Es ist ein kleines Trauma, und jeder, der dabei war, wird es bestätigen. Die Spaghetti waren wirklich ein Albtraum. So schlimm, dass ich mich noch heute, mehr als 30 Jahre später, daran erinnere. Ich war damals 15 Jahre alt, vielleicht 16. Es war jedenfalls der letzte Sommer, bevor ich meine ersten Segelscheine machte und meine Eltern mir ihr Boot, damals eine Neptun 22, anvertrauten. Sie sollten es mehrere Male bitter bereuen.
Aber das ist eine andere Geschichte. In diesem besagten Sommer segelte ich zusammen mit meinem Vater und einem guten Freund von mir in der Dänischen Südsee. Man könnte sagen: Unterwegs waren one and two half men.
Zur Belohnung kochte der Captain selbst
Hungrig waren wir nach einem langen Tag auf dem Wasser, und zur Belohnung kochte der Captain selbst: Spaghetti. Er öffnete eines dieser Fertiggerichte aus dem Discounter, stopfte die Nudeln in siedendes Wasser. Dann presste er erst den roten breiigen Inhalt einer Tüte in einen anderen Kopftopf,
leerte daraufhin die zweite Tüte mit den Gewürzen und goss Wasser auf.
Schließlich machte er das, was er „verfeinern“ nannte. Er öffnete eine Dose Corned Beef und bröselte es in die Soße. Und weil die Soße ihm so lecker erschien, dass sie wohl nicht ausreichen würden, drei hungrige Mäuler zu stopfen, „verlängerte“ er sie noch. Sprich, er nahm die doppelte Menge Wasser. Jetzt war die Soße so dünn, dass sie keinen Halt mehr an der Pasta fand. Keine Frage, wir wurden satt. Aber zurück blieb – unvergesslich – ein schaler Geschmack auf der Zunge und ein großer Haufen Müll.
Segeln ist Erholung – und natürlich auch Genuss. Es ist Leben in und mit der Natur. Wind, Wetter, Wellen, was kann es Schöneres geben? Doch der Genuss endet oft in der Pantry. In den Schränken tummeln sich Fertiggerichte und Dosenfutter, oft mitgebracht aus der Heimat. Der oft sehr beschränkte Platz im Kühlschrank ist Wichtigerem vorbehalten: Bier! Das kann ich sogar nachvollziehen.

Bordküche aus dem Discounter-Sortiment
Als Teenager wurde ich mit einer Bordküche sozialisiert, die alles lieferte, was die Regale im Discounter hergaben. An Bord müsse alles schlicht gehalten werden – das war das stechende Argument. Eine karge Küche als Tribut an das Leben auf See. Ich wärmte meine Hände an einer heißen Tasse Instantbrühe und schlabberte morgens Cornflakes. Ich kann nicht einmal sagen, dass es schlecht war.
Umso mehr war ich überrascht, was sich aus einer Bordküche zaubern lässt, als ich mit 30 Jahren begann, zusammen mit Freunden im Mittelmeer zu chartern. Als Skipper sah ich meinen Platz in der Plicht, nicht in der Pantry. Aber schon bald erkannte ich, dass der Job unter Deck deutlich wichtiger für die Stimmung an Bord war als meine Tätigkeit an Deck.
Es war ein Glücksfall, dass seit diesem ersten Törn ein Freund den Posten des „Proviantmeisters“ für sich annektierte und Großartiges leistete. Er hatte Spaß daran, die Crew mit immer neuen kleinen und großen Leckereien zu überraschen. Mal zauberte er mittags auf hoher See eine frische Pizza aus dem Ofen. Ein bisschen Mehl und Trockenhefe, dazu frische Tomaten angebraten, ein wenig Käse und viele Gewürze – fertig war der Snack, über den sich die ganze Crew freute.
Mal gab es zum nachmittäglichen Kaffee einen duftenden Kuchen. Nichts vergammelte im Schapp, nichts wurde weggeworfen. Ein altes Weißbrot blühte zu neuem Leben auf, angebraten in Olivenöl mit Knoblauch, mit Frischkäse statt Butter bestrichen und mit Fleischtomaten und Schinken garniert. Und das Ganze, mit geriebenen Käse und viel Oregano bestreut, dann ab in den Ofen.

