Mike Peuker (53) ist das klassische Beispiel, wie eine Zeit auf See ein Leben verändern kann. Vor Jahren noch Pilot, verchartert er nun alte, historische Holzfolkeboote. float hat ihn via Facebook interviewt und gefragt, wie es dazu kam.
float: Hallo Mike. Von dir kann man wirklich behaupten, dass die See dein Leben geändert hat. Was warst du im früheren Leben?
Mike Peuker: Das, was heute meine Schiffe und die Leidenschaft zum Segeln sind, waren früher Flugzeuge und die Leidenschaft zum Fliegen. Ich bin über drei Jahrzehnte privat und gewerblich viele tausend Stunden in der Luft unterwegs gewesen. Wenn heute ein alter Doppeldecker (aus Holz) über mich hinweg knattert, werde ich immer noch ganz wehmütig.
float: Was genau hast du in der Fliegerei gemacht?
Mike Peuker: Ich habe alles bewegt, was fliegt. Es ging als Kind mit Modellen los und endete bei einer Airline. Zwischendurch war ich Segelflieger, habe als Ultraleichtfluglehrer gearbeitet, ein einmotoriges Flugzeug über den Atlantik geflogen, über 10 Jahre gewerblich Fallschirmspringer abgesetzt, bin selbst gesprungen, Kunstflug etc… Ich könnte ewig so weiter aufzählen. Das war halt mein Leben. Tag ein Tag aus.
float: Wie kam es zur Segelreise?
Mike Peuker: Also wenn jemand ein Buch über eine Weltumseglung auf Deutsch oder Englisch braucht, kann er sich vertrauensvoll an mich wenden. Ich habe sie nämlich alle! Irgendwann wollte ich auch so etwas machen. Aber das Loskommen ist das Schwierigste, allerdings war bei mir auch das Zurückkommen nicht einfach. 2009 haben wir ein kleinen 9 Meter Stahlknickspanter gekauft. Da hatte ich schon so etwas Reisemäßiges im Hinterkopf.
Mit so kleinen Booten geht das ja. Wilfried Erdmann ist ja schließlich mit noch kleineren Nussschalen unterwegs gewesen. 2010 wollte meine damalige Firma mich von Hamburg nach Dresden umstationieren. Das wollte ich aber nicht und habe gekündigt. Meine Frau Katja war damals selbstständig und unser Sohn Niklas noch nicht ganz 2 Jahre. Wir hatten also keine Verpflichtungen. Also haben wir das Haus ausgeräumt und sind aufs Boot gezogen. Und ab in die Karibik. Dass die beiden dann beim Atlantik kneifen würden, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
float: Also bist du allein rüber gefahren?
Mike Peuker: Ja. In Teneriffa sind die beiden ausgestiegen und nach Hause geflogen. Wir hatten auf dem Weg von Portugal nach Madeira 5 Tage Sturm und waren nicht ganz sicher, ob wir das überleben – ich übertreibe! Aber es fühlte sich echt beschissen an. Deshalb haben wir beschlossen, nicht gemeinsam über den Atlantik zu fahren. Ich bin also erst acht Tagen zu den Kapverden und nach zwei Tagen Pause weitere 21 Tage nach Barbados gesegelt. Dort haben wir uns wieder getroffen – Die beiden waren übrigens ausgeschlafener als ich.

float: Und danach habt ihr wie lange die Karibik unsicher gemacht?
Mike Peuker: Sechs Monate! Ha ha, das war cool! Was für ein entspanntes Leben. Darum beneide ich mich heute noch.
float: Wo ist das Boot heute? Seid ihr zurück gesegelt?
Mike Peuker: Das Boot ist jetzt in Maasholm an der Schlei. In zwei Wochen, wenn die Tide so ist, dass ich von Brunsbüttel in einem Rutsch nach Harburg kann, hole ich es zurück. Dort liegt das Boot im Winter. Ich hatte damals bei meiner Überquerung ein, im Bezug aufs Wetter, schlechtes Jahr. Da ich nicht nochmal alleine die Rücktour über den Teich machen wollte, haben wir es kurzerhand in St. Thomas auf den British Virgin Islands auf einen Frachter gestellt und in Cuxhaven wieder abgeholt… sehr praktisch!
float: Du sagst, Du bist vorher schon mal mit einer kleinen Maschine über den Atlantik geflogen. Wo liegt der wesentliche Unterschied?
Mike Peuker: Die Maschine war klein und einmotorig. Ich war auch der einzige, der jede Etappe geflogen ist. Aber der wesentliche Unterschied ist ganz eindeutig: Ich war nicht alleine! Wir waren zu viert. Das macht alles anders.
float: Nach der Segelreise warst du nicht mehr der alte Mike. Hat dass Alleinsein damit zu tun? Was ist passiert?
Mike Peuker: Woher weißt du, dass ich nicht mehr der Alte war? Ich war schon immer ein komischer Typ;-).
float: Stimmt ich erinnere mich… Egal, jedenfalls hast Du danach was mit Booten gemacht. Ist das während der Reise entstanden? Du hättest ja sicher auch fliegen können.
