Anfang 2022 schreckte eine bürokratische Neuheit die Wassersport-Branche auf: Das Kleinschifferzeugnis war geboren. Es ist eine Ergänzung zum Sportbootführerschein. Wer auf einer Segelyacht oder einem Motorboot unter 20 Metern Länge einer gewerblichen Tätigkeit nachgeht, sollte diese zusätzliche Qualifikation erwerben.
Das betrifft im engeren Sinn Charter-Kapitäne, die mit ihrem eigenen Boot zahlende Gäste mitnehmen – wie dies vor allem im Sommer auf vielen Binnenrevieren wie den Berliner und Brandenburger Gewässern geschieht.
„Es kann doch nicht sein, dass man den vielen Beschäftigten der Wassersportbranche, die professionell mit Booten zu tun haben, aus heiterem Himmel einen zusätzlichen Führerschein aufbrummt“, hatte Karsten Stahlhut vom Bundesverband Wassersportwirtschaft seinerzeit in einer Pressemitteilung gewettert.
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… und offen lesbar für alle. Unterstütze uns jetzt als 💙 float friend, damit das so bleibt. Dein Beitrag macht float stark. Ich bin dabei!Auch der Deutsche Motoryachtverband (DMYV) und weitere Branchenorganisationen kritisierten die neue Regelung. Hintergrund: Die gesetzliche Definition war ursprünglich so weit gefasst, dass sie auch diverse Tätigkeiten erfasst, die nur am Rande mit gewerblicher Bootsführung zu tun hatten.

So monierten Charterunternehmen, dass sogar die Einweisung von Chartergästen nur noch von Personen mit Kleinschifferschein erfolgen dürfe. Auch für Überführungen oder Probefahrten nach Reparaturen sollte der Sportbootführerschein Binnen oder See künftig nicht mehr ausreichen. „Herr Minister Wissing, setzen Sie diesem unnötigen Bürokratiemonster bitte ein Ende!“, forderte der Bundesverband Wassersportwirtschaft den Bundesverkehrsminister damals auf.
Die Motivation der Regulierungsbehörden waren Sicherheitsbedenken. Die Wassersport-Lobby konnte die Bürokraten überzeugen, dass die bei der überwiegenden Zahl der rund 40.000 Branchenangehörigen unbegründet seien. Für die Prüfung wird es keinen Fragenkatalog geben, wie man es von den Führerscheinprüfungen her kennt. Stattdessen erfolgt eine allgemeine Sachkundeprüfung in verschiedenen Themenbereichen. Zusätzlich müssen Personen ab 60 eine arbeitsmedizinische Tauglichkeitsprüfung bestehen, die weit oberhalb der Kriterien des hausärztlichen Attestes für einen Sportbootführerschein liegt.
Eingeschränkte Personenzahl als Zielgruppe
Ganz abreißen lässt sich die administrative Zwischendecke nicht. Sie basiert auf einer EU-Richtlinie. Die Bundesregierung ist also – wie alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union – gezwungen, die Vorgabe in geltendes nationales Recht umzusetzen. „Aber sie war dabei weit übers Ziel hinausgeschossen“, so BVWW-Geschäftsführer Karsten Stahlhut gegenüber float. Eineinhalb Jahre später ist man auf einem guten Weg, das Kleinschifferzeugnis auf die grundlegenden Anwendungsfälle zu beschränken.
Stahlhut: „Das Kleinschifferzeugnis wird sich auf Tätigkeiten beschränken, in denen gewerblich und entgeltlich Personen oder Güter transportiert werden.“ Wichtig sei es insbesondere bei Personen, die „mit selbst zusammengeschraubten Booten nach Feierabend Fahrgäste transportieren“. Denn die sind bisher nicht versicherungspflichtig. Bis 2027 ist die Regelung außer Kraft gesetzt, sodass weiterhin der Sportbootführerschein als Dokument auch bei gewerblicher Nutzung einer Yacht ausreicht. Derzeit erarbeitet das Bundesverkehrsministerium einen neuen Vorschlag, den der BVWW diskutieren werde.
Nach Stahlhuts Einschätzung könnte es Anfang 2025 so weit sein, dass die überarbeitete Fassung in Kraft tritt. Laut BVWW hat das Bundesverkehrsministerium auch die Zahl der Personen geschätzt, die zukünftig das Kleinschifferzeugnis erwerben müssen: ganze 200 Seeleute. „Darüber waren wir auch amüsiert.“