Der blaue Teppich ist ausgerollt. Die ersten fünf Schiffe des Golden Globe Race 2022 stehen kurz vor dem Photogate in Kapstadt. 20 Minuten wässriger Laufsteg unter gerefften Segeln, dann schluckt die Segler (und die eine Seglerin) wieder die Weite der See.
Das Photogate in Granger Bay ist von der Uferpromenade aus gut zu sehen. Außerdem wird eine Armada an Jubelschiffen auf Rufweite gehen. Aber: Just look, don’t touch! Die Einhandsegler dürfen keinen Kontakt zu niemandem (außer den Offiziellen) aufnehmen.

Der Brite Simon Curwen führt die Flotte seit dem Start an. Er passierte auch Sonntagnachmittag als Erster das Gate, trotz gebrochenem Genuafall. Den Bug gen Tafelberg wirft er den Anker und gönnt sich eine Plauderminute mit dem Impressario des Golden Globe Race, Don McIntyre, der mit seinem Begleitboot auf Selfiestick-Abstand bleibt. Mr. Curwens Scheitel sitzt korrekt. Er konstatiert: „Ich schlafe gut, das Boot fährt gut. Aber die wirklich großen Wellen kommen ja erst noch …“
Direkt ist nicht unbedingt schnell
Einen Tag später folgt auf Curwen die Südafrikanerin Kirsten Neuschäfer. Es ist nicht der Sog der Heimat, der ihr Flügel verleiht, sondern ein navigatorischer Schachzug. Sie fährt einen Bauch nach Süden, um den Gegenwinden auf der direkten Strecke auszuweichen. Das wird mit dem zweiten Platz belohnt. Der Viertplatzierte Pat Lawless hat sich für die gleiche Route entschieden.

Schutzlos auf dem Atlantik – dabei denkt der Laie an Monsterwellen und Gewitterfronten. Aber für einige der Teilnehmer am Golden Globe Race wird etwas zum größten Ärgernis, das man problemlos zwischen zwei Finger klemmen kann: Seepocken. Die hartnäckigen (und genderfluiden) Tierchen trampen außenbords mit und bremsen die Schiffe. Dem scheint auch kein Coppercoat gewachsen zu sein.
Dennoch: Zwei Monate von der Atlantikküste Frankreichs an die Südspitze Afrikas, das klingt nach einem nahbaren Abenteuer auch für Segel-Amateure. Wir können alle ein bisschen Bernard Moitessier sein!