Du bist ja noch sehr jung – und doch schon in einem so ehrgeizigen Projekt involviert…
Angefangen zu segeln habe ich mit neun Jahren in meiner Schule in Stralsund. Ich fand es schon damals faszinierend, den Wind als Antrieb zu nutzen. Und ich merkte, dass es mir unheimlichen Spaß macht. Leider waren die Möglichkeiten, zu Regatten zu reisen, begrenzt. Als ich mit meinem besten Freund in den 420er umstieg, konnte ich fast nur lokal segeln und in Stralsund war leider nicht viel los.

Jetzt, als Manager und Skipper eines Melges-24-Teams, bist Du dem 420er ja entwachsen.
Das kam vor allem durch den Segelschulleiter Thomas Schenk von der Segelschule Dänholm. Er hatte eine Melges 24, die „Laika“, und suchte dafür einen Skipper. Da war ich gerade mal 14. Mit meiner Crew lernten wir, das Boot zu segeln und fuhren 2014 gleich mit dem Segelschulbus zu unserer ersten auswärtigen Regatta, die „Väterchen Frost“ in Hamburg.
Danach nahmen wir regelmäßig an Regatten teil und wurden von Jahr zu Jahr immer besser. 2017 wurden wir Deutscher Meister. Dann habe ich mich beim Trans-Ocean e. V. beworben und wurde aus 15 Bewerbern für die Mini-Transat-Kampagne 2021 ausgewählt.
Und deine Atlantikrunde?
Der Traum von der Atlantiküberquerung begann, als mir meine Freunde das Buch „Die magische Route“ von Wilfried Erdmann zum 17. Geburtstag schenkten. Vorher habe ich es nicht für möglich gehalten, mit meinen paar Kröten auf dem Konto einen Ozean zu überqueren.
Mein Mitsegler Valentin war ebenso begeistert, als ich ihm meinen Plan vorschlug, nach dem Abi eine große Tour zu machen. Wenn wir es machen, da stimmten wir überein, dann gleich in die Karibik. Das Schiff dafür, eine IW 31 von 9,30 Metern Länge aus den 1970er-Jahren, konnten wir für 6.000 Euro kaufen. Für das Budget inklusive Ausrüstung und Leben an Bord haben wir alle möglichen Jobs gemacht. Und dann ging es los.

Gab es seemännische Probleme?
Die IW 31 „Andiamo“ – zu deutsch Auf geht’s – ist ein gut gebautes, elegantes Schiff. Ein schwedischer GFK-Werftbau, designt von Sparkman & Stephens, so wie die Swans aus dieser Zeit. Wir haben versucht, möglichst oft schlechtem Wetter auszuweichen, um unser sehr betagtes Schiffchen zu schonen. Wir hatten ja Zeit.
Auf der Rückreise sind wir einige Tage gegen den Passatwind gesegelt und bekamen bis zu 32 Knoten Wind auf die Nase. Das war hart und sehr nass. Zum Glück war noch Badehosenwetter.
Was hat euch unterwegs am meisten beeindruckt?
Auf Dominica, dieser Hurricane-gebeutelten Insel, haben wir den Karneval erlebt. Wir hatten geankert, wo man eigentlich nicht ankern soll. Und wir sind ohne Guide zum „Boiling Lake“ gelaufen, obwohl es eigentlich schon zu spät am Tag war. Ein Einheimischer hatte uns diesen Geheimtipp gegeben. Die Menschen haben uns aufgenommen, als ob wir zu ihnen gehören, es war ein irres Fest. Unglaublich, welche Lebensfreude die Einheimischen haben, obwohl alle paar Jahre ihre Hütten weggeweht werden.

Irgendwann musstet ihr dann wieder zurück…
Ja, Valentin wollte studieren und ich die Mini-Transat-Kampagne angehen. Ich habe mich wahnsinnig gefreut, dass ich dabei war. Ich ahnte nichts von dem Aus. Weil wir beide nun auch das Langstreckensegeln lieben gelernt hatten, sind wir one-stop über die Azoren bis in den Nord-Ostsee-Kanal gesegelt. Am 2. Juli haben wir in der Brunsbütteler Schleuse nach 15 Tagen Segeln das erste Mal wieder festen und nach knapp zehn Monaten deutschen Boden betreten.
Wie hast Du die Nachricht vom Kampagnen-Aus aufgenommen?
Maurice hatte mit „Mex“ einige Regatten gesegelt. Ich war schon sehr enttäuscht, aber ich war bis dahin ja noch gar nicht richtig eingestiegen. Aber ich brenne für die Mini-Transat, ob mit „Mex“ oder mit einem neu anzuschaffenden Mini 6.50. Jetzt möchte ich viele Leute begeistern und einen neuen Sponsoren finden.
Es sieht auch schon sehr gut aus, ist aber noch nicht ganz spruchreif. Vor allem bin ich dankbar, dass die ein oder andere Spende hereingekommen ist, die es mir ermöglicht, mein Netzwerk auszubauen, vielen Menschen das Offshoresegeln näher zu bringen und sie dafür zu begeistern. Es zählt jede Unterstützung.

