Keine Foils, aber voller Elan. Nach 20 Jahren startet am Samstag erstmals wieder ein deutsches Team bei einem Ocean Race. 2001/2002 gewann die Illbruck, damals das Hightech-Geschoss schlechthin. Der betagteren IMOCA „Einstein“ unter Skipper Robert Stanjek wird solch ein Triumph gegen die aktuellsten Klassenvertreter beim Ocean Race Europe kaum gelingen. Aber für Segelsensationen wird das deutsche Crew-Quartett diesen Sommer garantiert sorgen. Denn das Team hat es in sich!

Mit der Crew-Zusammenstellung ist dem Team um Manager Jens Kuphal und CEO Michael End ein echter Coup gelungen. Robert Stanjek erklärt die Auswahlkriterien: „Wir wollten die Kombination aus verschiedenen Schulen des Segelns zusammenbringen: die Erfahrung von den Olympiaklassen, aus dem Ocean Race und von der IMOCA-Klasse.“ Aus den verschiedenen Schulen haben sie sich nur die Besten herausgesucht.
Regattapower aus Berlin
Wie Jens Kuphal und Robert Stanjek kommt auch der „junge Wilde“ Phillip Kasüske aus Berlin. Der Finn-Segler hat wegen Corona sein Olympia-Engagement aufgegeben – und ist damit ein echter Glücksfall für die Einstein-Crew.

Außerdem geht die Engländerin Annie Lush mit an den Start. Sie hat sich nicht nur im Team SCA beim Volvo Ocean Race bereits die Meriten verdient, sondern war auch schon im Team Brunel von Bouwe Bekking dabei. Die Olympionikin und Ocean-Race-Veteranin brauchte keine Akklimatisierungszeit, und sie kennt Robert Stanjek seit 15 Jahren: „Es fühlt sich wie eine Familie an.“
Einen besonderen Coup landete das Team aus Berlin mit dem französischen Vendée-Globe-Teilnehmer Benjamin Dutreux an Bord. Wie man eine IMOCA ohne Foils zu Höchstleistungen bringt, hat er bei der letzten Vendée Globe bewiesen, als er mit seinem 13 Jahre alten Boot den neunten Platz belegte.

Mit Dutreux als Navigator hat das Offshore Team Germany deshalb für das einzige Boot ohne Foils in diesem Rennen genau den Richtigen gewonnen. Annie Lush als Match Racerin hat gelernt, Teams schnellstens zu koordinieren. Dutreux erlebte bei den Trainings an Bord eine tolle Disziplin und sehr akkurates Arbeiten. Das schlägt sich letztendlich in der Performance des gesamten Teams nieder.
Vier Spitzenathleten, die an einem Strang ziehen – wie geht das? „Das Entscheidende ist, dass das Team egofrei funktioniert“, gibt Robert Stanjek zu bedenken. Und er schiebt erleichtert hinterher: „Und die Erfahrungen aus den vergangenen Trainingseinheiten sind sehr gut!“
Junge Power im Offshore Racing

Bei float freuen wir uns auch auf das Rookie-Team der jungen Österreicher von „The Austrian Ocean Race Project“, die mit ihrer VO 65 segeln. Zu dieser Crew gehört auch Annika Möslein, die wir bereits zu ihrer rasanten Karriere interviewt haben. Egal, welchen Platz die Österreicher belegen werden: Der Enthusiasmus des jungen Teams ist kaum schlagbar.
Das Ocean Race Europe ist zum Warmlaufen vor das eigentliche Ocean Race geschoben worden. Denn das Ocean Race findet erst nächstes Jahr statt. Es wurde wegen der Corona-Pandemie auf Herbst 2022 verlegt. Und es wird wieder im spanischen Alicante starten. Das für dieses Jahr als „Ersatz“ entwickelte Ocean Race Europe ist Teil der IMOCA Globe Series bis zur nächsten Vendée Globe 2024/2025.