Genauso aufregend wie die nächste Ankerbucht kann auch das nächste Abendessen an Bord sein. Das lernte ich. Und, dass es Sinn ergibt, auf dem Markt genau die Sachen einzukaufen, die man nicht kennt. Einfach, um sie auszuprobieren. Warum ist man sonst im Ausland? Und nur selten wird man enttäuscht.
Sonnenuntergang mit Dosenravioli
Meinen Beobachtungen nach gibt es zwei Arten von Seglern. Die einen, die ihre Pantry kaum nutzen. Zu mühsam. Zu wenig Platz. Nur zwei Flammen. Das sind gängige Ausreden. Sie gehen lieber Essen, wollen ihre kostbare Zeit auf dem Wasser nicht mit Abwasch vergeuden. Vollkommen nachvollziehbar!
Aber dann sitzen sie eines Abends in einer herrlichen Ankerbucht, die Sonne plustert sich noch einmal glutrot auf, ehe sie sich im Meer versenkt, Grillen zirpen und auf ihrem Teller ätzt Dosenravioli. Hat ein schöner Tag solch ein Ende verdient?
Bei der zweiten Spezies ist das anderes. Sie hat Kochen zum Genuss erklärt, Segeln und Schlemmen als Symbiose erkannt.
Gerade, wer im Mittelmeer segelt, wird verwöhnt von unglaublich frischem und gut schmeckendem Gemüse, das für wenig Geld auf dem Markt zu kaufen ist. Mit ein bisschen Gewürzen und Kräutern kann man ein Gericht damit quasi gar nicht versemmeln. „Aber das gammelt doch so schnell“, höre ich oft. Die Antwort ist: nein. Alles eine Frage der Lagerung.
In Netzen unter die Decke gehängt, bleibt Gemüse tagelang frisch – auch bei hohen Temperaturen. Und weil es ausdünsten kann, verfault es nicht, es trocknet – und ist damit immer noch eine hervorragenden Kochzutat. Der Geschmack wird schließlich konserviert. Gemüse baumelt bei mir direkt über der Spüle, immer griffbereit, Obst lagert weiter im Bug in einem schwebenden Korb.

Mittlerweile hat sich bei uns in der Marina ein kleiner Kochzirkel gebildet. Reihum wird auf den Booten gebrutzelt und gegrillt. Auch wenn wir in Buchten segeln, werden meist die Mahlzeiten gemeinsam eingenommen. Denn ob man für zwei oder acht Personen kocht, ist vom Aufwand her fast egal. Und wer nicht kochen kann, der schnippelt oder spült. Oder bringt den Wein mit. Das ist noch besser.
Das Beste beim Kochen an Bord ist der geringe Platz. Unweigerlich wird man dazu gezwungen, Ordnung zu halten und immer wieder zwischenzeitlich abzuwaschen. Sonst ist das Chaos perfekt. Das Wichtigste beim Kochen an Bord ist meines Erachtens, in Etappen zu arbeiten – und den Backofen mit einzubeziehen. Fleisch brate ich immer nur scharf an, dann wandert es eine Etage tiefer in den Ofen.


