Der Kapitän verlässt als letzter das Schiff. Für mich hat er das Steuer auch heute noch fest in der Hand: Haddock, Kapitän zur See, bester Freund von Tim. In diesen Tagen wird der wichtigste Weggefährte von Tim, Freund und Widerpart in zwei Dutzend Abenteuern, 80 Jahre alt. Für Millionen jugendliche Leser der Comics Tim und Struppi mag er die erste Begegnung mit maritimen Archetypen gewesen sein – im Guten wie im Bösen. Haddock ist unglaublich präsent, ein Mann der Tat, mit Seebeinen und zupackender Hand.
Doch zugleich ist er ein Tollpatsch, dem dauernd Missgeschicke unterlaufen. Und der immer wieder zu tief ins Glas schaut. Für Tim lässt er sich auf jedes Abenteuer ein. Angst hat er nur vor einem: den Arien der Operndiva Castafiore. Die erinnern Haddock an „den Hurrikan, der uns packte, als wir vor den Antillen kreuzten.“
Dass Seebären einen Hang zum Hochprozentigen haben, ist mir seit meiner Grundschulzeit feste Gewissheit. Seitdem mir erstmals in einem der bunten Comic-Abenteuer von Tim, dem blassen belgischen Kinds-Helden, diese malerische Gestalt begegnete: immer im blauen Seemannspullover, auf dem ein Ankermotiv prangt, mit Tabakspfeife und Kapitänsmütze.
Hunderte Flüche des Kapitäns
Fährt er immer noch über die Weltmeere? Oder hat er sich längst zur Ruhe gesetzt, vorm Kamin in seinem (fiktiven) Schloss Mühlenhof, mit einer Pulle geliebten (ebenfalls fiktiven) Loch Lomond-Whisky?
Zu gönnen wäre es dem Fahrensmann: Nach diversen kräftezehrenden Reisen auf den Mond, nach Tibet und in mehrere fiktive (Unrechts-)Staaten hat er bekanntlich Wohlstand erworben. Und Ruhe verdient. Ruhe, um sich neue Flüche überlegen zu können. Wer jemals einen Tim-und-Struppi-Band in Händen hielt, wird zumindest von den Verwünschungen beeindruckt gewesen sein, die der Kapitän zu jeder Gelegenheit (und gegen jeden) hervorstoßen kann. Manche dieser Schimpf-Kanonaden ziehen sich über eine halbe Seite.