Wie geht es weiter?
Ich mache viel Öffentlichkeitsarbeit. Ihr seht die Aufkleber auf dem Boot, meine website ist online und ich habe einen Facebook- und Instagram-Account. Ich konnte seit meiner Rückkehr ein starkes Backup-Team aufbauen: Marketingagentur, Webmaster, Projektkoordinatorin, Social-Media-Beauftragter.
Die Gespräche mit Förderern, Ausrüstern und potentiellen Sponsoren laufen. Bootspunkt.de unterstützt mich beispielsweise mit einem E-Propulsion-Elektromotor und hilft beim Networking. Es geht voran.
Was hast Du bisher mit „Mex“ gesegelt?
Ende Juli konnten Melwin Fink und ich in Gdynia in Polen die Summerheat Double über 360 Seemeilen in Mini 6.50 Wertung gewinnen. Das Rennen sind wir jedoch auf Melwins Mini und nicht auf Mex gesegelt. Im September konnte ich aber mit Mex Dritter in meiner Gruppe und Erster unter den Mini 6.50ern beim Silverrudder Race, der größten Einhandregatta der Welt, werden.
Nebenbei sind wir mit der Melges 24 noch viel unterwegs gewesen. Unter anderem bei der schwedischen Meisterschaft, bei der wir Dritte wurden. An der WM in Sardinien haben wir teilgenommen, sind bei 61 Teilnehmen aber am Ende nicht über Platz 35 hinausgekommen. Fiese Winddreher und viele Profiteams haben uns das Segeln richtig schwer gemacht.

Und was sind deine Pläne für den Winter und nächstes Jahr?
Jetzt konzentriere ich mich erstmal voll auf den Bootskauf. Im Januar werde ich dann meinen Mini auf der Boot Düsseldorf vorstellen und anschließend geht es direkt nach Lorient in Frankreich – um so früh wie möglich in der französischen Szene mit Profi-Coach trainieren. Dann kommt die Teilnahme an den nötigen Qualifikations-Regatten, vor allem dem SAS-Azoren-Race und die 1000-Seemeilen-Nonstop-Qualifikation, möglichst auf dem Atlantik.
Wie inspirieren und unterstützen dich erfahrene Offshore-Segler?
Boris Herrmann ist natürlich eines meiner großen Vorbilder, und er ist auch sehr hilfsbereit. Aber er ist viel unterwegs und schwer mit seiner Vendée-Globe-Kampagne beschäftigt. Viele deutsche Mini-Segler wie Wolfgang Quix, Hendrik Witzmann, Chris Lückermann, Andreas Deubel, Jörg Riechers, Oliver Tessloff, Oliver Korte stehen mir fast täglich mit Rat und Tat zur Seite.
Oliver Tessloff und ich werden sogar intensiver zusammen segeln. Er wird mir als Co-Skipper zur Seite stehen. Frank Schönfeldt ist zwar nicht Offshore unterwegs, aber für mich immer eine Quelle der Inspiration. Ein so lebensfroher, mutiger und begeisternder Mensch wie er ist mir noch nie über den Weg gelaufen. Ich versuche mich von allen inspirieren zu lassen, Informationen aufzusaugen und dann meinen eigenen Weg zu finden. Das hat bisher sehr gut geklappt.

Was ist mit Ausbildung, Studium, Berufswunsch?
Mein Berufswunsch ist einfach: Ich möchte gerne Profisegler werden. Zumindest erstmal in die Szene hineinschnuppern. Welche Ausbildung dazu gut ist, das ist schwieriger. Vielleicht finde ich es in den kommenden zwei Jahren heraus.
Wir danken Dir für das Gespräch und drücken die Daumen!
Mini-Transat Facts
Seit 1977 von Frankreich mit einem Zwischenstopp je nach Wetter in die Karibik oder nach Brasilien. Länge: circa 4.000 Seemeilen ohne Unterstützung von außen. Gesamtsegelzeit: rund 22 Tage (Prototypen-Boote), mehr als 30 Tage (Serienboote)
Ablösung an der Pinne nur durch den Autopiloten. Kein Satellitentelefon, Navigationscomputer oder professionelles Routing. Navigiert wird mit Sextant, Papier-Seekarten und Weltempfänger. Geringster Komfort, äußerste Gewichtsersparnis. Kein Schlafsack und abgesägte Zahnbürste. Sicherheit durch Rettungsweste, Lifebelt und Fernbedienung des AP am Mann/Frau.
Maximale Länge der Boote 6,50 m, Segelfläche unbegrenzt (bis 120 qm downwind), Strenge Qualifikations- und Sicherheitsbestimmungen. Klassen: Protoypen ohne Materialeinschränkungen und Einzelbauten, Serienboote: Eingeschränkt in Materialauswahl, mindestens 10 des gleichen Typs müssen gebaut sein
Erster deutscher Teilnehmer: Wolfgang Quix im Jahr 1977 im Waarship 570. Teilnehmer 2019: 89, davon 9 Frauen