Alles begann mit „Irmi“, einer Becker 27 aus Schweden aus den 1970ern. Auf Irmi hatte Kim mit dem Leben an Bord begonnen und weil es ihr so viel Spaß machte, sich ein Jahr später ein größeres Boot mit Stehhöhe geleistet. Sie hatte viel dafür gespart. 2019 kaufte sie eine Bavaria 300 mit 9,50 m. Zwischen den Booten hatte sie bei einem Kumpel in der Achterkoje untergewohnt. Es war ein wirklich gutes Jahr gewesen auf der Bavaria und letzten Winter hatte sie sogar Eis und Schnee getrotzt.

„Die Bavaria hatte genau die Raumaufteilung, die ich mir immer gewünscht habe. Mit einer netten Kombüse, einer Navi-Ecke, einem gemütlichen Salon, einem Vorschiff, einer Achterkammer.“ Die Bavaria hatte alles, aber in Miniformat. Auf Dauer wurde es zum Leben dann doch ein bisschen eng, fand Kim.
Aus Freundschaft wurde Liebe

„Wir haben die Internetportale durchsucht, um herauszufinden, was wir suchen. Aber sein wir mal ehrlich: Ersparnisse waren keine da.“ Kim wohnte bereits auf ihren, der Bavaria. Sie waren ihr Kapital. Ihr Freund hatte nichts zurückgelegt. „Wir hofften also, ein Schiff zum Freundschaftspreis zu finden. Wir wollten gerne großes Glück haben.“
Eines Morgens fanden sie auf Ebay-Kleinanzeigen das Schiff, dass sie cool fanden. In der Anzeige stand kein Preis. Es hieß nur: für Kurzentschlossene. Kommen Sie vorbei, machen Sie uns ein Angebot, am Sonntag wird entschieden.

Das Schiff lag in Bremerhaven und sie fuhren samstags von Kiel aus hin. Einfach nur angucken, sagten sie sich. „Wir wurden sehr nett empfangen. Der Eigner hatte das Boot schon aus erster Ehe und konnte es lange nicht abgeben. Es war eben eine Obsession“, lacht Kim. Der Eigner suchte etwas kleineres und moderneres aus GFK und es wurde auch bei ihm eine Bavaria.
Obsession – der Name ist Programm
Als der Eigner das Paar über das Boot führt, hatte Kim sofort kreative Ideen. Sie wusste gleich, was man wie stellen und schön machen könnte. „Es war vom ersten Moment ein freundliches, gemütliches Schiff. Es hatte eine sympathische Ausstrahlung und passte gut zu uns.“
Die „Obsession“ ist eine Vanguard 1300 von 1980 aus der Feder der holländischen Werft Koopman. Eine Ketch mit 47 Fuß Länge über alles, aus Stahl mit 18 Tonnen Gewicht, einem Mittelcockpit und ausgelegt für die Langfahrt. Es gibt eine große Kombüse, überall Stehhöhe und sieben Kojen in drei Kabinen, wovon eine eher eine Lotsenkammer ist als Stauraum. „Wir haben einen großen Salon, in dem wir mit Freunden Poker spielen und in großer Runde essen können hier in unserem Wohnhafen in Kiel“, freut sich Kim.


Kaufen und Verkaufen
Als es im Gespräch mit dem Eigner dann um den Preis ging, trauten sich Kim und Martin nicht, ein Gebot abzugeben, ihr Budget war ja nicht hoch. Sie drehten den Spieß um und fragten den Eigner, was er sich vorstelle. 10.000 Euro, meinte er. Sie dachten: Das kann er nicht ernst meinen! „Das war ja machbar für uns. Meine Bavaria war mehr als das Doppelte wert.“ Kim wusste: Wenn sie die Bavaria verkauft, hat sie sogar noch das Geld für die Refitmaßnahmen und Instandhaltungen übrig. Noch am selben Abend sagten sie zu. Aber Kims Budget schwamm noch im Wasser. Sie konnte mit dem Eigner der Obsession einen Monat aushandeln, um in der Zeit die Bavaria zu verkaufen.
Kim stellte sie noch am selben Abend ein. Es kamen reihenweise Leute zum Besichtigen. „Das war sehr aufregend und anstrengend. Und ich hatte den Druck im Nacken, dass das Boot in vier Wochen weg sein musste“, erinnert sie sich. Es gab schließlich einen Interessenten, der segelinfiziert war und ein Boot für sich und seine Familie suchte. Ende September – zum Ablauf der Frist – übernahm er die Bavaria zu einem sehr guten Preis. Weil der Besitzer der Obsession schon eine Anzahlung haben wollte, lieh sie sich das Geld von einem Freund. Der Verkauf ging glatt und Kim war heilfroh!

