hand konfektioniert – zum Beispiel die im Januar getaufte SRB 73, die seither in Kiel-Schilksee stationiert ist.
Wo ein Seenotfall gemeldet wird, kann das geländegängige Gespann mit doppelter Motorkraft die nächstmögliche Einsatzstelle blitzschnell auf der Straße ansteuern – sowohl auf Ostseeseite als auch auf Boddenseite.

Mit bis zu 46 km/h übern Bodden
Der Allrad-Unimog leistet 211 PS. Das ist schon stark, doch das Boot ist noch stärker. Angetrieben wird das sieben Meter lange Boot „Zander“ von einem Jetantrieb mit beeindruckenden 292 PS. Der kann das Rettungsboot auf bis zu 24 Knoten (rund 46 km/h) Fahrt beschleunigen. Mit nur 50 cm Tiefgang ist „Zander“ ideal für das Flachwasserrevier zwischen Ostsee und Festland geeignet.

Mit durchschnittlich 16 Einsätzen pro Jahr ist Zingst eine der ruhigeren Stationen der Seenotretter. Aber wie Remo Niche, Vormann der Station, gerne sagt: „Am besten sind die Einsätze, die man gar nicht fahren muss.“ Die meisten Notrufe kommen hier von Chartergästen.
Es sind oft Bootsfahrer, die „ihre Boote im Flachwasser festrammeln“. Dann stehen technische Hilfeleistungen wie einfache Abschlepp-Dienste an. Aber auch die sind notwendig und willkommen.
Remo Niche leitet die Station seit rund einem Jahr und ist seit ungefähr zehn Jahren aktiv bei den Seenotrettern tätig. Um 13.30 Uhr starten er und seine Mannschaft die spektakuläre Vorführung der Rettungseinheiten in Zingst. Im ersten Akt düst der schwere Unimog mit dem „Zander“ den Sandstrand hinunter und versackt gleich bis zum Führerhaus im Wasser der Ostsee. Keine Gefahr, das hält der aus.

Rettung hilfloser Stand-up-Paddler
Zeitgleich erscheint der Seenotrettungskreuzer „Theo Fischer“ vor der Küste und lässt sein Tocherboot „Ströper“ zu Wasser. Unter den Augen hunderter Zuschauer „retten“ dann „Ströper“ und „Zander“ ein paar scheinbar hilflose Stand-up-Paddler. Die Darsteller stammen von der DLRG und haben die Aufführung zuvor geprobt.
Zum Schluss wird das Boddenboot wieder auf dem Trailer festgezurrt, mit Schwung und durchdrehenden Unimog-Reifen platscht das Gespann aus dem nassen Element und hinterlässt eine gewaltige Schleppe Ostseewasser – diese spektakuläre Aktion erntet einen Riesenapplaus der zuschauenden Menschenmenge. Dann wird „Zander“ gereinigt – anschließend können „Sehleute“ sich das Boot am alten Rettungsschuppen von nahe anschauen und sogar an Bord gehen.

Dutzende faszinierte Kinderaugen
Ein Blick in die Dutzende faszinierter Kinderaugen zeigt sofort: Rettungskräften zusehen funktioniert immer, auch auf See. Nicht umsonst war die Aktion Seenotretter für einen Tag ein großer Erfolg. Wissbegierige Fragen aus Kindermund: „Wie kriegt Ihr das Boot denn wieder aus dem Wasser?“ oder „Kann der Unimog auch schwimmen?“ Da landet bei vielen der „Seenotretter“ gerade ganz oben auf der Berufswunschliste.