Die Zeit verstreicht langsam auf einem Schiff, wenn es seit Monaten im Hafen liegt. Zum Glück stehen Klaus Kremer eine Balkonkabine und ausreichend kühle Getränke zur Verfügung, wenn er nicht gerade arbeitet. Zu dem Zeitpunkt, als er mit float spricht – im Winter 2022 – ist gerade Corona. Und die meisten Kreuzfahrtschiffe sind zum Stillstand verurteilt.
Eigentlich würde Kremer jetzt über den Atlantik fahren. Denn der Kölner ist seit 15 Jahren Chefkoch auf der „Queen Mary 2“, dem letzten Oceanliner der Welt.
float: Wie geht es Dir?
Klaus Kremer: Sehr gut! Aktuell bin ich auf der „Queen Victoria“, die ist Hilfsschiff von der Reederei Cunard, für Crew und Gäste der anderen Schiffe, die zur Zeit die Wintersaison in der Karibik verbringen. Die Victoria legt im April ab, danach gehe ich auf mein Schiff zurück, die Queen Mary 2. Die fährt erst seit drei Monaten wieder.
Warst Du dort während der Pandemie an Bord?
Im vergangenen Jahr in Southampton. Aber nur mit einer 150-köpfigen Mannschaft, die ein stehendes Schiff aufrecht erhalten hat, Wasserleitungen laufen ließ, Toilettenspülungen machte, Generator laufen ließ. Man kann ein Schiff nicht wie ein Auto abstellen, Schlüssel umdrehen und fertig, sondern man muss die ganzen 1 ¾ Jahre, die wir jetzt gestanden sind, immer ein Minimum von 150 Mann an Bord haben.
Einer davon warst Du.
Ja. Und wir mussten als Köche die 150 Leute verpflegen. Das war sehr luxuriös. Wir hatten einen Tag vor Abbruch der Reise noch Ware eingekauft für 1200 Mannschaft und 2700 Gäste. Unsere Kühlhäuser waren bis oben unter die Decke voll.
Was gab es zu essen?
Die Crew bekam Filetsteaks, Hummer, Shrimps, die beste Ware. Wir mussten das ja verwenden, sonst wäre das Verfallsdatum abgelaufen und man hätte es wegschmeißen müssen.

Konntest Du Deinen Speiseplan einteilen, wie es Dir passte?
Ich konnte praktisch aus dem Vollen schöpfen. So viele Ware können wir gar nicht verzehren. Daher haben wir in Southampton, wo wir vor Anker lagen, noch ganze Paletten als Lebensmittelspende rausgegeben.
„When comes the Lobster?“
Hat der Crew das ungewohnte Essen geschmeckt?
Die schlimmste Beschwerde von Gästen, die ich kenne, ist die: „When comes the lobster at last?“, also wann kommt endlich mal Hummer?… Bei der Mannschaft war das: „Wie, schon wieder Hummer?“ Wir haben jeden zweiten Tag Hummer serviert, weil wir ihn verbrauchen mussten. Die Mannschaft hat das genossen. Ich habe nur gesagt: Vorsicht, irgendwann geht das wieder zurück zum Normalen.
Und was ist das Normale?
Zwei Drittel der Crew kommt von den Philippinen. Die würden so was wie wir, Gulasch oder Sauerbraten, gar nicht essen. Wir haben spezielle Köche, die nur für die Philippinos kochen, dreimal am Tag Reis, da hast Du in sieben Tagen für die Mannschaft vier Tonnen Reis. Da kommt eine Brühe mit Rindfleisch oder Schweinefleisch dazu, das ähnelt einer Suppe.

Hat das Crewessen einen anderen Nährwert?
Früher war das irrelevant. Heute fangen wir damit an, dass wir gesünder kochen. Wasser zum Trinken, Salat anstelle von schweren Sachen. Wir haben ja im Prinzip drei Nationalitäten in der Mannschaft: Philippinos mit Reis, die Inder mit ihrem Curry, und dann die Europäer. Für die drei Gruppen kochen wir. Mittlerweile gibt’s dann ja noch Tänzerinnen an Bord und Leute, die im Spa arbeiten, die ein bisschen anders essen, etwas mehr an ihre Figur denken. Damals haben wir umgestellt, nicht so viel von dem Deftigen wie früher, stattdessen Leichtes, Früchte, Salate.
Und die Crew geht mit?
Alle, bis auf die Philippino-Crew. Reis ist in deren Natur, die essen das dreimal am Tag. Ich sagte mal zu einem: Du hast hohen Blutdruck, dann iss‘ doch bisschen weniger Reis. Da sagt der: Geht nicht. Ich sage: Wie, geht nicht? Der: Ich kann nicht! Inzwischen kochen wir auch vegetarisch und vegan. Aber Lobster essen sie alle, egal welche Diät sie haben.

Wie lange kochst Du auf Kreuzfahrtschiffen?
Ich bin jetzt bei 35 Jahren bei Cunard, bei denen werde ich wohl auch in Rente gehen. Aber ich koche auch an Land: Ich habe ja zwei Monate Urlaub nach einer viermonatigen Schicht, dann mache ich Kochkurse und andere Spielereien. Weil: Ganze zwei Monate nix tun, das kann ich nicht. Neulich war ich im Skiurlaub in der Schweiz, da wäre ich am liebsten in die Küche gegangen, aber das ging nicht. Der ließ mich nicht (lacht).
Kochen im 600-Liter-Kessel
Gibt es Unterschiede beim Kochen auf einem Schiff gegenüber an Land?
Im Prinzip nur von der Menge. Bei mir ist kein kleiner Topf auf dem Herd, sondern ein Dampfkessel, der 600 Liter nimmt. Von den Rezepten her: Überall wird nur mit Wasser gekocht, die Zutaten sind die gleichen, aber ich habe nicht so viel Personal für die Gäste wie zum Beispiel in einem Sterne-Restaurant. 220 Personen in zehn Küchen, davon sind 150 Köche und 70 Hilfskräfte, die in der Spülstraße stehen und die Küche saubermachen und so weiter. Also mit den 150 muss ich 14.000 Essen am Tag kochen. Und das kann ich nicht mit einem Restaurant an Land vergleichen, mit 80 Sitzplätzen und dafür 20 bis 25 Köche.

Wie sieht Dein Arbeitstag an Bord aus?
Ich mache da täglich meinen Rundgang. Das größte Restaurant Britannia bewirtet 1200 Gäste pro Sitzung, wir haben zwei Sitzungen. Im Britannia fängt um 18 Uhr die erste Sitzung an, da haben die anderen noch nicht auf, ich kann mich also auf die große Küche konzentrieren. Und wenn dann da der erste Schwung raus ist, gehe ich weiter. Büffet ist den ganzen Tag offen, da kann ich zwischendurch schauen, ebenso in den Spezialitätenrestaurants. Das muss man alles unter einen Hut bringen.
Klingt mehr nach Controlling als nach Cooking …
Ja, klar! Deshalb mache ich das Kochen auch zu Hause, im Urlaub. Damit ich das nicht verlerne.