Mike Peuker: Das Alleinsein hat mir nur gezeigt, dass ich das kann. Daran hatte ich vorher Zweifel. Allerdings hat die Reise uns in der Tat verändert. 14 Monate nur mit Familie, das kann sich nicht jeder gönnen. Wir haben es gemacht und nicht bis zur Rente damit gewartet. Und das kann ich nur jedem empfehlen, der das irgendwie mit seinem „Lebensmanagement“ vereinen kann. Wir haben bei der Reise mehr bleibende Freundschaften geschlossen als in 3 Jahrzehnten vorher zusammen. Unglaublich, aber wahr.
float: Als ihr zurück gekommen seid, habt ihr alles verändert. Was genau?
Mike Peuker: Gefühlt alles! Wir waren pleite und hatten keine Jobs. Als ich wieder mal alleine in der Karibik saß – die beiden waren schon nach Hause geflogen – habe ich auf die „Sampogracht“ gewartet. Das war der Frachter, der unsere Nubia nach Hause bringen sollte. Da las ich im Internet von einer Firma in Schleswig, die zu verkaufen war. Ein Herr Overmann vercharterte dort drei nordische Folkeboote und wollte den Laden aus Altersgründen verkaufen. Ich habe mir vorgenommen, da mal vorbei zu schauen, wenn ich wieder zu Hause bin.
float: Dann bist Du zurückgekommen und hast die Charterei übernommen?
Mike Peuker: Nee. Ich bin nach Schleswig gefahren und habe drei vollkommen desolate Boote zu einem völlig überteuerten Preis vorgefunden. Da dachte ich: „Das kannst du besser“, und habe erstmal zwei Schiffe gekauft, restauriert und versucht, sie auf der Elbe an den Mann zu bringen. Ich kann dir sagen: Der totale Flop! Niemand will auf der Elbe Folkeboote chartern. Wir sind dann nach Wendtorf weitergezogen. Das war schon wesentlich erfolgreicher. Im Jahr 2 sind wir irgendwie nach Maasholm gekommen, dort aber nicht etwa in den großen Yachthafen, sondern in die kleine Modersitzki-Werft. Das war der beste Schachzug.
Von da aus lief es geradezu super. Kein Konzept zum reich werden, aber definitiv eins zum Spaß haben. Ach ja, und die Schleswiger Boote hat Nicolas gekauft und auch verchartert – Also waren wir zu zweit mit unseren „Nischenunternehmen“ auf der Schlei. Nachdem ich anfangs darüber nachgedacht habe, Löcher in seine Boote zu bohren, habe ich mich umentschieden und wir haben uns angefreundet. Jetzt ziehen wir an einem Strang, helfen uns, und nächstes Jahr geht unser gemeinsames Folkeboot-Treffen mit großem Erfolg ins dritte Jahr. Bitte merken: 20. Mai in Arnis. Ach ja, und Nicolas hat seine Boote wieder gut in Schuss gebracht.
float: Also kann man sagen, dass ihr nach der Reise nun in „Booten macht“. Was ist der Unterschied zu deinem früheren Leben als Pilot?
Mike Peuker: Katja hat früher für Umweltverbände wie Greenpeace, BUND etc. gearbeitet. Sie hat sich wieder einen Teilzeitjob in dieser Branche gesucht. Allerdings macht sie, wann immer Zeit ist, mit Herzblut bei der Firma mit. Sowohl schleifen und Lackieren im Winter als auch Einweisungen und Kundenkontakte in der Saison. Vor allem aber macht sie die Buchführung, für mich ein Kapitel mit sieben Siegeln. Vielen Dank dafür, das muss ja auch mal gesagt werden.
Unser Sohn Niklas unterrichtet die Kinder unserer Kunden in Seemannsknoten und Krebse angeln und für mich bleibt halt der klägliche Rest. Familienunternehmen, eben… Der Hauptunterschied ist: Wir sind mehr zusammen. Gerade im Winter bin ich immer da und arbeite an den Schiffen. Im Sommer sind wir viel gemeinsam an der Schlei. Perfektes Zeitmanagement. Früher habe ich drei Viertel meiner Zeit in irgendwelchen Hotels gesessen und darüber nachgedacht, ob das wohl der Sinn meines Lebens ist.
float: Das hört sich an, als hättest Du ihn gefunden.
Mike Peuker: Puh…. die ersten 20 Jahre fliegen waren auch genial! Ich sagte ja schon, alte Boote verchartern ist kein Konzept zum reich werden – jedenfalls nicht materiell. Nicht dass ich Reichtum vermisse, ganz sicher nicht, noch weniger Statussymbole, das interessiert mich alles nicht. Aber nochmal reisen wäre schon toll. Na das Schiff dafür haben wir ja noch…
float: Mike, tolle Geschichte. Danke für das Gespräch.
Ein Kommentar
Moin zusammen,
herzlichen Glückwunsch zum neuen float-Magazin-Konzept, sehr gelungen, wie ich finde. Das sage ich natürlich nicht nur, weil ich in der Erstausgabe „mitspielen“ durfte.
Vielen Dank an die „Macher“ für den schönen Artikel.
Gruß
Mike