Beim ersten Ocean Race Europe gehen an diesem Wochenende im französischen Lorient zwei Klassen an den Start: die VO65 und IMOCA 60. Start ist am Samstag, den 29. Mai. Der Ziel wird voraussichtlich am 19. Juni ist Genua an der ligurischen Küste erreicht. Der 2.000 Seemeilen (umgerechnet 3.700 km) lange Kurs des Ocean Race Europe führt über Zwischenstopps in Cascais (Portugal) und Alicante in Spanien.
Kürzere Küstenrennen für mehr Spannung
Dazu kommen zwei kürzere Küstenrennen in Cascais und Genua, bei denen die drei Erstplatzierten Bonuspunkte erhalten. Als Auftakt zum Start der ersten Etappe von Lorient werden alle Teams am Freitag, den 28. Mai, ein Rennen ohne Wertung rund um die nahe gelegene Ile de Groix bestreiten.
Segler und Seglerinnen – jedes Team musss Frauen an Bord haben – aus 23 Nationen nehmen am Ocean Race Europe teil. Auf den Crew-Listen sind einige der größten Namen des internationalen Segelsports, neben einer Auswahl junger, talentierter Newcomer, die sich in der professionellen Offshore-Rennszene einen Namen machen wollen.

Und das sind die Teams…
Offshore Team Germany
Das Offshore Team Germany, das im beim Ocean Race 2022/23 die Welt umsegeln will, wird vom deutschen Olympioniken und Offshore-Skipper Robert Stanjek geskippert. Für das Ocean Race Europe hat Stanjek Annie Lush, britische Olympionikin und zweifache Weltumseglerin an seiner Seite, dazu den talentierten jungen deutschen Segler Phillip Kasüske und den französischen Solosegler Benjamin Dutreux, der beim Vendée Globe 2020-21 Platz 9 belegte. Der Onboard-Reporter des Teams ist Felix Diemer aus Deutschland.
11th Hour Racing
Das US-amerikanische 11th Hour Racing Team aus Newport, Rhode Island wird von US-Segler Charlie Enright, der bereits an zwei Weltumsegelungen des Ocean Race teilnahm, geskippert. Neben Enright sind der fünffache Weltumsegler Simon Fisher, Pascal Bidégorry aus Frankreich, ein Serien-Weltumsegler, der das Ocean Race 2017-18 mit dem Dongfeng Race Team gewonnen hat, und die zweifache Ocean-Race-Teilnehmerin Justine Mettraux aus der Schweiz an Bord.

Bureau Vallée
Louis Burton hat gerade den dritten Platz bei der Nonstop-Weltumsegelung Vendée Globe 2020-21 gemacht und führt schon das Bureau-Vallée-Team im The Ocean Race Europe an. Gerade hat er Pip Hare, die auch sehr erfolgreich die Vendee Globe gesegelt ist, ins Team holen können. Als Navigator ist der französische Segler Davy Beaudart an Bord und seine Frau Servane Escoffier, auch sie eine sehr erfahrene Hochseeseglerin.
Corum L’Épargne
Corum-L’Épargne-Skipper Nicolas Troussel ist vielleicht am besten für seine Erfolge im Solosegeln bekannt, denn er hat zweimal Frankreichs Solitaire du Figaro gewonnen. Der Franzose hat aber ein ebenso konkurrenzfähiges Trio von Talenten für seine Teilnahme am Ocean Race Europe zusammengestellt. An Bord der hochmodernen IMOCA 60 sind neben Troussel der französische Segler Sébastien Josse und das französische Paar Marie Riou und Benjamin Schwartz, die beide am Ocean Race 2017/18 teilnahmen.

Linked Out
Auch Thomas Ruyant, Sechstplatzierter bei der Vendée Globe, geht auf seiner LinkedOut, einer IMOCA 60 der neuesten Generation nach kurzer Pause, schon wieder an den Start. An seiner Seite ist die schnellste Weltumseglerin der Welt, die junge Französin Clarisse Crémer. Weiterhin unterstützen Morgan Lagravière, Ruyants Co-Skipper bei der Zweihand-Transat Jacques Vabre, und Quentin Ponroy, Laurent Bourguès das Team.
Die VO65-Flotte
Die VO65-Klasse wurde bei den letzten beiden Weltumsegelungen des Ocean Race eingesetzt und ist für auch für eine dritte Weltumsegelung in der kommenden Ausgabe 2022/23 vorgesehen. Gebaut nach einer strengen One-Design-Regel, sind die Boote in jeder Hinsicht identisch und daher extrem gleichwertig. Die VO65-Division im Ocean Race Europe besteht aus zwei Teilnehmern – aus den Niederlanden sowie je einem aus Österreich, Litauen, Mexiko, Polen und Portugal.