Die Übernahme
Kim und Martin haben das Schiff Ende September in Bremerhaven übernommen und mit einem Freund mit Kapitänspatent nach Kiel überführt. Ein Langkieler verhält sich anders, schiffiger als die gewohnte Bavaria. „Das hältst du nicht mehr mit dem Fuß ab beim Anlegen. Die ist so schwer mit ihren 18 Tonnen, da muss man mit Technik und Motorkraft arbeiten.“ Drei Tage fuhren sie bis Kiel unter Motor. Zu Hause maunzten Kims junge Kater, die zum ersten Mal allein an Bord waren. Der alte Perkins war während der Fahrt kaum zu überhören.


Im Heimathafen angekommen, konnten sie den Liegeplatz gegen einen größeren tauschen. Eine Woche lang haben sie eingeräumt und ein bisschen renoviert, dann sind sie bei mildem Herbstwetter zum ersten Schlag auf die Ostsee aufgebrochen. „Ich wollte eigentlich gar nicht, aber Martin meinte, es ist total wichtig, dass wir vor dem Refit noch positive Erlebnisse mitnehmen.“

Unterstützung erwünscht
Das neue, alte Schiff braucht jetzt erst mal Pflege. Einen neuen Kaminofen hat Martin, der Tischler gelernt hat, schon eingebaut. Die Holzdecke ist weiß lackiert, einen neuen Herd gibt es auch, der alte roch nach Gas. Das Bett haben sie vergrößert und die Wasserhähne ausgetauscht. Als Nächstes muss das Schiff aus dem Wasser und dann soll das Teakdeck runter. Wenn Rost darunter ist, beginnt die Arbeit erst richtig. Dann muss geschweißt werden und dafür muss die Holzvertäfelung innen abgenommen werden.


„Martin hat ja den Durchlass für den Ofen gesetzt und da sah das Deck gut aus“, meint Kim beruhigt. „Nach und nach müssen wir auch die Segel tauschen, die sind ja auch schon ein paar Tage alt, das Besansegel muss auf alle Fälle erneuert werden.“ Ein altes Schiff bedeutet eben Arbeit. „Um das Boot zu überarbeiten, brauchen wir Leute, die mit anpacken und uns unter die Arme greifen.“
Und plötzlich müssen sie sich Gedanken machen, wo sie mit dem Schiff an Land gehen. Wo ist es bezahlbar, und wer kann so ein schweres Schiff überhaupt rausnehmen? „Mit einer kleinen Nussschale kann man den Hafenmeister gegenüber mal kurz bitten, aber um das neue Boot aus dem Wasser zu heben, brauchen wir einen großen Kran. Ein Stahlschiff ist jetzt eine andere Kategorie.“
Hand in Hand
Wie oft, wenn man mit einem Partner neu zusammenzieht, gibt es zu Anfang Reibungen. Bei Kim und Martin war es nicht anders. „Wir hatten viele unterschiedliche Vorstellungen und haben über jede Kleinigkeit diskutiert, das hat das Zusammenleben an Bord erst anstrengend gemacht. Wir haben nicht bezweifelt, dass es richtig ist, aber wir mussten uns ganz neu zusammenruckeln.“
Die Enge an Bord begrenzt auch den Raum für sich selbst stärker als an Land.

„Wir haben die klassische Rollenverteilung an Bord“, gesteht Kim lachend. „Ich bin für Ordnung und Sauberkeit zuständig und Martin macht den ganzen Bau, das Grobe.“ Der Tischler hat auch schon in Bootswerften gearbeitet. Außerdem kann Kim gerade nicht schwer arbeiten, sie hat einen gebrochenen Fuß.
Pizza vor Anker
Als Erstes werden sie jetzt das Schiff aus dem Wasser heben und am Unterwasserschiff arbeiten. Dann kommt das Teakdeck dran. Dieses Jahr wollen sie gerne im Kieler Hafen bleiben. Martin und Kim arbeiten ja hier. Kim als Heilerziehungspflegerin im Baby- und Kleinkindbereich und Martin als Folierer im Bootsbereich. Beide arbeiten Teilzeit, um Zeit für das Leben an Bord zu haben.
„Wir wollen natürlich auch viel segeln und unterwegs sein. Im Sommer wollen wir nach Dänemark und dann soll es Pizza vor Anker vom Steinofen geben. Martin ist leidenschaftlicher Pizzabäcker. Wenn wir dann unsere Pizzaflagge hissen, kann man mit dem Beiboot vorbeikommen und Pizza essen.“