Was gut ankommt
Ein Favorit bei meinen Freunden sind die Hühnchenkeulen mit einer Marinade aus fein gehacktem Knoblauch und Ingwer dazu viel Cumin (also Kreuzkümmel), verrührt mit Olivenöl, wer es scharf mag mit viel Chili- und Paprikapulver. Die Schenkel nicht nur in der Marinade wenden, sondern sie muss unter die Haut gestopft werden, damit sie nicht verbrennt und in das Fleisch einziehen kann.
Der Bordofen, der etwas schwach auf der Brust ist, eignet sich hervorragend für langsames Schmoren. Sobald das Hühnchen im Ofen ist, brate ich bereits vorgekochte Kartoffeln mit Paprikapulver an, damit sie knusprig werden. In einer anderen Pfanne dünste ich Zwiebeln, Knoblauch, Paprika oder Auberginen an, alles was weg muss.
Zuletzt kommt alles in eine große feuerfeste Form, unten das Gemüse, dann die Kartoffeln und obendrauf die Hühnchenschenkel. Das ganze dann nochmal in den Ofen, bis das Fleisch fast von den Knochen fällt. Gegessen wird im Cockpit, in der Mitte die große Form.
Das einfachste Frühstück
Das einfachste Frühstück sind Pfannkuchen, auf ihre simpelste Art. Bestehend nur aus Mehl, Eier, Milch und wahlweise etwas Salz und Zucker. Zutaten, die jeder an Bord haben sollte. Wer es herzhafter mag, der rollt in die dünnen Fladen Schafskäse und kleingeschnittene Tomaten mit Kräutern, wer es süß mag, bestreicht sie mit Marmelade, Honig oder Schokocreme, wer es gesünder mag nimmt Bananen oder Äpfel. So ist für jeden etwas dabei.

Wer einen langen Segeltag vor sich hat, der freut sich allerdings über ein deftigeres Frühstück, das aber nicht schwer im Magen liegt: Shakschuka, eine Spezialität der israelischen Küche. Das Gericht wird aus pochierten Eiern in einer Sauce aus Tomaten, Chilischoten und Zwiebeln zubereitet. Sehr lecker, vor allem das Dippen mit dem Brot in der fruchtigen Sauce.
Das Schöne ist: Wer einmal angefangen hat, an Bord zu kochen, der wird andere damit anstecken. Und so gibt es bei uns mittlerweile eine Art Wettbewerb, bei dem es keine Verliere gibt, sondern nur Gewinner. Jeder will den anderen toppen – ein Genuss für alle. Und noch zwei angenehme Nebeneffekte hat das Kochen an Bord: Im Winter ersetzt es die Heizung. Und der Müllberg hält sich deutlich in Grenzen, wenn man auf frische Zutaten vom Markt zurückgreift. Ach ja, und gesünder soll es auch noch sein.

Rezept für Shakshouka (4 Personen)
2 Zwiebeln, 2 Zehen Knoblauch
2 rote Paprika
2 große Dosen (a 380g) ganze geschälte Tomaten oder frische Tomaten vom Markt
1 TL Tomatenmark
200 g Schafskäse
8 Eier
Olivenöl
1 Teelöffel Cumin (Kreuzkümmel) und Paprikapulver
1/2 Teelöffel (oder mehr je nach Schärfe) Chiliflocken
Nach Belieben frischer Koriander, Brot zum Servieren. Salz und Pfeffer.
Und so wird’s zubereitet:
Zwiebeln, Paprika und Knoblauch klein schneiden und in einer Pfanne in Olivenöl andünsten, bis sie weich sind. Den Knoblauch erst etwas später dazutun. Gewürze mit Tomatenmark dazugeben und anrösten. Tomaten dazugeben, vorsichtig zerdrücken und mit Salz und Pfeffer abschmecken. Etwa 10 Minuten einkochen lassen. Den Schafskäse in kleinen Stücken unter die Soße rühren. Mit einem Löffel kleine Mulden in die Soße drücken, darin die Eier aufschlagen. Ab in den Ofen damit, solange, bis die Eier gestockt sind (etwa 10 Minuten) Je nach Belieben vor dem Servieren mit Koriander bestreuen.
Guten Appetit!
Hier ist unsere gesamte Serie von Brambusch macht blau.
Ein Kommentar
„One Flame Kitchen“ ist eine der letzten echten Herausforderungen für Männer, Frauen kochen ja nicht mehr 😉 Der Ofen ist auch als Safe für empfindliche Sachen wie Eier oder vom Konditor mitgebrachte Leckereien gut.