Er war zeitweise Kapitän von drei Schiffen: Nils Brandt (55) gibt das Kommando über die „Gorch Fock“ ab, nach acht Jahren, über die er auch im Podcast float Originals berichtet. Das zweite Kommando ließ er bereits im letzten Herbst hinter sich. Es war das über das graue Wohnschiff „Knurrhahn“, das während der Restaurierung der Bark nebenan im Werfthafen dümpelte. Diese beiden Schiffe prägten die acht Jahre, die Brandt den populären Posten auf Deutschlands einzigem Marine-Rahsegler versah.
Tatsächlich hat der gebürtige Kieler die meiste Zeit, die er für den Stolz der deutschen Marine verantwortlich war, nicht an Bord verbracht. In diese Epoche fällt übrigens auch das dritte Schiff unter Brandts Kommando: Die Alexander von Humboldt II, einer der neuesten Rahsegler der Welt, wurde 2020/21 von der Marine für Ausbildungsfahrten gechartert, weil das Flaggschiff nicht zur Verfügung stand. Nur etwa zweieinhalb Jahre konnte er mit der „Gorch Fock“ auf Ausbildungsfahrt gehen.
So gesehen, dürfte der Kapitän zur See eigentlich zufrieden auf seine jüngste Fahrenszeit zurückblicken. An Abwechslung wird es ihm zwischenzeitlich kaum gemangelt haben. Wenn da nicht die öden Monate auf der Knurrhahn, dem schwimmenden Wohncontainer in Bremerhaven, gewesen wären.

„Sturm erprobt und Leid geprüft“
In dieser Zeit ließ er von der Crew ein Logo entwickeln, das bald alle als Aufnäher am Marine-Caban trugen: darauf natürlich die stolze Bark, anders als der traurige Torso im Schwimmdock mit Masten und vollem Zeug daran. Darüber der Satz „Wir sind Gorch Fock“ – eine Formel, die verdeutlicht, wie wichtig der Zusammenhalt und die Identifikation mit dem Schiff war in der Phase, als vom Schiff nicht mehr viel übrig war. Darunter der lange Zeit aktuelle Liegeplatz „Dock 16-19“ und das Motto „Sturm erprobt und Leid geprüft“.
Das Leid schlug in hohen Wogen über Kapitän und Crew zusammen, mit jeder Hiobsbotschaft aus der Werft, was noch alles kaputt und reparaturbedürftig sei und die Werftliegezeit verlängerte. Die in Tsunami-Höhe wachsende Kostenrechnung, die längst nicht mehr mit praktischem Nutzen gerechtfertigt werden konnte. Zuletzt die Pleite der Werft und Ermittlungen gegen die Werftleitung wegen Korruption und Unterschlagung einer zweistelligen Millionensumme.

„Es gab Phasen, in denen ich mich häufiger gefragt habe, warum ich das noch machen soll. Letztendlich hat meine Besatzung mich immer wieder motiviert und meine Familie, besonders meine Frau, hat mich großartig unterstützt“, resümiert Nils Brandt. Er wird nicht müde zu betonen, wie stolz er auf seine Crew ist. Die hat auch in der Bremerhavener Werft-Diaspora die Moral nicht verloren.
E-Mails entwerfen statt in See stechen
Brandt hat das also alles abgewettert. Lieber als die Stürme an Land wären ihm gewiss die echten Elemente auf See gewesen. Die Gorch Fock bei zwölf Knoten Maximalgeschwindigkeit unter Vollzeug im heulenden Sturm. Der erhebende Anblick von drei Masten, in denen über Hundert Frauen und Männer herumturnen und die Rahen klarmachen. Die See bei Sonnenaufgang von Bord eines Dreimasters. Stattdessen hat Brandt im Wohnschiff E-Mails mit vorformulierten Sprachregelungen entworfen, um seiner Besatzung Hilfestellung zu geben für neugierige Fragen aus der Verwandtschaft. Wie muss ihn das genervt haben.

Der Kieler hat eine klassische Marine-Karriere absolviert. Als Kadett war er bereits auf der „Galeere“. So wird die Gorch Fock halb spöttisch, halb verächtlich unter den Offiziersanwärtern genannt. Denn hier ist alles mit schweißtreibender Handarbeit – natürlich im Wesentlichen der Kadetten – zu machen. Vom Brassen, dem Ausrichten der tonnenschweren Stahlrahen nach dem Wind, bis zum Anker auf. Drei Monate dauerte diese Zeit, die ihn – wie viele – prägte.
Schon als kleines Kind auf dem Schiff
15.000 männliche und weibliche Offizier- und Unteroffizieranwärter wurden bisher auf den Planken der Gorch Fock ausgebildet. Warum das unbedingt auf einem altertümlichen Segelschiff erfolgen muss, kann Brandt aus eigener Erfahrung begründen. Weil die Ausbildung auf einem Rahsegler erst das Verständnis für die Grenzen erzeuge, die dem menschlichen Vermögen durch die Natur gesetzt werden. Und weil eine Crew erst durch die gemeinsame Leistung an Bord zusammenwachse.
Brandt, der schon als kleines Kind auf dem Schiff seines Großvaters mitfuhr, wollte immer zur See. Er verwarf eine Karriere bei der Handelsschifffahrt, weil ihm das wirtschaftlich unsicher erschien. Er diente sich hoch, kommandierte zwischenzeitlich eine Fregatte und kehrte 1996 und 2004 in verschiedenen Verwendungen an Bord der Gorch Fock zurück.

float wird in Kürze im Podcast float Originals mit Brandt über seine Zeit an Bord sprechen.