Ob sie sich als emanzipiertes Seglerpaar sehen? Beide lachen. „Nein,“ sagt Claire. „Überhaupt nicht. Jeder macht einfach das, was er besser kann. Ich habe einfach keine Lust, den Decksaffen zu geben, der beim Anlegen zwischen den Leinen hin und her rennt, andere Boote abstößt und schnell noch mit dem Fender in der Hand zum Heck rennt. Da sitze ich doch lieber am Steuer. Aber das hat nichts mit Emanzipation zu tun.“ Sie lacht. „Das Einzige, was nervt, ist allerdings, dass die Marineros eine blonde, junge Frau am Steuer nicht erwarten. Also reden sie immer nur mit Zac anstatt mit mir am Ruder.“
Die beiden leben bereits seit einigen Jahren auf schmalen 35 Fuß zusammen. Geht man sich da nicht oft auf die Nerven? Sie schauen sich an. „Natürlich gibt es mal Stress“, sagt Claire, „und jeder braucht auch mal seinen Freiraum. Aber wir können uns an den gleichen Dingen erfreuen. Das ist wahrscheinlich das Wichtigste beim Leben auf einem Boot.“
Luxus brauchen die beiden jedenfalls nicht, um glücklich zu sein. Wenn die Bordkasse leer ist, fliegt Zac in die Heimat, um zu arbeiten. Je sparsamer sie leben, um so mehr Zeit haben sie zusammen an Bord. Das ist ihr Luxus.
Der andere Luxus
Eine oft zitierte Weisheit besagt: Segeln ist die teuerste Art, unbequem zu reisen. Der Luxus beim Leben auf dem Wasser besteht in den meisten Fällen aber weniger in materiellem Luxus als in Freiheit und Unabhängigkeit, dem Finden des Glücks im Moment, dem gemeinsamen Entdecken und Teilen. Und natürlich auch der Herausforderung, der Demut vor den Elementen und der brachialen Schönheit der Natur mit all ihren unangenehmen Eigenarten.
Das ultimative Rezept für eine glückliche Partnerschaft an Bord gibt es wahrscheinlich genauso wenig wie für eine Beziehung an Land. Aber es gibt einige Voraussetzungen. Für einen Urlaub mag es reichen, wenn sich der eine Partner dem anderen zuliebe auf das Abenteuer einlässt. Auf Dauer wird das aber nicht reichen. Beide müssen Spaß am Bordleben haben.
Nicht in der Lage, einen einzigen Knoten zu stecken
Um so erstaunter bin ich manchmal, dass auch bei Paaren, die seit 20 oder mehr Jahren regelmäßig Segeln gehen, die Frau manchmal nicht in der Lage ist, einen einzigen Knoten zu stecken oder die einfachsten Grundlagen des Segelns zu beherrschen.
Das sorgt unweigerlich für Stress. Bei ihr, weil sie Situationen nicht eigenständig einschätzen kann und immer auf die Meinung ihres Partners hören muss. Bei ihm, weil in Ausnahmesituationen eine helfende Hand fehlt. Wie gesagt, bei einem Urlaubstörn mag dieses Konzept aufgehen, auf lange Sicht sicherlich nicht.
Denn das Bordleben verlangt eine Menge ab. Beide müssen es mögen, beide müssen das Boot beherrschen, beide müssen Aufgaben teilen, beide dürfen sich nicht zu schade sein, auch unangenehme Jobs zu übernehmen. Humor ist dabei ein Schlüsselfaktor, lachen können, vor allem über sich selbst und die eigenen Missgeschicke. Und die gibt es zu Genüge. Man muss sich seine kindliche Neugierde bewahren, an kleinen Dingen erfreuen können.

Eine sternenklare Nacht, vorbeiziehende Delfine, ein heißer Kaffee in kalter Nacht, an der Sonne, wenn sie den verdunkelten Himmel durchbricht, an Wolken, die Schatten spenden, an der Flaute nach dem Sturm und dem Sturm nach der Flaute. Und man muss genießen können. Die kleinen Momente, die ganz groß werden, wenn man sie teilt. Nicht auf Instagram, sondern gemeinsam.
It’s a Man’s World
Eine Beziehung an Bord ist definitiv nicht einfach. Selbst Menschen, die einem Abenteuerurlaub nicht abgeneigt sind, kommen schon nach einigen Tagen an Bord an ihre Grenzen. Denn die sind, wie bereits erwähnt, eng gesteckt. Man muss das einfache Leben genießen können, die Reduzierung des Komforts als Maximierung der Erfahrungen annehmen, sich auf ein Wagnis einlassen.
Wer nach einer Ankerwache in einer regnerischen Sturmnacht damit hadert, dass das Bett klamm ist, sollte sein Vorhaben vielleicht noch mal überdenken. Wer sich daran erfreuen kann, wie gut die heiße Tütenbrühe am nächsten Morgen schmeckt, der ist auf dem richtigen Weg.
Es scheint, als könnten Männer diesem Leben mehr abgewinnen als Frauen. Zumindest suggeriert ein Blick in die Häfen das. Segeln scheint immer noch eine Männerdomäne zu sein, auch wenn die Segelvereine in Deutschland immer mehr Frauen als Mitglieder begrüßen dürfen. Auch gibt es mittlerweile spezielle Angebote für Seglerinnen – sogenannte Women’s Special, Ladies Sailing Weeks, Skipperinnentrainings oder Frauen-Yacht-Training. Auch kreuzen auf dem Mittelmeer immer öfter mal Frauen-Charter-Crews das Kielwasser. Im Vergleich zu den typischen Männertörns sind das aber nach wie vor Ausnahmen.

Die Liveaboard-Community ist nach wie vor eine „Men’s World“. Viele Yachten sind von alleinstehenden Männern bewohnt, Single-Frauen sind eine absolute Rarität. Nicht immer war die See die alleinige Braut dieser Seemänner. Vielmehr war sie die Einzige, die nicht Reißaus genommen hat.
Beziehungen, die an Land viele Jahre funktioniert haben, haben das Bordleben nicht überstanden. Umso verzweifelter wirken daher einige Skipper auf der Suche nach der perfekten Herzdame, andere haben sich mit kurzzeitigen Bekanntschaften arrangiert.
Liebe zum Segeln digital
Mittlerweile gibt es Online-Dating-Plattformen, die sich auf einsame Seglerherzen spezialisiert haben, wie beispielsweise Lovesail mit dem eindeutig zweideutigen Namen. Immerhin haben die Suchenden hier bereits eine Gemeinsamkeit. Die Liebe zum Segeln. Ob es auch für die Liebe beim Segeln reicht, das liegt wie immer und überall an ihnen selbst.

Lena und Rainer leben wieder auf einem Boot. Sie haben sich in der Türkei eine Bavaria 40 zugelegt. Der Katamaran ist immer noch in Spanien. Ein Tiefdruckgebiet zieht über die Südküste, die See ist aufgewühlt, selbst in der Marina schaukeln die Boote. Lena wankt wasserdicht eingepackt über den Steg durch den Regen. Trotzdem lächelt sie. Trotz aller winterlichen Widrigkeiten an Bord.
Rainer schraubt mittlerweile seit zwei Tagen unter Deck, installiert eine Heizung. Bereut sie es, wieder an Bord zu leben? Lena muss nicht lange überlegen. Nein, sie könne sich ein Leben in einer Wohnung gar nicht mehr vorstellen, sagt sie. Auch wenn es manchmal hart sei. Hat sie ein Rezept für eine glückliche Partnerschaft an Bord? Sie überlegt. „Ich glaube, ohne wahre Liebe ist es unmöglich.“