AkzoNobel
Das unter niederländischer Flagge fahrende Team AkzoNobel Ocean Racing wird von dem australischen Skipper Chris Nicholson angeführt, einem der erfahrensten Weltumsegler. Die internationale Besetzung des Teams vereint Erfahrung und jungen Talente. Zur Crew gehören der Brite Will Harris als Steuermann sowie die Australier Liz Wardley und Lucas Chapman als Bootskapitän und Wachführer.
Ambersail-2
Das litauische Team Ambersail-2 wird von dem litauischen Skipper Rokas Milevičius angeführt. Er ist Olympiasieger von London 2012. Zur Crew gehören der Vendée-Globe-Teilnehmer von 2016, Conrad Colman (NZL) als Navigato, sowie die litauischen Segler Domantas Juškevičius, Deimantė Jarmalavičiūtė sowie Tomas und Linas Ivanauskas.
The Austrian Ocean Race Project
Unter der Leitung des holländischen Skippers Gerwin Jansen – einem erfahrenen Offshore-Racer mit sehr gutem Ruf – ist das Austrian Ocean Race Project ein junges und ehrgeiziges Team internationaler Segler. Gemeinsam ist ihnen der Enthusiasmus für Big-Boat-Segeln. Die Neuen im Offshore-Regattazirkus planen, das Ocean Race Europe zu nutzen, um sich zu profilieren.

Für das Ocean Race Europe wird das Team eine Kerncrew von Seglern einsetzen, die aus Oliver Kobale (AUT), dem Navigator Jolbert van Dijk (NED), den Wachführern Michiel Goegebeur (NED) und Konstantin Kobale (AUT) sowie der Segeltrimmerin Anna Luschan (AUT) besteht. Weitere SeglerInnen wie Annika Möslein werden auf den einzelnen Offshore-Etappen mit dabei sein.
Mirpuri Foundation Racing Team
Das portugiesische Mirpuri Foundation Racing Team wird von dem bekannten französischen Ozeansegler Yoann Richomme angeführt. Die Crewliste ist vollgepackt mit Seglern des Ocean Race von 2017-18 – plus einigen Neulingen.
Sailing Poland
Den wohl berühmtesten Ocean-Race-Skipper hat das Team von Sailing Poland gewinnen können. Der Holländer Bouwe Bekking ist seit seiner ersten Weltumsegelung 1985/86 ein Synonym für das Ocean Race. Verstärkt wird er durch den norwegischen Navigator Aksel Magdhal, Jens Dolmer aus Dänemark als Bootsführer und den jungen, erfahrenen Simbad Quiroga aus Spanien als Bugmann. Die Youngsters in Bekkings Team sind polnische Seglerinnen und Segler. Ihre Namen sind Maja Micińska, Anna Weinzieher, Alan Alkhatabn, Stan Bajerski, Kacper Gwóźdź, Mateusz Gwóźdź und Gustaw Miciński.
Childhood I
Das Team Childhood I skippert der zweimalige niederländische America’s-Cup-Sieger Simeon Tienpont. Er kommt mit einer erfahrenen Kerncrew. Sie besteht aus den Niederländern Gerd-Jan Poortman, Peter van Niekerk und Wouter Verbraak (Steuermann) sowie dem ehemaligen Olympioniken Pieter-Jan Postma. Zusätzlich hat das Team einen Pool von talentierten niederländischen, schwedischen und südafrikanischen Seglern zusammengestellt.
Viva México
Der Skipper von Viva México, Erik Brockmann, ist trotz seines eher nordisch klingenden Namens ein mexikanischer Segler. Er hat zuvor zwei mexikanische Teams in der Extreme Sailing Series angeführt und tausende Seemeilen auf dem Meer zurückgelegt. Darunter sind sechs Ausgaben des prestigeträchtigen Transpac Race. Brockmann wird unterstützt von den erfahrenen Wachkapitänen Jaime Arbones und Roberto „Chuny“ Bermúdez, sieben Mal Teilnehmer beim Ocean Race.
Selbst beim Start dabei sein?
Der Startschuss für das Rennen fällt am Samstag, den 29. Mai, um 13.45 Uhr. Der Auftakt wird live auf Eurosport übertragen und kann international auf der Website von The Ocean Race Europe und auf dessen Kanal auf YouTube und Facebook gesehen werden. Die Übertragung beginnt um 13.30 Uhr.